|
[66] Einst nahmen die Walgötter die erwaideten Thiere,
Zu schlemmen gesonnen noch ungesättigt:
Sie schüttelten Stäbe, besahen das Opferblut,
Und fanden, Oegirn fehle der Braukeßel.
Saß der Felswohner froh wie ein Kind,
Doch ähnlich eher der dunkeln Abkunft.
Ihm in die Augen sah Odhins Sohn:
»Gieb alsbald den Göttern Trank.«
Der Ungestüme schuf Angst dem Riesen;
Doch rasch erdachte der Rach an den Göttern:
Er ersuchte Sifs Gatten: »Schaff mir den Keßel,
So brau ich alsbald das Bier euch darin.«
Den mochten nicht die mächtigen Götter
Irgendwo finden, die Fürsten des Himmels,
Bis Tyr dem Hlorridi getreulich sagte,
Ihm allein, Auskunft und Rath:
»Im Osten wohnt der Eliwagar
Der hundweise Hymir an des Himmels Ende.
Einen Keßel hat mein kraftreicher Vater,
Ein räumig Gefäß, einer Raste tief.«
Meinst du, den Saftsieder sollten wir haben? –
»Mit List gelingt es ihn zu erlangen.«
Sie fuhren schleunig denselben Tag
Von Asgard hin zu des Uebeln Haus.[66]
Selbst stallt' er die Böcke, die stattlich gehörnten;
Sie eilten zur Halle, die Hymir bewohnte.
Der Sohn fand die Ahne, die er ungern sah;
Sie hatte der Häupter neunmal hundert.
Eine andre kam allgolden hervor,
Weißbrauig, und brachte das Bier dem Sohn.
»Verwandte der Riesen, ich will euch beide,
Ihr kühnen Männer, unter Keßeln bergen.
Manches Mal ist mein Geselle
Gästen gram und grimmes Muthes.«
Der übel Gesinnte spät Abends kam,
Der hartmuthge Hymir, heim von der Jagd.
Er ging in den Saal, die Gletscher dröhnten;
Ihm war, als er kam, der Kinnwald gefroren.
»Heil dir, Hymir, sei hohes Muths:
Der Sohn ist gekommen in deinen Saal,
Den wir erwartet von langem Wege.
Ihm folgt hieher der Freund der Menschen,
Unser Widersacher, Weor genannt.
Du siehst sie sitzen an des Saales Ende;
So bangen sie, daß die Säule sie birgt.«
Die Säule zersprang von des Riesen Sehe,
Und entzweigebrochen sah man den Balken.
Acht Keßel fielen, und einer nur,
Ein hart gehämmerter, kam heil herab.
Vorgingen die Gäste; der graue Riese
Faßt' ins Auge den Feind sich scharf.
Wenig Gutes sagte der Geist ihm voraus,
Als der Troldenbetrüber in den Vorsaal trat.
Da sah man Stiere drei geschlachtet,
Die alsbald zu braten gebot der Riese.[67]
Man ließ um den Kopf sie kürzen beide
Und setzte sie zum Sieden ans Feuer.
Sifs Gemahl, eh er schlafen ging,
Zwei Ochsen Hymirs verzehrt' er allein.
Da schien dem grauen Gesellen Hrungnirs
Hlorridis Malzeit so mäßig nicht:
»Nun müßen wir drei uns Morgen Abend
Mit des Waidwerks Gewinn selber bewirthen.«
Bereit war Weor ins Waßer zu rudern,
Wenn der kühne Jötun den Köder gäbe.
»Geh hin zur Heerde, wenn du das Herz hast,
Zerschmettrer des Berggeschlechts, und suche den Köder.
Ich weiß gewiss, dir wird nicht schwer
Die Lockspeise vom Stier zu erlangen.«
Zum Walde wandte sich Weor alsbald:
Da fand er stehen allschwarzen Stier.
Der Thursentödter, abbrach er dem Thiere
Der beiden Hörner erhabnen Sitz.
»Im Schaffen scheinst du schlimmer um Vieles,
Lenker der Kiele, als in bequemer Ruh.«
Da bat der Böcke Gebieter den Affengott,
Ferner in die Flut das Seeross zu führen.
Aber der Jötun gab ihm zur Antwort,
Ihn lüste wenig, noch länger zu rudern.
