Der klügste Rath.

[235] Petron sah jüngst voll Lüsternheit

Gewandlos Sylvien im Bade:

Was sich ein Mädchen sonst zu zeigen scheut,

Das lag da vor ihm en parade;

Hals, Schultern, Busen, Wade

Sah er; und wer das sieht, bekommt auch mehr zu seh'n,

Und was er sah, war schön, zum Küssen schön.

Nur aus Petrons vertieften Blicken

Sprach Mißmuth und Verlegenheit,

Er sah mit unentschloss'nen Blicken,

Selbst bei dem sanft'sten Händedrücken,[235]

Bald rechts auf's Bein wie Schnee, bald links auf's weiße Knie.

Für jedes fühlt' er Sympathie,

Und doch nicht Kraft zur Wahl. – Mit heimlichen Entzücken

Sah Sylvia Petronens innern Streit:

»Was fehlt dir Kind? Wozu denn die Verlegenheit?

Willst du«, sprach sie, »daß ich entscheide?

So thu' das Sicherste, damit Keins Unrecht leide,

Und leg' dich hurtig zwischen Beide.«


Anonym [= Johann Georg Scheffner].[236]

Quelle:
Nuditäten oder Fantasien auf der Venus-Geige. Padua [o. J.], S. 235-237.
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