CLXXXIII.

Jungfer-Gesänge, wie solche von Jahren zu Jahren von denen gerne Männer-haben-wollenden Jungfern gesungen werden. Nach eigenem Geständniss

einer 50-jährigen Jungfer.


[Cupido bleibe mir vom Leibe etc.]

Nach voriger Melodie.


EIn Mägdgen kaum von vierzehn Jahren

Ficht schon die Männer Sehnsucht an;

Drum wünscht sie täglich sich zu paaren,

Und singt: »Ach gebt mir einen Mann,

Der mir fein sanfft das Leibgen drücke,

Denn meine Jungferschafft ist pflücke!«[252]


Sind sechzehn Jahre erst vergangen,

So brennt das Mägdgen lichterloh,

Und singt vor brennendem Verlangen:

(Ihr lieben Jungfern ists nicht so?)

»Will noch kein Mann mir Löschung gönnen?

Ach soll ich armes Ding verbrennen!«


Sind zwantzig Jahre ran gekommen

So seufftzt das Mägdgen Tag und Nacht,

Bis ihr die Jungferschafft benommen,

Die ihr die Nächte schlaflos macht.

Sie singt: »Ach komm ein Mann noch heute!

Sonst geh ich selber auf die Freyte.«


Kömmts dreyß'gste Jahr schon angetreten,

So fleht sie den Sanct Andräs an,

Den sie pflegt kniend anzubeten,

Und singt: »Ach gieb mir einen Mann,

Den ich im Bette kan umarmen;

Sanct Andräs, laß dichs doch erbarmen!«


Hat sie nun viertzig Jahr getragen

Das Centner-schwere Jungfer-Joch,

Wird sie die Manns-Noth doch noch plagen;

Warum? der Kützel sticht sie noch;[253]

Drum singt sie: »Will kein Mann mich puntzeln?

Die Jungferschafft bekömmt schon Runtzeln.«


Sind aber funfftzig Jahr verflossen,

Wird die verschrumpffte Jungferschafft

Mit Thränen-Wasser nun begossen;

Doch singt sie noch aus Leibes-Krafft:

»Ach komm ein Mann! ach komm behende!

Wo nicht; so komm mein Lebensende. «

Quelle:
Poetische Grillen bey Müßigen Stunden von Le Pansiv, Erfurt 1729, S. 106-107,252-254.
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