Da hob am Hamen Hymir der starke
Zwei Wallfische aus den Wellen allein.
Am Steuer inzwischen Odhins Erzeugter
Festigte listig ein Fischseil Weor.
An die Angel steckte der Irdischen Gönner
Als Köder den Stierkopf zum Kampf mit dem Wurm.
Gähnend haschte der gottverhaßte
Erdumgürter nach solcher Atzung.[68]
Tapfer zog Thôr der gewaltige
Den schimmernden Giftwurm zum Schiffsrand auf.
Das häßliche Haupt mit dem Hammer traf er,
Das felsenfeste, dem Freunde des Wolfs.
Felsen krachten, Klüfte heulten,
Die alte Erde fuhr ächzend zusammen:
Da senkte sich in die See der Fisch.
Nicht geheuer wars auf der Heimkehr dem Riesen:
Der starke Hymir verstummte ganz;
Wider den Wind nur wandt' er das Ruder:
»Willst du die Hälfte haben der Arbeit:
Entweder die Wallfische zur Wohnung tragen,
Oder das Boot fest binden am Ufer?«
Hlorridi ging und ergriff am Steven,
Ohn erst auszuschöpfen das Schiff erfaßt' er
Allein mit Rudern und Schöpfgeräth;
Trug auch die Fische des Thursen heim
In das keßelgleiche Berggeklüft.
Aber der Jötun wie immer trotzig
Mit Thôr um die Stärke stritt er aufs Neu:
Der Macht ermangle der Mann, wie er rudre,
Könn er dort den Kelch nicht zerbrechen.
Als der dem Hlorridi zu Händen kam,
Zerstückt' er den starrenden Stein damit:
Sitzend schleudert' er durch Säulen den Kelch;
In Hymirs Hand doch kehrt' er heil.
Aber die freundliche Frille lehrt' ihn
Wohl wichtgen Rath; sie wust ihn allein:
»Wirf ihn an Hymirs Haupt: härter ist das
Dem kostmüden Jötun als ein Kelch mag sein.«
Der Böcke Gebieter bog die Kniee
Mit aller Asenkraft angethan:
Heil dem Hünen blieb der Helmsitz;
Doch brach alsbald der Becher entzwei.[69]
»Die liebste Lust verloren weiß ich,
Da mir der Kelch vor den Knieen liegt.
Oft sagt' ich ein Wort; nicht wieder sag ichs
Von heut an je; zu heiß ist der Trank!
Noch mögt ihr versuchen ob ihr Macht habt,
Aus der Halle hinaus zu heben die Kufe.«
Zwei Mal ihn zu rücken mühte sich Tyr:
Des Keßels Wucht stand unbewegt.
Aber Modis Vater erfaßt' ihn am Rand,
Stieg vom Estrich in den untern Saal.
Aufs Haupt den Hafen hob sich Sifs Gemahl;
An den Knöcheln klirrten ihm die Keßelringe.
Sie fuhren lange eh lüstern ward
Odhins Sohn sich umzuschauen:
Da sah er aus Höhlen mit Hymir von Osten
Volk ihm folgen vielgehauptet.
Da harrt' er und hob den Hafen von den Schultern,
Schwang den mordlichen Miölnir entgegen
Und fällte sie all, die Felsungetüme,
Die ihn anliefen in Hymirs Geleit.
[Sie fuhren nicht lange, so lag am Boden
Von Hlorridis Böcken halbtodt der eine.
Scheu vor den Strängen schleppt' er den Fuß:
Das hatte der listige Loki verschuldet.
Doch hörtet ihr wohl (wer hat davon
Der Gottesgelehrten ganze Kunde?),
Welche Buß er empfing von dem Bergbewohner:
Den Schaden zu sühnen gab er der Söhne zwei.]
Kraftgerüstet kam er zum Göttermal
Und hatte den Hafen, den Hymir beseßen.
Daraus sollen trinken die seligen Götter
Ael in Oegirs Haus jede Leinernte.
Buchempfehlung
Das kanonische Liederbuch der Chinesen entstand in seiner heutigen Textfassung in der Zeit zwischen dem 10. und dem 7. Jahrhundert v. Chr. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Victor von Strauß.
298 Seiten, 15.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro