Halgjerde's Kindheit.

[38] Die Erzählung greift nun wiederum in die Vergangenheit zurück. Höskuld Dalekolsohn auf Höskuldstad im Laxauthal hatte eine Tochter namens Halgjerde. Schon als Kind war sie hochgewachsen und schön von Angesicht, ihr Haar war so fein wie Seide und so lang und schwer, daß es ihr bis zum Gürtel herabwallte. Einst geschah es, daß Höskuld seine Freunde zum Mahle bei sich versammelt hatte; sein Halbbruder Rut Herjulfsohn war dabei und saß ihm zur Seite. Halgjerde spielte auf der Diele mit einigen anderen Mädchen. »Komm' zu mir her,« sagte Höskuld zu ihr, und sie kam sogleich. Er faßte sie unter das Kinn und küßte sie, worauf sie wieder fortlief. »Was dünkt Dich über das Mägdlein,« wandte sich Höskuld an Rut, »ist es nicht ein liebliches Kind?« Rut schwieg und Höskuld wiederholte seine Frage. Da antwortete Rut: »Sehr schön ist sie, und mancher wird dafür büßen müssen. Aber ich kann mir nicht erklären, woher die Diebsaugen in unser Geschlecht gekommen sind.« Da zürnte Höskuld und es verging geraume Weile, ehe sich wieder ein gutes Verhältniß zwischen den Brüdern anbahnte.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 38.
Lizenz:
Kategorien: