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[339] Wie Dietrichens Recken alle erschlagen wurden.
Der Jammer allenthalben / zu solchem Maße schwoll,
Daß von der Wehklage / Palas und Turm erscholl.
Da vernahm es auch ein Berner, / Dietrichs Untertan:
Der schweren Botschaft willen / wie eilends kam er heran!
Da sprach er zu dem Fürsten: / »Hört mich, Herr Dieterich,
Was ich noch je erlebte, / so herzensjämmerlich
Hört ich noch niemals klagen, / als ich jetzt vernahm.
Ich glaube, daß der König / nun selber zu der Hochzeit kam.
Wie wären sonst die Leute / all in solcher Not?
Der König oder Kriemhild, / eins ward dem Tod
Von den kühnen Gästen / in ihrem Zorn gesellt.
Es weint übermäßig / mancher auserwählte Held.«
Da sprach der Vogt von Berne: / »Ihr Getreun in meinem Lehn,
Seid nicht allzu eilig: / was hier auch ist geschehn
Von den Heimatlosen, / sie zwang dazu die Not:
Nun laßt sie des genießen, / daß ich ihnen Frieden bot.«[339]
Da sprach der kühne Wolfhart: / »Ich will zum Saale gehn,
Der Märe nachzufragen, / was da sei geschehn,
Und will euch dann berichten, / viel lieber Herre mein,
Wenn ich es dort erkunde, / wie die Sache möge sein.«
Da sprach der edle Dietrich: / »Wenn man sich Zorns versieht,
Und ungestümes Fragen / zur Unzeit dann geschieht,
Das betrübt den Recken / allzuleicht den Mut:
Drum will ich nicht, Wolfhart, / daß ihr die Frage da tut.«
Da bat er Helfrichen / hinzugehn geschwind,
Ob er erkundgen möge / bei Etzels Ingesind
Oder bei den Gästen, / was da wär geschehn.
Da wurde nie bei Leuten / so großer Jammer gesehn.
Der Bote kam und fragte: / »Was ist hier geschehn?«
Da ward ihm zum Bescheide: / »Nun mußt uns auch zergehn
Der Trost, der uns geblieben / noch war in Heunenland:
Hier liegt erschlagen Rüdiger / von der Burgunden Hand.
Nicht einer ist entkommen, / der mit ihm ging hinein.«
Das konnte Helfrichen / nimmer leider sein.
Wohl mocht er seine Märe / noch nie so ungern sagen:
Er kam zu Dietrichen / zurück mit Weinen und Klagen.
»Was bringt ihr uns für Kunde?« / sprach da Dieterich,
»Wie weint ihr so heftig, / Degen Helferich?«
Da sprach der edle Recke: / »Wohl hab ich Grund zu klagen:
Den guten Rüdger haben / die Burgunden erschlagen.«
Da sprach der Held von Berne: / »Das wolle nimmer Gott.
Eine starke Rache wär es / und des Teufels Spott.
Wie hätt' an ihnen Rüdiger / verdient solchen Sold?
Ich weiß zu wohl die Kunde, / er ist den Fremdlingen hold.«[340]
Da sprach der kühne Wolfhart: / »Und wär es geschehn,
So sollt es ihnen allen / an Leib und Leben gehn.
Wenn wirs ertragen wollten, / es brächt uns Spott und Schand:
Uns bot so große Dienste / des guten Rüdiger Hand.«
Der Vogt von Amelungen / erfragt' es gern noch mehr.
In ein Fenster setzt' er sich, / ihm war das Herz so schwer.
Da hieß er Hildebranden / zu den Gästen gehn,
Bei ihnen zu erforschen, / was da wäre geschehn.
Der sturmkühne Recke, / Meister Hildebrand,
Weder Schild noch Waffen / trug er an der Hand.
Er wollt in seinen Züchten / zu den Gästen gehn;
Von seiner Schwester Kinde / mußt er sich gescholten sehn.
Da sprach der grimme Wolfhart: / »Geht ihr dahin so bloß,
So kommt ihr ungescholten / nimmer wieder los,
So müßt ihr dann mit Schanden / tun die Wiederfahrt;
Geht ihr dahin in Waffen, / so weiß ich, daß es mancher spart.«
Da rüstete der Alte / sich nach des Jungen Rat.
Eh Hildebrand es gewahrte, / standen in ihrem Staat
Die Recken Dietrichs alle, / die Schwerter in der Hand.
Leid war das dem Helden, / er hätt' es gern noch abgewandt.
Er frug, wohin sie wollten. / »Wir wollen mit euch hin:
Ob von Tronje Hagen / wohl dann noch ist so kühn,
Mit Spott zu euch zu reden, / wie ihm zu tun gefällt?«
Als er die Rede hörte, / erlaubt' es ihnen der Held.
Da sah der kühne Volker / wohlgewaffnet gehn
Die Recken von Berne / in Dietrichens Lehn,
Die Schwerter umgegürtet, / die Schilde vor der Hand:
Er sagt' es seinen Herren / aus der Burgunden Land.[341]
Da sprach der Fiedelspieler: / »Dorten seh ich nahn
Recht in Feindesweise, / die Dietrich untertan,
Gewaffnet unter Helmen: / sie wollen uns bestehn.
Nun wird es an das Üble / mit uns Fremdlingen gehn.«
Es währte nicht lange, / so kam auch Hildebrand:
Da setzt' er vor die Füße / seinen Schildesrand
Und begann zu fragen, / die Gunthern untertan:
»O weh, ihr guten Degen, / was hatt' euch Rüdiger getan?
Mich hatt' mein Herr Dietrich / her zu euch gesandt,
Ob erschlagen liege, / Helden, von eurer Hand
Dieser edle Markgraf, / wie man uns gab Bescheid.
Wir könnten nicht verwinden / also schweres Herzeleid.«
Da sprach der grimme Hagen: / »Die Mär ist ungelogen,
Wie gern ichs euch gönnte, / wärt ihr damit betrogen,
Rüdigern zuliebe: / so lebt' er uns noch,
Den nie genug beweinen / mögen Fraun und Mannen doch.«
Als sie das recht vernahmen, / Rüdiger sei tot,
Da beklagten ihn die Recken, / wie ihre Treu gebot.
Dietrichens Mannen / sah man die Tränen gehn
Übern Bart zum Kinne: / viel Leid war ihnen geschehn.
Siegstab, der Herzog / von Bern sprach zuhand:
»O weh, wie all die Güte / hier gar ein Ende fand,
Die uns Rüdiger hier schuf / nach unsers Leides Tagen:
Der Trost der Heimatlosen / liegt von euch Degen erschlagen.«
Da sprach von Amelungen / der Degen Wolfwein:
»Und wenn ich vor mir liegen / hier säh' den Vater mein,
Mir würde nimmer leider / als um Rüdgers Tod.
O weh, wer soll nun trösten / die Markgräfin in ihrer Not?«[342]
Da sprach im Zornmute / der Degen Wolfhart:
»Wer leitet nun die Recken / auf mancher Heerfahrt,
Wie von dem Markgrafen / so oft geschehen ist?
O weh, viel edler Rüdiger, / daß du uns so verloren bist!«
Wolfbrand und Helferich / und auch Helmnot
Mit allen ihren Freunden / beweinten seinen Tod.
Nicht mehr fragen mochte / vor Seufzen Hildebrand:
»So tut denn, ihr Degen, / warum mein Herr uns gesandt:
Gebt uns den toten / Rüdiger aus dem Saal,
An dem all unsre Freude / erlitt den Jammerfall.
Laßt uns ihm so vergelten, / was er an uns getan
Hat mit großer Treue / und an manchem fremden Mann.
Wir sind hier auch Vertriebene / wie Rüdiger der Degen.
Was laßt ihr uns warten? / Laßt uns ihn aus den Wegen
Tragen und im Tode / lohnen noch dem Mann;
Wir hätten es wohl billig / bei seinem Leben getan.«
Da sprach der König Gunther: / »Nie war ein Dienst so gut,
Als den ein Freund dem Freunde / nach seinem Tode tut.
Das nenn ich stete Treue, / wenn man das leisten kann:
Ihr lohnt ihm nach Verdienste, / er hat euch Liebes getan.«
»Wie lang laßt ihr uns flehn?« / sprach Wolfhart der Held.
»Da unser Trost der beste / liegt von euch gefällt,
Und wir ihn nun leider / nicht länger mögen haben,
Laßt uns ihn hinnen tragen, / daß wir den Recken begraben.«
Zur Antwort gab ihm Volker: / »Man bringt ihn euch nicht her.
Holt ihn aus dem Hause, / wo der Degen hehr
Mit tiefen Herzenswunden / gefallen ist ins Blut:
So sind es volle Dienste, / die ihr hier Rüdigern tut.«[343]
Da sprach der kühne Wolfhart: / »Gott weiß Herr Fiedelmann,
Ihr müßt uns nicht noch reizen; / ihr habt uns Leid getan.
Dürft' ichs vor meinem Herren, / so kämt ihr drum in Not;
Doch müssen wir es lassen, / weil er den Streit uns verbot.«
Da sprach der Fiedelspieler: / »Der fürchtet sich zu viel,
Der, was man ihm verbietet, / alles lassen will:
Das kann ich nimmer heißen / rechten Heldenmut.«
Die Rede dauchte Hagnen / von seinem Heergesellen gut.
»Wollt ihr den Spott nicht lassen,« / fiel ihm Wolfhart ein,
»Ich verstimm' euch so die Saiten, / daß ihr noch am Rhein,
Wenn je ihr heimreitet, / habt davon zu sagen.
Euer Überheben / mag ich mit Ehren nicht ertragen.«
Da sprach der Fiedelspieler: / »Wenn ihr den Saiten mein
Die guten Töne raubtet, / eures Helmes Schein
Müßte trübe werden / dabei von meiner Hand,
Wie ich halt auch reite / in der Burgunden Land.«
Da wollt er zu ihm springen; / doch blieb nicht frei die Bahn:
Hildebrand sein Oheim / hielt ihn mit Kräften an.
»Ich seh, du willst wüten / in deinem dummen Zorn;
Nun hätten wir auf immer / meines Herren Huld verlorn.«
»Laßt los den Leuen, Meister; / er hat so grimmigen Mut;
Doch kommt er mir zu nahe,« / sprach Volker der Degen gut,
»Hätt' er mit seinen Händen / die ganze Welt erschlagen,
Ich schlag ihn, daß er nimmermehr / ein Widerwort weiß zu sagen.«
Darob ergrimmte heftig / den Bernern der Mut.
Den Schild ruckte Wolfhart, / ein schneller Recke gut:
Gleich einem wilden Leuen / lief er auf ihn an.
Die Schar seiner Freunde / ihm rasch zu folgen begann.[344]
Mit weiten Sprüngen setzt' er / bis vor des Saales Wand;
Doch ereilt' ihn vor der Stiege / der alte Hildebrand:
Er wollt ihn vor ihm selber / nicht lassen in den Streit.
Zu ihrem Willen fanden / sie gern die Gäste bereit.
Da sprang hin zu Hagen / Meister Hildebrand:
Man hörte Waffen klingen / an der Helden Hand.
Sie waren sehr im Zorne, / das zeigte sich geschwind;
Von der beiden Schwertern / ging der feuerrote Wind.
Da wurden sie geschieden / in des Streites Not;
Das taten die von Berne, / wie Kraft und Mut gebot.
Als sich von Hagen wandte / Meister Hildebrand,
Da kam der starke Wolfhart / auf den kühnen Volker gerannt.
Auf den Helm dem Fiedler / schlug er solchen Schwang,
Daß des Schwertes Schärfe / durch die Spangen drang.
Das vergalt mit Ungestüm / der kühne Fiedelmann:
Da schlug er Wolfharten, / daß er zu sprühen begann.
Feuers aus den Panzern / hieben sie genug;
Grimmen Haß jedweder / zu dem andern trug.
Da schied sie von Berne / der Degen Wolfwein;
Wär' er kein Held gewesen, / so konnte das nimmer sein.
Gunther der kühne / mit williger Hand
Empfing die hehren Helden / aus Amelungenland.
Geiselher der junge, / die lichten Helme gut
Macht' er in dem Sturme / manchen naß und rot von Blut.
Dankwart, Hagens Bruder, / war ein grimmer Mann;
Was er zuvor im Streite / Herrliches getan
An König Etzels Recken, / das schien nun gar nur Wind:
Nun erst begann zu toben / des kühnen Aldrians Kind.[345]
Ritschart und Gerbart, / Helfrich und Wichart,
In manchen Stürmen hatten / die selten sich gespart:
Das ließen sie wohl schauen / die in Gunthers Lehn.
Da sah man Wolfbranden / in dem Sturme herrlich gehn.
Da focht, als ob er wüte, / der alte Hildebrand.
Viel gute Recken mußten / vor Wolfhartens Hand
Auf den Tod getroffen / sinken in das Blut:
So rächten Rüdgers Wunden / diese Recken kühn und gut.
Da focht der Herzog Siegstab, / wie ihm der Zorn gebot.
Hei! was harter Helme / brach in des Sturmes Not
An seinen Feinden / Dietrichens Schwestersohn!
Er konnt' in dem Sturme / nicht gewaltiger drohn.
Volker der starke, / als er das ersah,
Wie Siegstab der kühne / aus Panzerringen da
Bäche Blutes holte, / das schuf dem Biedern Zorn:
Er sprang ihm hin entgegen; / da hatte hier bald verlorn
Von dem Fiedelspieler / das Leben Siegstab:
Volker ihm seiner Künste / so vollen Anteil gab,
Er fiel von seinem Schwerte / nieder in den Tod.
Der alte Hildebrand rächte das, / wie ihm sein Eifer gebot.
»O weh des lieben Herren,« / sprach Meister Hildebrand,
»Der uns hier erschlagen / liegt von Volkers Hand!
Nun soll der Fiedelspieler / auch länger nicht gedeihn.«
Hildebrand der kühne, / wie konnt er grimmiger sein?
Da schlug er so auf Volker, / daß von des Helmes Band
Die Splitter allwärts stoben / bis zu des Saales Wand,
Vom Helm und auch vom Schilde, / dem kühnen Spielmann;
Davon der starke Volker / nun auch sein Ende gewann.[346]
Da drangen zu dem Streite / die in Dietrichs Lehn:
Sie schlugen, daß die Splitter / sich wirbelnd mußten drehn,
Und man der Schwerter Enden / in die Höhe fliegen sah.
Sie holten aus den Helmen / heiße Blutbäche da.
Nun sah von Tronje Hagen / Volker den Degen tot:
Das war ihm bei der Hochzeit / die allergrößte Not,
Die er gewonnen hatte / an Freund und Untertan!
O weh, wie grimmig Hagen / den Freund zu rächen begann!
»Nun soll es nicht genießen / der alte Hildebrand:
Mein Gehilfe liegt erschlagen / von des Helden Hand,
Der beste Heergeselle, / den ich je gewann.«
Den Schild rückt' er höher: / so ging er hauend hindann.
Helferich der starke / Dankwarten schlug:
Gunthern und Geiselheren / war es leid genug,
Als sie ihn fallen sahen / in der starken Not;
Doch hatten seine Hände / wohl vergolten seinen Tod.
So viel aus manchen Landen / hier Volks versammelt war,
Viel Fürsten kraftgerüstet / gegen die kleine Schar,
Wären die Christenleute / nicht wider sie gewesen,
Durch ihre Tugend mochten sie / vor allen Heiden wohl genesen.
Derweil schuf sich Wolfhart / hin und wieder Bahn,
Alles niederhauend, / was Gunthern untertan.
Er machte nun zum drittenmal / die Runde durch den Saal:
Da fiel von seinen Händen / gar mancher Recke zutal.
Da rief der starke Geiselher / Wolfharten an:
»O weh, daß ich so grimmen / Feind je gewann!
