|
[329] Nun soll guten Rat die Jungfrau,
Weisung soll die Braut empfangen;
Wer wird wohl den Rat erteilen,
Wird das Mädchen unterweisen?
Osmotar, die Vielerfahrne,
Diese schöne Kalewtochter,
Gab nun guten Rat der Jungfrau,
Lehre gab sie der Verwaisten,
Wie mit Freude sie wohl leben,
Wie mit Ruhm sie weilen könnte,
Freudvoll in dem Haus des Mannes,
Ruhmvoll bei der Schwiegermutter.
Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:
Bräutlein, meine liebe Schwester,
Zartes Laub des jungen Schößlings,
Höre nun, was ich dir sagen,
Was ich wiederholen werde!
Ziehst, o Blume, nun von hinnen,
Wanderst, Erdbeerlein, ins Weite,
Reisest fort, o buntes Tüchlein,
Schreitest, zartes Sammetläppchen,
Aus dem weitberühmten Hofe,
Aus dem schönen Wohngebäude,[330]
Kommest nun zu anderm Hause,
Ziehest ein in fremde Wirtschaft,
Anders ist's in anderm Hause
Und in fremder Wirtschaft anders,
Voll Gedanken ist das Gehen
Und die Arbeit dort voll Umsicht,
Nicht wie auf der Heimat Fluren,
Auf der eignen Mutter Feldern:
Singen war dort in den Tälern,
Lustig Krähen in den Gängen.
Gehest du aus diesem Hause,
Kannst du alles andre nehmen,
Drei der Dinge laß im Hause:
Träume, die am Tage kommen,
Deiner Mutter liebe Worte
Und das Kosten frischer Butter!
Alles andre nimm hinüber,
Nur den Träumeranzen lasse
Du den Mädchen in dem Hause,
An des Ofens breiter Kante;
Auf die Bank wirf die Gesänge
Und dein frohes Lied ans Fenster,
Deine Mädchenschaft zum Besen,
An den Bettuchsaum die Wildheit,
An den Herd die bösen Streiche,
Auf den Boden deine Trägheit,
Oder gib sie der Gespielin,
Füll' den Schoß der Brautgefährtin,
Daß sie in den Busch sie führe,
Auf das Heideland sie trage!
Neue Sitte ist zu lernen
Und die frühre zu vergessen,
Vaterliebe zu verlassen,[331]
Schwäherliebe zu erlernen,
Tiefer mußt du dich nun bücken,
Gute Worte mußt du spenden!
Neue Sitte ist zu lernen
Und die frühre zu vergessen,
Mutterliebe zu verlassen
Gegen Schwiegermutterliebe,
Tiefer mußt du dich nun bücken,
Gute Worte mußt du spenden!
Neue Sitte ist zu lernen
Und die frühre zu vergessen,
Bruderliebe zu verlassen,
Schwagerliebe zu erlernen,
Tiefer mußt du dich nun bücken,
Gute Worte mußt du spenden!
Neue Sitte ist zu lernen
Und die frühre zu vergessen,
Schwesterliebe zu verlassen,
Mußt die Schwägerin nun lieben,
Tiefer mußt du dich nun bücken,
Gute Worte mußt du spenden!
Mögst du nie in deinem Leben,
Nie, solang der Mond dir leuchtet,
Sittenlos dem Hause nahen,
Tugendlos der Männerwohnung!
Nach den Sitten frägt die Wohnung,
Nach den Sitten stets die gute,
Nach dem Sinne forschen Männer,
Nach dem Sinn der Männer bester;
Umsicht wird erst recht erfordert,
Wenn's dem Haus an Ordnung mangelt,
Sorgfalt sonderlich benötigt,
Wenn untauglich selbst der Mann ist.[332]
Ist der Greis ein Wolf im Winkel,
Bärin im Verschlag die Alte,
Schlange auf der Schwell' der Schwager,
Haken auf dem Hof die Schwägrin,
Gleiche Ehre mußt du geben,
Tiefer mußt du dich dort bücken,
Als zur Seite deiner Mutter,
Als in deines Vaters Stube
Vor dem Vater du dich bücktest
Und die Mutter du verehrtest.
Wirst nun immer haben müssen
Klugen Sinn und rasche Fassung,
Stets Gedanken reich an Kräften,
Immer Einsicht ohne Wechsel,
An dem Abend scharfe Augen,
Um das Licht gut wahrzunehmen,
An dem Morgen scharfe Ohren,
Um des Hahnes Ruf zu hören!
Hat der Hahn einmal gekrähet,
Noch das zweite nicht gerufen,
Muß die Junge sich erheben,
Ruhig schlafen noch die Alten.
Wenn der Hahn nicht krähen sollte,
Nicht des Wirtes Vogel rufen,
Mußt den Mond als Hahn du halten
Und den Großen Bär als Mahner,
Öfters mußt hinaus du gehen,
Gehen auf den Mond zu blicken,
Von dem Bären zu erfahren,
Von den Sternen Rat zu holen!
Steht der Große Bär gerade
Mit dem Kopf gewandt nach Süden,
Mit dem Schwanze hin nach Norden,[333]
Dann ist's Zeit dir aufzustehen
Von des jungen Mannes Seite,
Aus des Lebensfrischen Armen,
Feuer aus der Asch' zu suchen,
Einen Funken in der Kiste,
Feuer auf das Holz zu blasen
Achtsam, ohn' es auszubreiten.
Ist kein Feuer in der Asche,
Ist kein Funke in der Kiste,
Rüttle dann den lieben Gatten,
Schmeichle deinem Mann, dem Schönen:
Gib mir Feuer, o Geliebter,
Einen Funken, liebes Beerlein!
Hast den Feuerstein, den kleinen,
Etwas Zunder du erhalten,
Schlag dann eilends an das Feuer,
Steck' den Kienspan in die Klammer,
Mach' dich auf den Weg zum Viehstall,
Um die Herde dort zu füttern;
Brüllt die Kuh der Schwiegermutter
Und das Roß des Schwähers wiehert,
Reißt am Strang die Kuh des Schwagers
Und das Kalb der Schwägrin blöket,
Daß ihm Heu gereichet werde,
Klee ihm vorgeworfen werde.
Geh gebücket durch die Hürde,
Mit gesenktem Kopf im Viehhof,
Freundlich füttere die Kühe,
Sanftgesinnt die Lämmerherde,
Reiche gutes Stroh den Kühen,
Trank den Kälbern, den geplagten,
Zarte Halme gib den Füllen,
Weiches Heu den jungen Lämmern,[334]
Tritt nur ja nicht auf die Schweine,
Stoß nicht mit dem Fuß die Ferkel,
Trag den Freßtrog zu den Schweinen,
Zu den Ferkeln hin die Mulde!
Nimmer magst du ruhn im Viehhof
Nimmer schlafen in der Hürde;
Hast den Viehhof du besuchet,
Du die Herde überschauet,
Dann enteile rasch von dannen,
Stürme gleich dem Schnee zum Hause!
Drinnen weinet schon ein Kindlein,
Wimmert dorten in dem Bette,
Sprechen kann ja nicht das Arme,
Sagen nicht das Sprachberaubte,
Ob es frieret oder hungert,
Ob ihm etwas zugestoßen,
Eh' die Wohlbekannte heimkommt,
Eh' der Mutter Stimm' es höret.
Kommst du darauf in die Stube,
Komm selbviert du in die Stube:
In der Hand ein Wasserfäßlein,
In dem Arm den Blätterbesen,
In dem Mund ein Feuerhölzchen,
Selber bist du dann die vierte!
Kehre dann des Bodens Dielen,
Kehre du der Tische Flächen,
Schütte Wasser auf die Bretter,
Schütt's nicht auf den Kopf des Kindes;
Siehst ein Kind du auf dem Boden,
Ist es auch ein Kind der Schwägrin,
Hebe du es auf ein Bänklein,
Wasch die Augen, glätt' die Haare,
Gib ein Brötlein in die Hände,[335]
Streiche Butter auf das Brötlein,
Ist kein Brötlein in dem Hause,
Gib ihm in die Hand ein Spänchen!
Willst du dann die Tische waschen,
Spätestens am Schluß der Woche,
Wasch die Fläche, wasch die Seiten,
Darfst die Füße nicht vergessen,
Übergieß die Bänk' mit Wasser,
Kehre ordentlich die Wände,
Nach der Reihe alle Bänke,
Nach der Länge alle Wände!
Was an Staub sich auf den Tischen,
An den Fenstern angesetzet,
Kehre emsig mit dem Flügel,
Wisch' ihn mit dem Wasserlappen,
Daß der Staub sich nicht verbreite,
Nicht zur Decke sich erhebe!
Kehr' den Ruß dann von der Decke,
Schabe fleißig ab die Schwärze,
Denke an die Schornsteinstützen,
Darfst die Sparren nicht vergessen,
Daß die Stube man erkenne,
Sie für einen Wohnort halte!
