Die / die volle Sättigung wünschende Liebe.

1.

SOll Geliebte unsre Liebe

Nicht die reiffen Früchte sehn?

Wenn mein süsser Wunsch bekliebe,

Könt es ja gar leicht geschehn!

Ach wie lange bleibt das Glücke

Meine Sehnsucht noch zurücke?


2.

Fühlst du nichts in deiner Seelen

Das dich reitzet, lockt und treibt,

Zwinge dich nicht zu verhölen

Was doch schwer verborgen bleibt,[8]

Laß der Regung nur den Willen

Sich zu zeigen, mich zu stillen.


3.

Lieben und doch nichts geniessen,

Ist nur Marter und Verdruß,

Was will der von Freude wissen,

Welcher täglich fasten muß,

Da sich doch die süssen Speisen

Seinem Munde stündlich weisen.


4.

Liebst du mich, mich nur zu qvälen?

Hast du Lust an meiner Pein?

Nein, du wilst mir ja befehlen

Munter und vergnügt zu seyn,

Und versprichst mit süssen Lachen

Meine Wünsche wahr zu machen.


5.

O Geliebte mache mache

Schaffe dir und mir viel Lust,

Lieg ich, O erwünschte Sache!

Dir im Hertzen in der Brust,

So versiegle mein Vergnügen,

Laß mich auch, du weist wo, liegen.


Quelle:
Deliciae Poeticae, Erste Parthie und Andere Parthie. Band 2, [o.O.] 1728, S. 8-9.
Lizenz:
Kategorien: