Thorgejr Skoragejr's Vergleich.

[207] Flose war ein Mann von heitrem Gemüth und für seine Gäste ein vortrefflicher Wirth; in vieler Hinsicht war er für die Stellung eines Häuptlings vorzüglich begabt. Er saß nun daheim mit den vielen Gästen, die er hatte, während des übrigen Theils des Sommers und im folgenden Winter. Bald nach Weihnachten kam Hald von Sida und sein Sohn Kol nach Svinefjeld; Flose war hoch erfreut über Hald's Ankunft, und sie unterredeten sich oft über die Lage der Dinge. Flose erzählte, er habe schon große Verluste erlitten. Hald erwiderte darauf, er habe solches erwartet. »Welche Vorschläge willst Du mir nun machen?« fragte Flose. Hald gab zur Antwort: »Ich rathe Dir, wenn es sich machen läßt, Dich mit Thorgejr zu vergleichen.« »Glaubst Du, daß dann des Blutvergießens ein Ende sein wird?« versetzte Flose. »Das eben nicht,« antwortete Hald, »aber Du hast es mit wenigeren zu thun, wenn Kaare alleinsteht; und vergleichst Du Dich nicht mit Thorgejr, so wird es Dein Tod sein.« Darnach berathschlagten sie, welchen Vergleich sie Thorgejr anbieten müßten. Man ließ die Sigfussöhne herbeirufen. »Nach Thorgejr's Sinnesart zu urtheilen,« erklärte Hald, »muß jeder, der an dieser Sache Antheil hat, erwarten, es werde ihm den Tod bringen, falls er sich von diesem Vergleich ausschließt.« Er legte ihnen nun den Sachverhalt auseinander, so daß alle ihre Zustimmung gaben und sagten, sie wünschten sehr, den Vergleich zu schließen. »Steht Kaare uns allein gegenüber,« äußerte Grane Gunnarsohn, »dann ist es in unsere Hand gelegt, dafür zu sorgen, daß er uns nicht minder fürchtet, als wir ihn,« und Gunnar Lambesohn pflichtete seinen Worten bei. »Ihr mögt nur nicht wähnen,« sagte Hald, »daß es ohne Wunden ablaufen werde, wenn Ihr mit ihm zu thun habt; Ihr werdet noch große Verluste erleiden, ehe das Ende da ist.« Darauf ritten Hald und sein Sohn Kol von fünf Mann begleitet nach Holt. Hald hatte sich in einen blauen Mantel gehüllt und trug eine kleine silberbeschlagene Axt in der Hand. Thorgejr hatte[208] hatte von seinem Vorhaben Kunde empfangen und wollte ihn mit Ehren empfangen. Er trat vor das Haus mit Kaare und allen seinen Mannen, und zwar hatte er niemals unter dreißig waffengewandte Männer bei sich. Als Hald in den Hofplatz hineinritt, gingen sowohl Kaare als auch Thorgejr ihm entgegen und halfen ihm vom Pferde; sie küßten ihn beide und führten ihn zwischen sich in den Wohnraum, ließen ihn dort auf dem Hochsitz auf der Hochbank Platz nehmen und fragten ihn aus über vieles. Hald blieb die Nacht über und am folgenden Morgen begann er mit Thorgejr über den Vergleich zu reden; er nannte ihm die Anerbietungen, die Flose und die Sigfussöhne ihm machten und begleitete sie mit vielen angenehmen und freundlichen Worten. »Es wird Dir doch bekannt sein,« antwortete Thorgejr, »daß ich mit den Brandstiftern keinen Vergleich habe eingehen wollen.« »Damals stand die Sache anders,« meinte Hald; »damals waret Ihr zornig nach dem Kampf, jetzt aber habt Ihr seit jener Zeit viel Blut vergossen.« »Das ist freilich wahr,« erwiderte Thorgejr, »aber welchen Vergleich bietet Ihr denn Kaare?« »Nur was ihm zur Ehre gereicht, wollen wir ihm bieten, falls er auf einen Vergleich eingehen will,« versetzte Hald. Kaare selbst bat Thorgejr, den Vergleich anzunehmen; »Dein Loos kann nur ein gutes sein,« äußerte er. »Nicht will es mir gefallen,« antwortete Thorgejr, »von Dir mich zu trennen, es sei denn, daß Du auf denselben Vergleich eingehst wie ich.« »Ich werde keinen Vergleich schließen,« versetzte Kaare; »wohl glaube ich, daß wir die Brandstiftung gerächt haben, aber mein Sohn ist meines Bedünkens noch nicht gerächt, und das halte ich für eine Sache, die mir allein obliegt.« Als Thorgejr sich noch nicht dazu bewegen lassen wollte, erklärte zuletzt Kaare, er werde den Freundschaftsbund mit ihm brechen, falls er nicht dem Vergleiche beitrete. Da gab Thorgejr nach; er gelobte Hald durch Handschlag, daß Flose und seine Genossen vor ihm sicher sein sollten, bis die Versöhnung stattfände, und Hald versprach ihm dasselbe in Flose's und der Sigfussöhne Namen. Bevor sie sich trennten, schenkte Thorgejr Hald einen Goldring und einen Scharlachmantel und Kaare überreichte ihm einen[209] Silberschmuck mit vier goldenen Kreuzen daran. Hald dankte ihnen sehr für die Gaben und ritt fort. Er kam nach Svinefjeld und erzählte Flose alles, auch den Umstand, daß er es Kaare zu verdanken habe, daß Thorgejr auf den Vergleich einging, obgleich er selbst keinen Vergleich schließen wollte. »Wenige Männer kommen Kaare gleich,« rief Flose aus, »ich möchte wünschen, ich hegte die Sinnesart, die er hat.« Nach Verlauf einiger Zeit fand die Versöhnung statt auf einem Hofe zwischen Holt und Svinefjeld. Hald machte den Vorschlag, Thorgejr solle für Nial und seine Söhne den dritten Theil der Buße, der ihm zukomme, empfangen, er selbst aber solle keine Buße leisten für die, welche er erschlagen habe. Thorgejr war damit zufrieden; er erklärte aber, er wolle das Geld nicht bei jedem einzelnen einfordern, sondern Flose solle ihm allein Bürge sein; außerdem solle das Urtheil, welches in der Brandstiftung gefällt sei, ganz und gar in Kraft bleiben und weder die Verbannung noch die Verweisung aus dem Gau aufgehoben werden. Endlich solle es Kaare freistehen, bei ihm auf Holt zu verweilen, wann es ihm beliebe, und dort dürfe ihn keiner angreifen, ebenso wenig wie er selbst jemand von den Gegnern dort anfallen dürfe. Flose ging auf alles ein. Darauf schieden sie von einander. Thorgejr ritt heim nach Holt und Hald geleitete Flose ostwärts. »Halte nun diesen Vergleich, mein Sohn,« sagte Hald zu Flose, »und mache Deine Wallfahrt nach Romaburg (Rom); thust Du es, so wirst Du immerhin ein angesehener Mann bleiben, obgleich Du an solcher Gewaltthat Theil hast.« Flose versprach es. Darauf trennten sie sich und jeder ritt in seine Heimat, Flose aber hielt sich seitdem zu Hause.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 207-210.
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