Höre, Jungfrau, was ich spreche,
Was ich spreche, was ich sage,
Gehe nimmer ohne Kleidung,
Nie vom Tuche unbedecket,
Schreite niemals ohne Linnen,
Niemals gehe ohne Schuhe,
Sehr verdrießen würd's den Gatten,
Murren würde dein Geliebter![336]
Hüte du mit großer Sorgfalt
Auf dem Hof die Ebereschen!
Heilig sind die Ebereschen,
Heilig Ebereschenzweige,
Heilig Laub ist auf den Zweigen,
Doch am heiligsten die Beeren,
Die das Mädchen gut beraten,
Die Verwaiste unterrichten,
Wie sie nach dem Sinn des Mannes,
Nach des Gatten Herzen lebe.
Habe Ohren wie die Mäuse,
Rasche Füße wie die Hasen,
Schwinge deinen jungen Nacken,
Biege deinen Hals, den schönen,
Wie der wachsende Wacholder,
Wie des Elsbeerbaumes Wipfel!
Immer mußt du fleißig wachen,
Fleißig wachen und dich hüten,
Daß du nimmer niedersinkest,
Nicht der Länge nach zum Ofen,
Nicht in deinen Kleidern ausruhst,
Nicht aufs Bett dich niederstreckest!
Von dem Pflügen kommt der Schwager,
Aus dem Vorratshaus der Schwäher,
Von dem Arbeitsplatz dein Gatte,
Von dem Fällen dein Geliebter,
Bringe rasch das Wasserfäßlein,
Trage du herbei das Handtuch,
Bücke dich zur Erde tiefer,
Rede Worte, die recht freundlich!
Mit dem Mehlmaß in den Armen
Kommt herbei die Schwiegermutter,
Lauf ihr auf den Hof entgegen,[337]
Bücke dich recht tief zur Erde,
Nimm das Mehlmaß aus den Armen,
Trage es geschwind ins Zimmer!
Solltest du nicht selber wissen,
Nicht von selber es verstehen,
Welche Arbeit wohl zu machen,
Welche Sache anzufangen,
Frage du alsdann die Alte:
O geliebte Schwiegermutter,
Was ist nun hier wohl zu machen,
Welche Arbeit zu verrichten?
Antwort gibt dir dann die Alte,
Solches spricht die Schwiegermutter:
Also mußt du es nun machen,
Diese Arbeit nun verrichten:
Stampfe fleißig, mahle kräftig,
Setz' den Mühlstein in Bewegung,
Trage ferner frisches Wasser,
Knete dann mit Kraft den Brotteig,
Trage Scheite in die Stube,
Daß den Ofen man erwärme,
Backe dann die Brote fertig,
Dörre du die dicken Kuchen,
Spüle rein das Eßgeschirre,
Wasche rein die Trinkgefäße.
Hörst du von der Schwiegermutter,
Von der Alten, was zu schaffen,
Nimm das Korn dann von den Steinen,
Eile in die Mühlenkammer;
Bist du dorten hingekommen,
Bist du in der Mühlenkammer,
Sing dann nicht mit muntrer Kehle,
Lärme nicht aus vollem Halse,[338]
Laß des Steines Kurbel singen,
Lärmen du die Seitenlöcher;
Stöhne du dabei nicht heftig,
Seufze nicht solang du mahlest,
Damit nicht der Schwäher glaube,
Nicht die Schwiegermutter denke,
Daß vor Unmut du so stöhnest,
Du vor Ärger also seufzest!
Siebe dann das Mehl geschwinde,
Bring's im Deckel dann zur Stube,
Backe drauf das Brot mit Freude,
Knete es mit großer Sorgfalt,
Daß das Mehl nicht hier beisammen,
Dort das Teiggemisch verbleibe!
Siehst den Eimer schräg du stehen,
Nimm den Eimer auf die Schulter,
Nimm das Schöpffaß in die Arme,
Mach' dich auf zum Wasserholen,
Trag den Eimer voller Anmut,
Bring' ihn an des Tragholzs Spitze,
Komm zurück dann gleich dem Winde,
Schreite gleich den Frühlingslüften,
Weil' nicht lange bei dem Wasser,
Säume ja nicht bei dem Brunnen,
Daß der Schwäher nicht vermute,
Nicht die Schwiegermutter denke,
Daß dein Bild du angeschauet,
Daß dich selbst du angestaunet,
Deine Frische in dem Wasser,
Deine Schönheit in dem Brunnen!
Gehest du zum Holzeshaufen,
Um dort Scheite auszuziehen,
Wirf dann nicht zurück die Scheite,[339]
Nimm auch Scheite von den Espen,
Greife ruhig nach den Scheiten,
Ohne viel damit zu lärmen,
Daß der Schwäher nicht vermute,
Nicht die Schwiegermutter denke,
Daß vor Ärger du sie werfest,
Du vor Ingrimm damit lärmest!
Gehst du nach dem Vorratshause,
Gehest du um Mehl zu holen,
Ruhe nicht im Vorratshause,
Bleib nicht lange auf dem Wege,
Daß der Schwäher nicht vermute,
Nicht die Schwiegermutter denke,
Daß das Mehl du dort verteilest,
Weibern in dem Dorf es schenkest.
Gehst du das Geschirr zu waschen,
Die Gefäße auszuspülen,
Wasch die Kannen an den Henkeln,
An den Streifen du die Krüge,
Wasch die Schalen, wasch die Ränder,
Wasch die Löffel, wasch die Stiele!
Gib du acht auf deine Löffel
Und behüte das Geschirre,
Daß nicht Hunde es verschleppen,
Katzen nicht von dannen führen,
Nicht die Vögel es zerstreuen,
Kinder es vom Orte tragen;
Kinder sind gar viel im Dorfe,
Viele gibt's mit kleinen Köpfen,
Die die Kannen fort dir tragen,
Fort die Löffel nehmen könnten!
Ist die Badestund' gekommen,
Führe Wasser, trage Besen,[340]
Bähe Quaste in Bereitschaft
In der rauchbefreiten Badstub',
Ohne lange dort zu weilen,
Ohne in dem Bad zu säumen,
Daß der Schwäher nicht vermute,
Nicht die Schwiegermutter denke,
Daß du auf der Bank dich streckest,
Auf der Schwitzbank du dich wälzest!
Kommst du darauf in die Stube,
Lad den Schwäher dann zum Bade:
O geliebter Schwiegervater,
Schon in Ordnung ist die Badstub',
Wasser samt den Besen fertig,
Alle Bretter gut gekehret,
Gehe, bad' dich zur Genüge
Und begieße dich hinlänglich,
Werde selbst die Hitze mehren,
Unterhalb der Schwitzbank stehend.
Kommet dann die Zeit zum Spinnen,
Kommt die Zeit, zu der man webet,
Gehe nicht ins Dorf nach Fingern,
Übers Bächlein nicht nach Kunde,
Nicht um Rat nach andern Höfen,
Um den Weberkamm zu Fremden!
Selber spinne du die Fäden,
Mit der eignen Hand den Einschlag,
Drehe du die Wolle schlaffer,
Doch die Leinenfäden fester;
Wickle du recht fest den Garnknäul,
Wirf ihn darauf auf die Haspel,
Wickle du ihn auf die Winde,
Schräge hin zum Weberbaume,
Schlage kräftig mit dem Kamme,[341]
Heb' den Weberschaft behende,
Webe gutes Tuch zu Röcken,
Fertige von Wolle Kleider,
Du von einer Flocke Wolle,
Von dem Haar des Winterlammes,
Von des Sommerschafes Wolle,
Von dem Flaum des Sommerbockes!
Höre nun, was ich dir sage,
Was ich dir nun wiederhole!
Braue Bier du von der Gerste,
Von dem Malz ein süß Getränke,
Brau's aus einem Gerstenkorne,
Mit dem Holz des halben Baumes!
Malzest du die Gerste süßlich,
Schmecke du dann von dem Malze,
Rühre du es nicht mit Haken,
Wend' es nicht mit einem Stocke,
Rühr' es emsig mit den Händen,
Wend' es mit der Hände Höhlung,
Gehe öfters nach der Badstub',
Laß die Keime nicht verderben,
Nicht die Katze dorten sitzen,
Auf dem Malz den Kater schlafen,
Fürchte dich nicht vor dem Wolfe,
Vor dem wilden Tier des Waldes,
Wenn du zu der Badstub' schreitest,
Um die Mitternacht des Weges!
Kommt ein Fremder nun zu Gaste,
Ärgre dich nicht ob des Gastes,
Immer muß ein guter Hausstand
Vorrat für die Gäste haben,
Überflüss'ge Fleischesbissen,
Manche schöne weiche Brote![342]
Lad den Fremden ein zu sitzen,
Rede freundlich mit dem Gaste,
Füttere den Gast mit Worten,
Bis das Essen endlich fertig!
Zieht er wieder aus dem Hause,
Hat er Lebewohl gesprochen,
Dann geleite nicht den Fremden
Weiter als bis zu der Türe,
Daß dein Gatte sich nicht ärgre,
Dein Geliebter böse werde!
Hast du einmal Lust bekommen,
Selber in das Dorf zu gehen,
Bitte, eh' ins Dorf du gehest,
Nimm Erlaubnis für die Fremde;
Während du dich dort befindest,
Führe Reden voller Klugheit,
Darfst das eigne Haus nicht tadeln,
Nicht die Schwiegermutter schmähen!
Fragen in dem Dorf die Schnuren
Oder andre Fraun des Dorfes:
Gibt die Schwiegermutter Butter,
Wie die Mutter einst zu Hause?
Darfst du keineswegs erwidern:
Nein, sie gibt mir keine Butter!
Sage, daß sie stets gegeben,
Mit dem Löffel dir gereichet,
War's auch einmal nur im Sommer,
Und dazu noch Winterbutter!
Höre ferner, was ich sage,
Was ich dir nun wiederhole!
Gehest du aus diesem Hause,
Kommst du zu dem andern Hause,
Darfst die Mutter nicht vergessen,[343]
Du die Teure nicht verschmerzen!
Leben gab dir ja die Mutter,
Säugte dir die schönen Brüste
Aus den eignen beiden Brüsten,
Aus dem schimmernd schönen Leibe,
Manche Nacht verbracht' sie schlaflos,
Manches Mahl hat sie vergessen,
Als sie dich, ihr Kind, gewieget,
Dich, die Kleine, treu gewartet.
Wer der Mutter könnt' vergessen,
Wer die Teure je verschmerzte,
Gehe nimmer nach Manala,
Guten Muts ins Reich Tuonis,
In Manala wird bezahlet,
Wird gar fürchterlich vergolten,
Wenn der Mutter man vergessen,
Man die Teure bald verschmerzet,
Tuonis Töchter kommen drohend,
Manas Jungfraun schelten also:
Konntst die Mutter du vergessen,
Sie, die Teure, du verschmerzen?
Große Mühe hatt' die Mutter
Und Beschwerde da getragen,
Als sie in der Badstub' liegend,
Auf dem Strohbund ausgestrecket
Dich hervor zum Dasein brachte,
Eine solche hat geboren.
Eine Alte saß am Boden,
Auf der Decke eine Greisin,
Die des Dorfes Schwellen alle,
Die der Leute Wege kannte,
Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:[344]
Sang der Hahn bei seiner Gattin,
Rief der Henne Sohn zur Schönen,
Sang die Kräh' im Ostermonat,
Schaukelt' sich im Frühlingsmonde;
Singen sollte ich wohl lieber,
Jene ohne Sang verbleiben,
Jene sind im Haus der Teuren,
Nahe stets bei den Geliebten,
Ich bin ohne Schatz und Stätte,
Alle Zeit ich ohne Liebe.
Höre, Schwester, was ich spreche,
Gehst du in das Haus des Mannes,
Folge nicht dem Sinn des Mannes,
Wie ich Ärmste bin gefolget
Seinem Sinn, der Lerche Zunge,
Meines stolzen Gatten Herzen.
War ein Blümlein, das da sproßte,
Voll Gedeihn ein Heideröschen,
Stieg als junges Reis nach oben,
Schoß empor als schlanke Jungfrau,
Ackerbeerchen hieß ich allen,
Goldner Liebling war mein Name,
Entlein war ich bei dem Vater,
Wildes Gänslein bei der Mutter,
Wasservogel bei dem Bruder,
Silberfinklein bei der Schwester;
Ging der Blume gleich des Weges,
Wie die Himbeer' auf dem Acker,
Raschelte im Sand des Ufers,
Wiegte mich auf Blumenhügeln,
Sang beständig in den Tälern,
Trällerte auf jedem Hügel,[345]
Spielte froh in jedem Wäldchen,
Freute mich in allen Hainen.
Trieb das Maul den Fuchs zur Falle
Und die Zung' das Hermelinchen,
Trieb der Sinn zur Manneswohnung,
Hin zu anderm Haus das Mädchen;
Dazu wurde sie geschaffen,
Dazu ward gewiegt die Tochter:
Einem Mann als Weib zu folgen,
Untertan der Schwiegermutter.
Eilt' die Beer' in andern Boden
Und zu anderm See der Faulbaum,
Eilt' die Preiselbeer' zum Leiden
Und die Erdbeer' ins Verderben,
Jeder Baum schien mich zu beißen,
Jede Erle mich zu schneiden,
Jede Birke mich zu greifen,
Jede Espe mich zu packen.
Kam als Frau zur Männerwohnung,
Ward geführt zur Schwiegermutter,
Dorten wären, wie man sagte,
Als ich hingeleitet wurde,
Sechs der Stuben, die von Tannen,
Doppelt wär' die Zahl der Kammern,
Speichergrund des Haines Ränder,
Blumengrund der Gasse Ränder,
Gerstengrund des Baches Ränder,
Hafergrund der Heide Ränder,
Kisten voll gedroschnen Kornes,
Andre voll von ungedroschnem,
Hundert eingezahlte Gelder,
Hundert andre, die noch ausstehn.[346]
War gar töricht hingekommen,
Hatte dumm die Hand gegeben,
Auf sechs Balken ruht' die Hütte,
War gestützt von sieben Pfählen,
Voller Härte war'n die Haine,
Voller Ungunst alle Büsche,
Alle Gänge voller Sorgen,
Böser Laune alle Wälder,
Kisten voll von wildem Hasse,
Andre voll geheimer Ränke,
Hundert ausgesprochne Worte,
Hundert andre, die noch ausstehn.
Ließ mich's dennoch nicht verdrießen,
Suchte dort mit Ruhm zu leben,
Hoffte Ehre zu erlangen,
Strebte Liebe zu gewinnen:
Eilte Feuer anzumachen,
Suchte Späne aufzusammeln,
Stieß die Stirn da an die Türe,
Meinen Kopf an ihren Pfosten,
An der Tür war'n fremde Augen,
Finstre Augen am Verschlage,
Scheele auf des Bodens Mitte,
In dem Hintergrund gar böse;
Feuer sprühte aus dem Munde,
Brände schossen von der Zunge,
Aus dem Mund des garst'gen Schwähers,
Von der Zung' des Liebelosen.
Ließ mich's dennoch nicht verdrießen,
Irgendwie im Haus zu leben,
Strebt' in Gnade dort zu weilen
Und in Demut mich zu fügen;
Hüpfte mit des Hasen Beinen,[347]
Ging mit Hermelinchens Tritten,
Legte mich gar spät zur Ruhe,
Bettlergleich erhob ich früh mich;
Habe, Ärmste, keine Ehre,
Keine Liebe dort gefunden,
Hätt' ich Berge auch gewendet,
Felsen ich entzweigespalten.
Stampfte grobes Mehl gar mühsam,
Voll Geduld die großen Körner,
Daß die Schwiegermutter äße,
Mit der Feuerkehle schluckte
An dem Ehrensitz des Tisches
Aus der goldgeschmückten Schale:
Selbst aß ich, die Schwiegertochter,
Mehl, das abgeschabt vom Mühlstein,
Tisch war mir des Herdes Platte,
Löffel war mir eine Kelle.
Oftmals bracht' ich Unglücksel'ge,
Ich, des Hauses Schwiegertochter,
Frisches Moos vom sumpf'gen Boden,
Backte es zu meinem Brote,
Brachte Wasser aus dem Brunnen,
Schlürft' es aus dem Schöpfgefäße;
Aß die Fische, Unglücksvolle,
Und verzehrte dann die Stinte,
Wenn ich mich zum Netze beugte,
In des Bootes Mitte schwankte,
Konnte Fische nicht erhalten
Aus der Hand der Schwiegermutter,
Daß sie auch für einen Tag nur,
Für ein einz'ges Mahl genügten.
Sommers sammelt' ich die Halme,
Grub den Dünger aus im Winter[348]
Wie die andern Tagelöhner,
Wie der Knecht, der sich vermietet,
Und im Haus der Schwiegermutter
Wurde immer auserlesen
Mir der allerlängste Flegel,
Mir die allerschwerste Breche,
Mir am Strand das stärkste Klopfholz,
Mir die größte Düngergabel,
Niemals ward an mein Ermatten,
Nie geglaubt an meine Schwäche,
Traf Ermattung selbst die Männer,
Sanken kräft'ge Füllen nieder.
Also tat ich, armes Mädchen,
Stets zu rechter Zeit die Arbeit,
Dreht' mich in dem Schweiß der Glieder;
Kam darauf die Ruhestunde,
Ward zum Feuer ich verurteilt,
Ich der Hölle übergeben.
Ward nach Herzenslust getadelt,
Ward bewegt die Lästerzunge
Über meine reinen Sitten,
Über meinen guten Namen,
Wörter regneten hernieder,
Stürzten über mich, die Arme,
Wie die wilden Feuerfunken
Oder wie ein Eisenhagel.
