Nial's Tod.

[171] »Großen Schaden haben wir erlitten,« sagte Flose, »wir haben sowohl Verwundete als auch Todte. Durch Waffengewalt bezwingen wir sie nimmer. Es scheint aber auch, daß mancher jetzt langsam zum Angriff ist, welcher zuvor mit dem Munde am eifrigsten war; ich denke hierbei zunächst an Grane Gunnarsohn und Gunnar Lambesohn. Jetzt haben wir die Wahl, entweder fortzuziehen, aber das wird unser Tod sein, oder mir müssen uns des Feuers bedienen; damit indessen laden wir eine große Verantwortung auf uns, zumal wir Christen sind. Gleichwohl müssen wir zu diesem Mittel greifen.« Sie machten also Feuer und errichteten einen großen Scheiterhaufen vor der Thür. »Soll jetzt gekocht werden, Kinder?« rief Skarphedin. »Es soll so[171] warm werden wie nöthig ist, um Dich zu backen!« antwortete Grane Gunnarsohn. Skarphedin versetzte: »Dann lohnst Du mir wie ein elender Bube dafür, daß ich Deinen Vater rächte.« Inzwischen brachten die Weiber Molken und Wasser herbei und gossen es ins Feuer, so daß dieses ausgelöscht wurde. Da sagte der Brudersohn von Hald von Sida, Kol Thorstensohn zu Flose: »Ich habe bemerkt, daß auf die Querbalken ein Bretterboden gelegt ist; laßt uns den Schober von Vogelgras anzünden, welcher auf der Rückseite des Hauses steht und ihn durch das Luftloch auf den Boden werfen.« Dieser Rath wurde befolgt, und die, welche drinnen waren, merkten nichts, bevor alles über ihren Häuptern in lichten Flammen stand, während Flose und seine Mannen große Scheiterhaufen vor allen Thüren anzündeten. Da begannen alle Weiber zu jammern und zu klagen. »Geberdet Euch doch nicht so trostlos,« sprach Nial; »dieses Ungemach geht bald vorüber und es kommt dergleichen nicht wieder; sollen wir brennen in dieser Welt, dann wird Gott wohl so barmherzig gegen uns sein, daß er uns bald aus dem Feuer befreit in jener Welt.« Mit solchen Trostworten suchte er sie während der ganzen Zeit zu ermuthigen. Alsbald aber begann das ganze Haus zu brennen. Nial ging nach der Thür und fragte, ob Flose so nahe sei, daß er seine Worte vernehmen könne, worauf Flose mit Ja antwortete. »Willst Du einen Vergleich mit meinen Söhnen eingehen,« fragte Nial, »oder jemandem den Ausgang gestatten?« »Auf einen Vergleich mit Deinen Söhnen lasse ich mich nicht ein,« antwortete Flose; »ich weiche nicht vom Platze, bis sie alle todt sind, ich will jetzt mit einem Schlage der Sache ein Ende machen. Aber Weibern, Kindern und Dienstmannen will ich den Ausgang gestatten.« Da ging Nial ins Haus und gebot, diejenigen sollten hinausgehen, denen es zugestanden sei. »Gehe Du hinaus, Thorhalle Asgrim stochter,« sprach er zu Helge's Gattin. Thorhalle versetzte: »Ich muß mich anders von meinem Eheherrn trennen, als ich es erwartete, aber ich will von meinem Vater und von meinen Brüdern Rache fordern.« »Möge es Dir wohl ergehen,« sagte Nial; »Du bist ein braves Weib.« Darauf ging[172] Thorhalle hinaus und mit ihr eine große Schaar. Nach ihr wollte Grim's Weib Astrid hinausgehen. »Gehe Du mit mir,« bat sie Helge Nialsohn, »ich will Dich in einen Weibermantel hüllen und Dir ein Kopftuch umbinden.