Der Klosterarzt.

[173] Agathe kämpfte mit dem Tode;

ihr Herz war zwar noch frisch, allein kein Saft

im Körper mehr – es schwand die Lebenskraft

dahin. – Ach, rief des Jammers Bote,

ein Schüler Aesculaps – hier ist's gethan,

das Uebel ist zu groß. – Zwar half der Mann,

so gut er konnt' – und Cordiale,

Decoct und Pillen, Minerale,

nichts ward gespart – allein umsonst verschrieb

er Medizin, Agathens Krankheit blieb.

Man ließ zur Ader – man clistirte –

vergebens. – Nun kann ich nichts weiter thun,

sprach er, strich seinen Bart und führte

sich plötzlich ab. – Ein and'rer folgt ihm nun,

der war nicht klüger, als der erste;

er sah der Krankheit wahren Grund nicht ein

und schrieb Character auf. Das Mehreste,[173]

was er noch wissen mocht', war, im Latein

fast jedes Uebel zu benennen,

vielleicht auch, ohn' es selbst zu kennen. –

Ein dritter kam, sehr kunsterfahren,

sprach: Recipe den Lebensstamm, halt' ihn

recht fest, man lass' ihn ja nicht fahren,

und tu ihn dann – ihr wißt ja wohl – wohin –

bis ihr genug von seinen Säften

herausgezogen habt. Ihr werdet seh'n,

dies wird euch Ueberfluß von Kräften

verschaffen, und die Krankheit muß vergeh'n. –

Wär' Aesculap – wär' unter allen

den größten Aerzten einer wohl so klug?

Agathe ließ sich's gern gefallen,

zog Brustsaft aus dem Stamm – so viel genug,

man wiederholt' es, und Agathe

war bald geheilt. – Nach des Capitels Schluß

und nach der Nonnen bestem Rathe

ward unser Arzt dann Klostermedicus.


***.[174]

Quelle:
Nuditäten oder Fantasien auf der Venus-Geige. Padua [o. J.], S. 173-175.
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