Die dritte Rachethat.

[214] »Wozu sollen wir nun unsre Zuflucht nehmen?« sprach Kaare zu Björn; »laß mich sehen, wie klug Du bist.« »Meinst Du denn, es gelte nun, alle unsre Klugheit zu zeigen?« versetzte Björn. »So ist es,« war Kaare's Antwort. »Dann weiß ich einen Rath,« sagte Björn, »und wir wollen sie recht an der Nase herumführen. Wir müssen uns den Anschein geben, als wenn wir nordwärts ritten; sobald wir aber hinter jener Anhöhe sind, müssen wir längs der Skaptau abbiegen und uns an einer Stelle verbergen, während man nach uns sucht, falls man es beabsichtigt.« »Daran habe auch ich gedacht,« erwiderte Kaare. »Siehst Du,« sagte Björn, »ich bin eben so klug wie tapfer.« So ritten sie denn vorwärts bis sie zu einem Moor kamen, das ringsum von Lavafelsen umgeben war. »Siehe Du nun nach den Pferden,« sprach Kaare zu Björn, »und halte gute Wacht, ich bin schläfrig,« worauf er sich niederlegte. Björn aber ließ ihm nicht lange Ruhe. Er weckte ihn und sagte: »Du hast doch recht vielen Nutzen von mir; jeder andere hätte sich auf die Beine gemacht, denn jetzt kommen Deine Feinde über Dich.« Kaare trat deshalb unter eine Felsspitze. »Wo soll ich denn stehen?« fragte Björn. »Entweder stellst Du Dich hinter mich,« antwortete Kaare, »oder Du sprengst fort so schnell Du kannst.« »Nein,« sagte Björn, »das gäbe nur Stoff für böse Zungen. Außerdem ist ihnen auch sehr daran gelegen, mich zu fangen; sie würden mir nachsetzen und Du hättest doch keinen Vortheil von mir.« Bald darauf erschienen einige Lastpferde, welche über das Moor hingetrieben wurden; und es waren drei Männer bei ihnen. »Sie sehen uns nicht,« versetzte Kaare. »Dann laß sie nur vorüberziehen,« erwiderte Björn. Unmittelbar darauf aber kamen sechs andre Männer herangeritten. Sie sprangen alle zugleich von den Pferden und wandten sich gegen Kaare und Björn. Voran lief Glum Hildesohn. Er stieß mit seinem Speer nach Kaare, dieser aber drehte sich auf den Hacken, so daß der Stoß[215] ihn verfehlte und den Berg traf. Björn wurde des gewahr und hieb sogleich die Spitze von Glum's Speer ab. Kaare schlug nach ihm mit dem Schwert, traf ihn in den Schenkel und trennte ihm das Bein vom Leibe, wovon er sogleich starb. Da stürmten zwei Brüder gegen Kaare heran, die Thorbrandsöhne Vedbrand und Asbrand. Er durchstieß mit seinem Schwert Vedbrand und hieb Asbrand beide Füße ab. Zugleich aber wurde er sowie auch Björn verwundet. Schließlich kam Ketil von Mörk heran und stach nach Kaare mit dem Speer. Kaare aber sprang in die Höhe, so daß Ketil's Speer in die Erde fuhr, darauf sprang er auf den Schaft und dieser zerbrach. Er faßte Ketil mit den Händen, und Björn war sofort bereit ihn zu erschlagen. »Halt ein,« rief Kaare, »ich schenke Ketil das Leben, ihn möchte ich niemals tödten.« Ketil sprach kein Wort, sondern ritt seinen Gefährten nach und verkündete ihnen und allen Begegnenden, was geschehen sei. Alle Bauern versammelten sich und suchten drei Tage lang nach Kaare und Björn, doch fanden sie sie nicht. Die Bauern ritten heim nach ihren Höfen, während Ketil mit seinen Mannen ostwärts nach Svinefjeld zog. Flose sagte nicht viel zu ihrem Schicksal. »Es ist ungewiß,« äußerte er, »ob es damit sein Bewenden haben wird; aber kein Mann unter allen, die auf Island leben, kommt Kaare gleich.«

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 214-216.
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