Hab' darum noch nicht verzweifelt,
Hätte ferner noch gelebet,
Um der alten Frau zu helfen,
Beigesellt der Feuerkehle,
Aber das verdarb die Laune,
Das erweckte großen Kummer,
Als der Gatte ward zum Wolfe,[349]
Ward zum Bären umgewandelt,
Abgekehrt mir aß und ruhte,
Abgekehrt die Arbeit machte.
Dann erst habe ich geweinet,
In der Kammer überleget,
Dachte an die frühern Tage,
An des Lebens gute Zeiten
Auf des Vaters großem Hofe,
In der Mutter schönem Hause.
Fing dann also an zu reden,
Selber sprach ich solche Worte:
Wohl verstand die liebe Mutter
Mich, den Apfel, aufzuziehen,
Wußt' die Pflanze wohl zu hegen,
Nicht jedoch sie umzusetzen;
Setzte ja die zarte Pflanze
In gar unfruchtbare Erde,
In gar schlimmbestellten Boden,
An der Birke harte Wurzeln,
Daß ihr Leben sie durchweine,
Ihre Monde dort durchjammre.
Hätte doch gewiß getauget
Auch für glücklichere Orte,
Auch für ausgedehntre Höfe
Und für breiten, schönen Boden,
Einem besseren Gefährten,
Einem blühendern gesellet;
Bin an einen wanst'gen Tölpel,
Einen Lümmel wohl geraten,
Hat den Körper einer Krähe,
Von dem Raben seine Nase,
Seinen Mund vom gier'gen Wolfe
Und das Übrige vom Bären.[350]
Hätt' erhalten einen solchen,
Wär' zum Hügel ich gegangen,
Hätt' am Wege einen Kienstrunk,
Einen Erlenstumpf gefunden,
Hätt' ihm ein Gesicht aus Rasen,
Einen Bart aus garst'gen Flechten,
Hätt' den Kopf gemacht vom Lehme,
Augen ihm von Feuerkohle,
Ohren aus der Birkenrinde,
Und aus Weidenzweigen Beine.
Sang ein Lied in dieser Weise,
Seufzte tief aus meinen Sorgen,
Mußte es mein Gatte hören,
An der Wand sich grad befinden;
Als von dort er nun gekommen,
In die Tür der Kammer tretend,
Da erkannt' ich's schon am Gange,
Nahm ich's ab aus seinen Schritten:
Ohne daß ein Luftzug wehte,
Flatterten ihm seine Haare,
Zornig fletscht' er seine Zähne,
Hin und her rollt' er die Augen,
In der Hand schwang eine Esche,
Einen Stock er in den Armen,
Holte aus, um mich zu schlagen,
Schlug damit nach meinem Kopfe.
Als gekommen drauf der Abend,
Als zum Schlaf er sich verfügte,
Nahm zur Hand er eine Rute,
Eine Lederpeitsch' vom Nagel,
Nicht für irgendeinen andern,
Nein, für mich, die Mühbeladne.[351]
Selber ging ich dann zur Ruhe,
Ging am Abend endlich schlafen,
Legt' mich an des Gatten Seite,
Dieser ließ mich an die Seite,
Stieß mich dann mit seinen Armen,
Reichlich mit den bösen Händen,
Viel mit jener dicken Gerte,
Mit dem Peitschenstiel von Fischbein.
Sprang da von der kühlen Seite,
Aus dem Bette voller Kälte,
Hinter mir her sprang der Gatte,
Stürmte mir nach durch die Türe,
Fuhr ins Haar mit wilden Händen,
Raufte mich an meiner Stirne,
Warf die Haare fort zum Winde,
Streute sie in alle Lüfte.
Welcher Ausweg war zu finden,
Wer wohl hätte Rat gespendet?
Machte mir von Stahl die Schuhe,
Legte Riemen dran aus Kupfer,
Wartete nun an der Hauswand,
Lauschte auf der Gasse Boden,
Bis der Böse ausgetobet,
Bis zur Ruhe er gekommen;
Nicht wollt' er zur Ruhe kommen,
Nicht von seinem Toben lassen.
Endlich überkam mich Kälte,
Als verstoßen ich dort weilte,
An der Wand dort bleiben mußte,
Draußen vor des Hauses Türe;
Dachte nach und überlegte:
Werde doch nicht ewig dulden,
Diesen Zorn nicht länger tragen,[352]
Und nicht länger die Verachtung
Hier in diesem Lempohaufen,
In dem Nest der bösen Geister.