Kühner Ritter edel, / nun wende dich hierher;
Ich will es helfen enden, / nicht länger trag' ich es mehr.«[347]
Zu Geiselheren wandte / sich Wolfhart in den Streit.
Da schlugen sich die Recken / manche Wunde weit.
Mit solchem Ungestüme / er zu dem König drang,
Daß unter seinen Füßen / übers Haupt das Blut ihm sprang.
Mit schnellen grimmen Schlägen / der schönen Ute Kind
Empfing da Wolfharten, / den Helden hochgesinnt.
Wie stark auch war der Degen, / wie sollt er hier gedeihn?
Es konnte nimmer kühner / ein so junger König sein.
Da schlug er Wolfharten / durch einen Harnisch gut,
Daß ihm aus der Wunde / niederschoß das Blut:
Zum Tode war verwundet / Dietrichens Untertan.
Wohl mußt er sein ein Recke, / der solche Werke getan.
Als der kühne Wolfhart / die Wund' an sich empfand,
Den Schild ließ er fallen: / höher in der Hand
Hob er ein starkes Waffen, / das war wohl scharf genug:
Durch Helm und Panzerringe / der Degen Geiselhern schlug.
Den grimmen Tod einander / hatten sie angetan.
Da lebt' auch niemand weiter, / der Dietrich untertan.
Hildebrand der alte / Wolfharten fallen sah:
Gewiß vor seinem Tode / solch Leid ihm nimmer geschah.
Erstorben waren alle, / die in Gunthers Lehn
Und die in Dietrichens. / Hildebrand sah man gehn,
Wo Wolfhart war gefallen / nieder in das Blut.
Er umschloß mit Armen / den Degen bieder und gut.
Er wollt ihn aus dem Hause / tragen mit sich fort;
Er war zu schwer doch, lassen / mußt ihn der Alte dort.
Da blickt aus dem Blute / der todwunde Mann:
Er sah wohl, sein Oheim / hülfe gern ihm hindann.[348]
Da sprach der Todwunde: / »Viel lieber Oheim mein,
Mir kann zu dieser Stunde / eure Hilfe nicht gedeihn.
Nun hütet euch vor Hagen, / fürwahr, ich rat' euch gut:
Der trägt in seinem Herzen / einen grimmigen Mut.
Und wollen meine Freunde / im Tode mich beklagen,
Den nächsten und den besten / sollt ihr von mir sagen,
Daß sie nicht um mich weinen, / das tu nimmer not:
Von eines Königs Händen / fand ich hier herrlichen Tod.
Ich hab auch so vergolten / mein Sterben hier im Saal,
Das schafft noch den Frauen / der guten Ritter Qual.
Wills jemand von euch wissen, / so mögt ihr kühnlich sagen:
Von meiner Hand alleine / liegen hundert wohl erschlagen.«
Da gedacht' auch Hagen / an den Fiedelmann,
Dem der alte Hildebrand / das Leben abgewann;
Da sprach er zu dem Kühnen: / »Ihr entgeltet nun mein Leid.
Ihr habt uns hier benommen / manchen Recken kühn im Streit.«
Er schlug auf Hildebranden, / daß man wohl vernahm
Balmungen dröhnen, / den Siegfrieden nahm
Hagen der kühne, / als er den Helden schlug.
Da wehrte sich der Alte: / er war auch streitbar genug.
Wolfhartens Oheim / ein breites Waffen schwang
Auf Hagen von Tronje, / das scharf den Stahl durchdrang;
Doch konnt er nicht verwunden / Gunthers Untertan.
Da schlug ihm Hagen wieder / durch einen Harnisch wohlgetan.
Als da Meister Hildebrand / die Wunde recht empfand,
Besorgt er größern Schaden / noch von Hagens Hand.
Den Schild warf auf den Rücken / Dietrichs Untertan:
Mit der starken Wunde / der Held vor Hagen entrann.[349]
Da lebt' auch von allen / den Degen niemand mehr
Als Gunther und Hagen, / die beiden Recken hehr.
Mit Blut ging beronnen / der alte Hildebrand:
Er brachte leide Märe, / da er Dietrichen fand.
Schwer bekümmert sitzen / sah er den Mann;
Noch größern Leides Kunde / nun der Fürst gewann.
Als er Hildebranden / im Panzer sah so rot,
Da fragt' er nach der Ursach, / wie ihm die Sorge gebot.
»Nun sagt mir, Meister Hildebrand, / wie seid ihr so naß
Von dem Lebensblute? / oder wer tat euch das?
Ihr habt wohl mit den Gästen / gestritten in dem Saal?
Ihr ließt es billig bleiben, / wie ich so dringend befahl.«
Da sagt' er seinem Herren: / »Hagen tat es mir:
Der schlug mir in dem Saale / diese Wunde hier,
Als ich von dem Recken / zu wenden mich begann,
Kaum daß ich mit dem Leben / noch dem Teufel entrann.«
Da sprach der von Berne: / »Gar recht ist euch geschehn,
Da ihr mich Freundschaft hörtet / den Recken zugestehn
Und doch den Frieden brachtet, / den ich ihnen bot:
Wär mirs nicht ewig Schande, / ihr solltets büßen mit dem Tod.«
»Nun zürnt mir, Herr Dietrich, / darob nicht allzusehr:
An mir und meinen Freunden / ist der Schade gar zu schwer.
Wir wollten Rüdger gerne / tragen aus dem Saal:
Das wollten uns nicht gönnen / die, welchen Gunther befahl.«
»O weh mir dieses Leides! / Ist Rüdiger doch tot?
Das muß mir sein ein Jammer / vor all meiner Not.
Gotelind die edle / ist meiner Base Kind:
O weh der armen Waisen, / die dort zu Bechlaren sind!«[350]
Herzeleid und Kummer / schuf ihm sein Tod:
Er hub an zu weinen, / den Helden zwang die Not.
»O weh der treuen Hilfe, / die mir an ihm erlag,
König Etzels Degen, / den ich nie verschmerzen mag!
Könnt ihr mir, Meister Hildebrand, / rechte Kunde sagen,
Wie der Recke heiße, / der ihn hat erschlagen?«
Er sprach: »Das tat mit Kräften / der starke Gernot;
Von Rüdigers Händen / fand auch der König den Tod.«
Er sprach zu Hildebranden: / »So sagt den Meinen an,
Daß sie alsbald sich waffnen: / so geh ich selbst hinan.
Und befehlt, daß sie mir bringen / mein lichtes Streitgewand:
Ich selber will nun fragen / die Helden aus Burgundenland.«
Da sprach Meister Hildebrand: / »Wer soll mit euch gehn?
Die euch am Leben blieben, / die seht ihr vor euch stehn:
Das bin ich ganz alleine; / die andern, die sind tot.«
Da erschrak er dieser Märe, / es schuf ihm wahrhafte Not,
Daß er auf Erden nimmer / noch solches Leid gewann.
Er sprach: »Und sind erstorben / all die mir untertan,
So hat mein Gott vergessen, / ich armer Dietrich!
Ich herrscht' ein mächtger König / einst hehr und gewaltiglich.«
Wieder sprach da Dietrich: / »Wie konnt' es nur geschehn,
Daß sie all erstarben, / die Helden ausersehn,
Vor den Streitmüden, / die doch gelitten Not?
Mein Unglück schufs alleine, / sonst verschonte sie der Tod!
Wenn dann mein Unheil wollte, / es sollte sich begeben,
So sprecht, blieb von den Gästen / einer noch am Leben?«
Da sprach Meister Hildebrand: / »Das weiß Gott, niemand mehr
Als Hagen ganz alleine / und Gunther der König hehr.«[351]
»O weh, lieber Wolfhart, / und hab ich dich verloren,
So mag mich bald gereuen, / daß ich je ward geboren.
Siegstab und Wolfwein / und auch Wolfbrand:
Wer soll mir denn helfen / in der Amelungen Land?
Helferich der kühne, / und ist mir der erschlagen,
Gerbart und Wichart, / wann hör ich auf zu klagen?
Das ist aller Freuden / mir der letzte Tag.
O weh, daß vor Leide / niemand doch ersterben mag!«
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