Prologus.

[6] Ihr Ehrbar Hern vnd gute leut,

Warumb wir sein gekommen heut

Für euch hieher auff diesen plan

Wil ich euch Kurtzlich wissen lahn.

So ihr vnss horen wollt allein

Vnd nur ein wenig stille sein:

Ein Fabel wolln wir euch fürtrag'n,

(: Wie man wol pflegt zu diesen tagn :)

Darauss ihr Klerlich werdet sehn,

Wass auss der liebe könn entstehn

Als: Jamer, Elendt, angst vnd noth,

Ja auch wol selbs der bitter Todt,

Wie ihr denn sehn werdt aller ding

An Pyramo dem Jungeling,

An Thisbe auch der Jungfraw zart,

Welch ihre lieb ankumpt gar hart.

Dass abr hernach ein ieder frey

Konn wissen wass gehandlet sey:

So mercket all mitt vleisse drauff,

Wass in eim iedern Act verlauff.

Dass Spiell fünf actus haben soll,

Die Konnet ihr selbs Kennen wol.

Der Erste Actus wirt euch sagn,

Wie sich die Beiden lieb beclagn.

Die lieb sie beid gar hefftig plagt,

Doch Keinr fürerst ess von ihm sagt.

Mit Venuspfeil sie sein verwundt

Vnd mugns einandr nicht machen Kunt.

Im Ersten Actu bleibts noch still.

Hört, wass der Ander bringen wil.

Der Pyramus erdenckt ein Rath:[6]

Denn als er Gott gebeten hat,

Ersicht er balt da in der wandt

Ein Ritz der ihm Kam recht zur handt.

Dadurch gdenckt er zu reden fein

Mit Thisben der Hertzliebsten sein.

Darnach er wartet fur der thur,

Ob etwan Thisbe Kem herfur.

Alsdan wolt er ihr sagen an,

Wiess wer vmb seine lieb gethan.

Die Jungfraw endtlich Kumpt gegangn,

Dess er erwartet mit verlangn.

Da gibt er ihr der Sach bericht,

Sie aber wil ihn hören nicht.

Doch endtlich gibt sie sich darein

Vnd sagt sie wöll da bei ihm sein.

Wie sie da selbs nun Kommen hin,

Sagn sie Beid wie ihnn sei zu sin.

Da wirt von ihnn gar kurtz beschlossn,

Dass Pyramus soll werben lassn

Vmb Thisben, welchs auch balt geschicht.

Er Kan sie abr erwerben nicht.

Ess wirt ihm gentzlich abgeschlagn.

Darauss entsteht ein grosses Clagn.

Weil dass ihnn nun nicht an wil gehn,

Da muss ein anders balt geschehn.

Die lieb wil sich nicht lassen stilln,

Ess geh ihnn den nach ihrem Willn.

Drumb haben sie sich furgenomn,

Sie wolln im walt zusamen Komn.

Der Rathschlag ihnen beid gefelt

Vnd wirt also ins werck gestellt.

Dasselbig ihr nun werdet sehn

Im andern Actu so geschehn.

Im dritten fangt sich an die Sach.

Sie Kommen ihrem Rathschlag nach.

Die Thisbe stilt sich auss dem Hauss

Vnd Kumpt fur erst inn walt hinauss.

Vnd wie sie nun daselbost war,

Dacht sie ess hett nun Keine fahr.

Da Kumpt gelaufen aus dem Walt

Ein thier in eines lewn gestalt.[7]

Als Thisbe das gesehn hat Komn,

Hat sie gar balt die flucht genomn

Vnd ihren Mantel fallen lahn.

Darnach Kumpt Pyramus auch an.

Wie er den mantel nun vernomn,

Meint er das sie sei vmbgekomn.

Drumb er sich auch so balt ersticht.

Wiess ihr war gangen, wust er nicht.

Die Thisbe meint, Sie sei nun frei,

Vnd Kumpt gemechlich wiedr herbey.

Da findt sie Pyramum da Todt,

Dadurch sie erst empfindt gross noth.

Zuletzt sie waget auch den schmertz

Vnd sticht sein schwert auch in ihr hertz

So sterben sie beid gar behendt.

Dass ist dess dritten Actus Endt.

Der vierte nun sich so verhelt:

Ihr Nachbar gieng hinaus ins feldt

Vnd wolt sein Korn daselbs besehn.

Nachdem nun Solches war geschehn,

Wil er auch gehn da in den walt,

Da findet er die Todten balt.

Drumb geht er hin vnd seumpt sich nicht

Vnd sagt ihm Eltern diess geschehicht.

Die den darob gar trawrig werdn,

Begern nicht meh zu sein auff Erdn.

Dennoch wirt endtlich diess beschlossn,

Dass man sie soll begraben lassn.

Im fünften werden sie getragn

Zu Kirchhoff: da ist eitel Clagn.

Vnd wie sie nun vom grabe Komn,

Da hat das Spiel sein end genomn.

Solchs sollt ihr hie zurwarten han.

Nun wirt dass Spiel sich heben An.[8]


Quelle:
Drei deutsche Pyramus-Thisbe-Spiele. Tübingen 1911, S. 6-9.
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