Schied da von den schönen Stuben,
Vom geliebten Aufenthalte,
Machte mich nun auf zu wandern
Über Sümpfe, über Felder,
Wandert' über weite Fluren,
Zu des Bruders Ackergrenze;
Trockne Tannen rauschten dorten,
Schönbekränzte Fichten lärmten,
Alle Krähen krächzten dorten,
Alle Elstern lärmten rufend:
Nicht ist hier jetzt deine Heimat,
Nicht der Platz, wo du geboren.
Ließ mich's dennoch nicht verdrießen,
Ging zum Hofe meines Bruders,
Schon die Pforte redet' zu mir,
Alle Felder sprachen also:
Weshalb kommst du nach der Heimat,
Was, o Elende, zu hören?
Längst gestorben ist dein Vater,
Hingesunken deine Mutter,
Fremd geworden ist dein Bruder
Und sein Weib gleicht einer Russin.
Ließ mich's dennoch nicht verdrießen,
Ging nun grade hin zur Stube,
Langte mit der Hand zur Klinke,
Kalt war sie in meinen Händen.
Als ich in die Stub' gekommen,
Blieb ich in der Türe stehen;
Stolz stand da die Frau des Hauses,
Kam nicht, um mich zu begrüßen,[353]
Nicht um mir die Hand zu geben;
Doch ich selbst war stolz nicht minder,
Ging nicht, um sie zu begrüßen,
Nicht um ihr die Hand zu geben,
Legte meine Hand zum Ofen,
Kalt erschienen seine Steine,
Kehrt' die Hände zu den Kohlen,
Ohne Hitze war die Kohle.
Auf der Bank da lag mein Bruder,
Streckte sich dort an dem Ofen,
Ruß saß klafterhoch am Halse,
Spannenhoch an allen Gliedern,
Asche ellenhoch am Kopfe,
Kohlenstaubes eine Spanne.
Fragt der Bruder so die Fremde,
Heischet also von dem Gaste:
Woher kommst du übers Wasser?
Darauf gab ich ihm zur Antwort:
Kennst du nicht die eigne Schwester,
Nicht das ältre Kind der Mutter?
Kinder sind wir einer Mutter,
Beide Junge eines Vogels,
Von derselben Gans gebrütet,
Aus demselben Nest des Feldhuhns.
Fing der Bruder an zu weinen,
Wasser ihm im Aug' zu fließen.
Sprach der Bruder zu dem Weibe,
Flüsterte zu seiner Lieben:
Bringe meiner Schwester Speise!
Scheelen Blickes bracht' die Schwägrin
Kohl mir aus dem Haus zur Mahlzeit,
Wo das Fett der Hund gefressen,[354]
Abgeleckt das Salz der Kläffer,
Wo der Schwarze schon gefrühstückt.
Sprach der Bruder zu dem Weibe,
Flüsterte zu seiner Lieben:
Bringe Bier du unserm Gaste!
Scheelen Blickes bracht' die Schwägrin
Wasser drauf dem Gast zum Tranke,
War nicht Wasser, das zu brauchen,
War der Schwester Augenwasser,
Händewasser meiner Schwägrin.
Ging nun wieder fort vom Bruder,
Eilte aus dem Heimatsitze,
Ging behende fortzuwandern,
Fing da, Ärmste, an zu schreiten,
An den Ufern hin zu gehen,
Mühevoll mich fortzuschleppen
Stets zu unbekannten Türen,
Hin zu lauter fremden Pforten,
Hinterließ die armen Kinder,
Elend in des Dorfes Obhut.
Gibt der Leute jetzt gar manche,
Viele gibt es, die da sprechen,
Mit gar böser Stimme reden,
Mich mit scharfen Reden stechen,
Gibt der Leute jetzt gar wenig,
Welche Güte mir erweisen,
Die mit Milde zu mir sprechen,
Die mich an den Ofen führen,
Wenn ich aus dem Regen komme,
Ich vor Kälte Zuflucht suche,
Mit dem Rock von Reif bezogen,
Mit dem Pelz von Eis bedecket.[355]
Hätte nie in meiner Jugend,
Hätte niemals es geglaubet,
Wenn es Hunderte gesprochen,
Tausend Zungen wiederholet,
Daß solch Unglück mich befallen,
Solches Elend kommen sollte,
Wie es auf mein Haupt gekommen,
Wie es nun mich hat befallen.
Buchempfehlung
Die zentralen Themen des zwischen 1842 und 1861 entstandenen Erzählzyklus sind auf anschauliche Konstellationen zugespitze Konflikte in der idyllischen Harmonie des einfachen Landlebens. Auerbachs Dorfgeschichten sind schon bei Erscheinen ein großer Erfolg und finden zahlreiche Nachahmungen.
554 Seiten, 24.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro