[47] Nachdem Halgjerde mit Glum Olafsohn verheiratet worden war, war Thjostolf auf Höskuldstad geblieben und hatte sich gut aufgeführt. Eines Tages aber schlug er einen der Hausleute auf dem Hofe, worauf Höskuld ihm ankündigte, er wolle ihn nicht länger herbergen. Thjostolf nahm sein Pferd und seine Waffen und sagte zu Höskuld: »Jetzt ziehe ich fort und komme nie wieder.« »Das wird uns allen eine Ursache großer Freude sein,« entgegnete Höskuld. Thjostolf aber ritt nach Varmaläk, wo er von Halgjerde wohl und von Glum nicht unfreundlich aufgenommen wurde. Er erzählte Halgjerde, daß ihr Vater ihn fortgejagt habe und bat sie, für ihn zu sorgen. Sie antwortete, sie könne ihm keine Aufnahme versprechen, ehe sie sich mit Glum darüber beredet habe. »Lebt Ihr denn so einträchtig beisammen?« fragte Thjostolf. »Ja, einträchtig und liebevoll,« erwiderte sie. Darauf ging sie zu Glum, schlang ihre Arme um seinen Hals und sprach: »Du wirst mir nicht abschlagen, um was ich Dich bitte.« »Was ich mit Ehren thun kann, das will ich für Dich thun,« versetzte er; »was ist Dein Begehr?« »Thjostolf ist fortgejagt worden,« sagte sie, »und ich möchte gern, daß Du ihm erlaubtest, hier zu verweilen; ist es Dir aber zuwider, dann will ich nicht darauf bestehen.« Glum versetzte: »Weil Du so schön darum bittest, so will ich nicht dawider sein; sobald er aber Böses im Schilde führt, soll er sogleich das Haus räumen.« So blieb denn Thjostolf auf Varmaläk. Eine Zeit lang beherrschte er sich, aber bald war es, als wenn er alles verderbe; er verschonte niemand außer Halgjerde, obgleich sie ihn niemals in Schutz nahm, wenn er mit andren Streit anfing. Glum merkte wohl, daß die Sache übel stehe, und sein Bruder Thoraren sagte, es werde ein böses Ende nehmen, wenn er Thjostolf nicht fortjage; er aber folgte seinem eignen Kopfe und ließ ihn bleiben. Einst hatte man viel Mühe,[48] das Vieh von den Bergweiden, wo es im Sommer frei herumlief, herunter zu treiben, und Glum vermißte einige Hammel. Er hieß nun Thjostolf mit den Hausleuten hinausgehen, um sie zu suchen. »Ich habe keine Lust, hinter Deinen Sklaven her zu rennen,« entgegnete dieser, »geh' selbst hinaus, dann will ich Dir folgen.« Es erhob sich nun ein langer, heftiger Wortwechsel zwischen ihnen. Glum ging alsbald zu Halgjerde und sagte, jetzt habe sich Thjostolf so benommen, daß er fort müsse. Halgjerde wollte Thjostolf in Schutz nehmen und es kam zu harten Worten zwischen ihr und Glum, so daß er sie zuletzt schlug. »Ich will nicht länger Dein Keifen hören,« sprach er und ging darauf fort. Sie hielt viel von ihm und konnte sich nun nicht beruhigen, sondern weinte laut. Als aber Thjostolf sich ihr nahte und seinen Unwillen äußerte über die Behandlung, die ihr widerfahren sei, fuhr sie ihn an, er möge sich nicht in Angelegenheiten mischen, die nur sie und Glum beträfen. Da entfernte sich Thjostolf mit häßlichem Lächeln. Inzwischen ging Glum mit einigen Männern aus, um die Schafe zu suchen, und Thjostolf folgte nach. Wie nun die anderen sich nach verschiedenen Seiten hin zerstreuten, geschah es, daß Glum und Thjostolf allein blieben. Sie trafen einige Schafe und wollten sie gegen eine Felswand hintreiben, um sie so zu fangen, aber die Schafe entgingen ihnen und gelangten auf die Felswand hinauf. Da machten sie sich gegenseitig Vorwürfe deswegen. Thjostolf sagte, Glum sei nie da zu finden, wo es männlicher Tüchtigkeit und Thatkraft bedürfe. »Von Dir will ich keine höhnenden Worte hören, Du verlaufener Sklave,« schalt Glum. »Du wirst es schon fühlen müssen, daß ich kein Sklave bin,« höhnte Thjostolf. Da erwachte Glum's Zorn, und er hieb nach ihm mit der Handaxt. Aber Thjostolf fing den Hieb auf mit seiner Axt, schwang sie darauf und traf Glum in die Schulter, so daß der Knochen zerbrach und das Blut stromweis hervorschoß. Glum faßte ihn mit der andern Hand so fest, daß er hinstürzte, aber in demselben Augenblick kam der Tod über ihn selbst. Thjostolf zog ihm einen Goldring ab, deckte seine Leiche mit Steinen zu und ging nach Varmaläk.[49] »Glum ist todt; was sagst Du dazu?« sagte er zu Halgjerde. »Dann warst Du es, der ihn tödtete,« erwiderte sie. »Du sagst es,« sprach er. Sie lachte über ihn und versetzte: »Mit Dir ist nicht zu spaßen.« »Was räthst Du mir nun?« fragte Thjostolf. »Ziehe zu meinem Oheim Rut,« antwortete sie, »und laß ihn für Dich sorgen.« »Kaum wird mir das zum Vortheil gereichen,« meinte er, »doch will ich hierin Deinem Rathe folgen,« und so holte er sein Pferd hervor und ritt nach Rutstad. Er langte dort zur Nachtzeit an, band sein Pferd hinter dem Hause fest, trat an die Thür und that einen starken Schlag gegen dieselbe. Rut erwachte und sprang aus dem Bette, zog seinen Rock und seine Schuhe an, ergriff sein Schwert und ging hinaus. Er erkannte sogleich Thjostolf und fragte, was im Werke sei. »Glum ist getödtet,« erwiderte dieser. »Wer war der Thäter?« fragte Rut. »Ich schlug ihn,« entgegnete Thjostolf. »Was suchst Du denn hier?« fragte Rut weiter. »Halgjerde hat mich hergesandt,« versetzte Thjostolf. »Dann hat sie keine Schuld an dem Morde Glum's,« rief Rut und schwang sein Schwert. Thjostolf sah es, er wollte nicht zurückbleiben und hieb sogleich nach Rut. Dieser aber wandte sich so schnell, daß er dem Hieb entging, und in demselben Augenblick schlug er mit der Linken Thjostolf die Axt aus der Hand, sprang rasch auf ihn ein und versetzte ihm zwei Wunden; der eine Hieb trennte ihm das eine Bein fast vom Leibe, der andre saß in seinem Kopfe und nahm ihm das Leben. Darnach ritt Rut nach Höskuldstad und meldete Höskuld die beiden Blutthaten. Als er wieder heimgeritten war, erschien Thoraren mit elf Mann vor Höskuldstad; er wurde freundschaftlich aufgenommen von Höskuld und dieser sandte sofort nach Rut. Als aber Thoraren fragte, ob Höskuld Buße für Glum entrichten wolle, antwortete Höskuld: »Ich war es nicht, der Deinen Bruder schlug; auch fiel er nicht auf meiner Tochter Anschlag; aber sobald Rut die traurige Kunde erhielt, tödtete er Thjostolf.« Da schwieg Thoraren und forderte keine Buße mehr. Rut aber rieth, ihm gute Gaben zu geben und ihm alle schuldige Ehre anzuthun, da er ja wirklich großen Verlust[50] erlitten habe. Dies geschah denn auch, und Thoraren ritt heim. Im Laufe des Herbstes wechselten er und Halgjerde den Aufenthalt, so daß sie südwärts nach Lögarnes, Thoraren aber nach Varmaläk zog.