« Helge war anfangs nicht dazu bereit, aber später gab er doch nach um ihrer Bitten willen. Astrid band ihm ein Kopftuch um den Kopf und Skarphedin's Gattin Thorhilde hing ihm den Mantel um, und er ging nun hinaus, die beiden Frauen an seiner Seite, auch folgten ihm Nial's Töchter Thorgjerde, die mit Ketil auf Mörk verheiratet war und Kaare's Gattin Helga. »Dies Weib da ist hochgewachsen und breitschultrig,« rief Flose, als er sie erblickte; »ergreift sie und haltet sie fest.« Helge schleuderte sogleich den Mantel weg, griff nach seinem Schwert, das er unter demselben verborgen trug und hieb einem Mann den Fuß ab. Da kam Flose herbei und hieb Helge in den Hals, daß sein Haupt zur Erde flog. Dann ging er zur Thür, rief Nial und Bergthora und sagte, er wolle mit ihm reden. Nial erschien in der Thür. »Ich will Dir anbieten hinauszugehen, Nial,« sprach Flose; »es ist nicht recht, daß Du verbrennst.« »Ich gehe nicht hinaus,« antwortete Nial; »ich bin jetzt ein alter Mann, so daß ich nicht geeignet bin, meine Söhne zu rächen; mit Schande aber will ich nicht leben.« »So gehe Du denn hinaus, Hausfrau,« wandte sich Flose an Bergthora, »Dich möchte ich um keinen Preis verbrennen.« »Jung wurde ich Nial angetraut,« versetzte sie, »und ich habe ihm gelobt, Wohl und Wehe mit ihm zu theilen.« Mit diesen Worten gingen sie in das Innere des Hauses zurück. »Was sollen wir jetzt thun?« fragte Bergthora Nial. »Wir wollen zu unsrer Ruhe eingehen,« antwortete er; »lange habe ich mich nach Ruhe gesehnt.« Bergthora aber wandte sich zu Kaare's kleinem Sohn Thord, den Nial zu sich genommen hatte, um ihn zu erziehen und gebot, er solle hinausgetragen werden, damit er nicht umkäme. Der Knabe antwortete: »Du hast mir versprochen, Großmutter, daß wir uns nie trennen sollten, so lange ich bei Dir bleiben wolle, und es dünkt mich viel schöner, mit Dir und Nial zu sterben, als Euch zu überleben.«[173] Da trug Bergthora den Knaben zu ihrem und Nial's Lager. Nial aber rief seinen vertrautesten Sklaven zu sich und sagte zu ihm: »Jetzt magst Du wohl acht geben, wohin wir uns legen und wie wir uns bereiten; denn ich gedenke mich nicht von der Stelle zu rühren, wie sehr ich auch durch Rauch und Hitze gepeinigt werde. Dann weißt Du später, wo unsre Gebeine zu finden sind.« Er befahl ihm nun, die frische Haut eines Ochsen, den sie vor kurzem geschlachtet hatten, zu nehmen und über sie hinzubreiten, wenn sie sich niedergelegt hätten. Alsdann legten sich Nial und Bergthora auf das Lager und den Knaben Thord legten sie zwischen sich. »Unser Vater geht frühzeitig zur Ruhe,« sprach Skarphedin, als er sie sich niederlegen sah; »aber es läßt sich ja denken, denn er ist ein alter Mann.« Nial aber und Bergthora zeichneten sich und den Knaben mit dem Kreuz und befahlen ihre Seele in Gottes Hände. Das waren die letzten Worte, die man von ihnen vernahm. Der Sklave nahm die Haut, breitete dieselbe über sie und ging dann zur Thür, um hinauszugehen. Ketil von Mörk empfing ihn und half ihm hinaus. Ketil forschte ihn aufs genaueste aus über seinen Schwiegervater Nial und der Sklave berichtete ihm den Sachverhalt. »Schweres Leid ist uns beschieden, daß wir soviel Unglück erleben müssen!« rief Ketil. Von Nial aber, von Bergthora und Thord Kaaresohn vernahm man keinen Laut mehr, weder Stöhnen noch Husten.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 171-174.
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