Das Lied von Fafnir.

[176] Sigurd und Regin fuhren aufwärts zur Gnitahaide und fanden da Fafnirs Weg, auf dem er zum Waßer kroch. Da machte Sigurd eine große Grube im Wege und stellte sich hinein. Als aber Fafnir von seinem Golde kroch, blies er Gift von sich und das fiel dem Sigurd von oben aufs Haupt. Als aber Fafnir über die Grube wegglitt, stach ihm Sigurd das Schwert ins Herz. Fafnir schüttelte sich und schlug mit Haut und Schweif. Da sprang Sigurd aus der Grube, wo denn Einer den Andern sah. Fafnir sprach:


Gesell und Gesell, welcher Gesell erzeugte dich,

Was bist du mir ein Menschenkind?

Der in Fafnir färbtest den funkelnden Stahl;

Mir haftet im Herzen dein Schwert.


Aber Sigurd verhehlte seinen Namen, weil es im Altertum Glaube war, daß eines Sterbenden Wort viel vermöchte, wenn er seinen Feind mit Namen verwünschte. Er sprach:


Wunderthier heiß ich, ich wank umher,

Ein Kind, das keine Mutter kennt.

Auch miss ich den Vater, den Menschen sonst haben,

Ich gehe einsam, allein.


Fafnir.

Missest du den Vater, den Menschen sonst haben,

Welches Wunder erzeugte dich?


Sigurd.

Mein Geschlecht ist dir schwerlich kund

Und ich selber auch nicht.

Sigurd heiß ich, Sigmund hieß mein Vater;

Meine Waffe verwundete dich.


[176] Fafnir.

Wer reizte dich? Wie ließest du dich reizen

Mein Leben zu morden,

Klaräugiger Knabe? kühn war dein Vater:

Dem Ungebornen vererbt' er den Sinn.


Sigurd.

Mich reizte das Herz; die Hände vollbrachtens

Und mein scharfes Schwert.

Keiner ist kühn, wenn die Jahre kommen,

Der von Kindesbeinen blöd war.


Fafnir.

Wärst du erwachsen an der Verwandten Brust,

Man kennte dich kühn im Kampfe;

In Haft bist du hier, ein Heergefangner:

Stäts, sagt man, bebt der Gebundne.


Sigurd.

Welcher Vorwurf, Fafnir, als ob ich fern wär

Meinem Mutterlande?

Nicht war ich in Haft hier, auch als Heergefangner;

Du fühlst wohl, daß ich frei bin.


Fafnir.

Einen Vorwurf findest du in freundlichem Wort;

Aber Eins verkünd ich dir:

Das gellende Gold, der glutrothe Schatz,

Diese Ringe verderben dich.


Sigurd.

Goldes walten will ein Jeder

Stäts bis an den Einen Tag.

Denn Einmal muß jeder Mann doch

Fahren von hinnen zu Hel.


Fafnir.

Du nimmst für Nichts der Nornen Spruch,

Mein Wort für unweise Rede.

Doch ertrinkst du im Waßer, ob du beim Winde ruderst:

Alles sterbt ihn, der sterben soll.[177]


Der Schreckenshelm schützte mich lange,

Da ich über Kleinoden kroch;

Allein daucht ich mich stärker als alle

Und fand selten meinen Mann.


Sigurd.

Keinen mag schützen der Schreckenshelm,

Wo Zornige kommen zu kämpfen.

Wer mit Vielen ficht befindet bald:

Keiner ist allein der Kühnste.


Fafnir.

Gift blies ich, da ich auf dem Golde lag,

Dem Vielen, meines Vaters.


Sigurd.

Wohl warst du furchtbar, du funkelnder Wurm;

Ein hartes Herz erhieltest du.

Der Muth schwillt mächtig den Menschensöhnen,

Die solchen Helm haben.


Laß dich fragen, Fafnir, da du vorschauend bist

Und wohl Manches weist:

Welches sind die Nornen, die nothlösend heißen

Und Mütter mögen entbinden?


Fafnir.

Verschiedenen Geschlechts scheinen die Nornen mir

Und nicht Eines Ursprungs.

Einige sind Asen, andere Alfen,

Die dritten Töchter Dwalins.


Sigurd.

Laß dich fragen, Fafnir, da du vorschauend bist

Und wohl Manches weist:

Wie heißt der Holm, wo Herzblut mischen

Surtur einst und Asen?


Fafnir.

Oskopnir (unvermeidlich) heißt er, wo alle Götter

Dereinst mit Speren spielen.[178]

Bifröst bricht eh beide sich scheiden

Und im Strome schwimmen die Rosse.


Nun rath ich dir, Sigurd, nimm an den Rath

Und reit heim von hinnen.

Das gellende Gold, der glutrothe Schatz,

Diese Ringe verderben dich.


Sigurd.

Rath ist mir gerathen; ich reite dennoch

Zu dem Hort auf der Haide.

Du Fafnir lieg in letzten Zügen

Bis du hin must zu Hel.


Fafnir.

Regin verrieth mich, er verräth auch dich,

Er bringt uns beiden den Tod.

Sein Leben muß nun Fafnir laßen,

Deine Macht bemeistert mich.


Regin war fortgegangen, während Sigurd Fafnirn tödtete; er kam zurück, als Sigurd das Blut vom Schwerte wischte. Regin sprach:


Heil dir nun, Sigurd, du hast Sieg erkämpft

Und den Fafnir gefällt.

Von allen Männern, die auf Erden wandeln,

Acht ich dich den Unverzagtesten.


Sigurd.

Ungewiss bleibt, wo alle vereint sind,

Der Sieggötter Söhne,

Welcher der unverzagteste ist:

Mancher ist kühn, der die Klinge nie

Barg in des Andern Brust.


Regin.

Stolz bist du, Sigurd, und siegesfreudig,

Da du Gram im Grase wischest.

Den Bruder hast du mir umgebracht;

Doch trag ich selbst der Schuld ein Theil.


Sigurd.

Du riethest dazu, daß ich reiten sollte

Ueber die heiligen Berge her.[179]

Gut und Leben gegönnt wär dem glänzenden Wurm,

Triebest du mich nicht zur That.


Da ging Regin zu Fafnir und schnitt ihm das Herz aus mit dem Schwerte, das Ridil heißt und trank dann das Blut aus der Wunde.


Regin.

Sitze nun, Sigurd; ich schlafe derweil,

Und halte Fafnirs Herz ans Feuer.

Ich will das Herz zu eßen haben

Auf den Bluttrunk, den ich trank.


Sigurd.

Fern entflohst du, während in Fafnir ich

Röthete das scharfe Schwert.

Meine Stärke setzt ich wider den starken Wurm,

So lange du auf der Haide lagst.


Regin.

Lange liegen ließest du auf der Haide

Jenen alten Joten,

Wenn du das Schwert nicht schwangst, das ich dir schuf,

Die wohlgewetzte Waffe.


Sigurd.

Muth in der Brust ist beßer als Stahl,

Wo sich Tapfere treffen.

Den Kühnen immer sah ich erkämpfen

Mit stumpfem Schwerte den Sieg.


Der Kühne mag beßer als der Bange kann

Sich im Kriegesspiel versuchen.

Mehr gelingt dem Muntern als dem Mürrischen

Was er hab in der Hand.


Sigurd nahm Fafnirs Herz und briet es am Spieß. Und als er dachte, daß es gar wäre, und der Saft aus dem Herzen schäumte, da stieß er daran mit seinem Finger und versuchte ob es gar gebraten wäre. Er verbrannte sich und steckte den Finger in den Mund. Aber als Fafnirs Herzblut ihm auf die Zunge kam, da verstand er der Vögel Stimmen. Er hörte, daß Adlerinnen auf den Zweigen zwitscherten.


[180] Die Eine sang:

Da sitzt Sigurd blutbespritzt

Und brät am Feuer Fafnirs Herz.

Klug däuchte mich der Ringverderber,

Wenn er das leuchtende Lebensfleisch äße.


Die andere.

Da liegt nun Regin und geht zu Rath

Wie er triege den Mann, der ihm vertraute;

Sinnt in der Bosheit auf falsche Beschuldigung:

Der Unheilschmied brütet dem Bruder Rache.


Die dritte.

Hauptes kürzer laß er den haargrauen Schwätzer

Fahren von hinnen zu Hel.

So soll er den Schatz besitzen allein,

Wie viel des unter Fafnir lag.


Die vierte.

Er däuchte mich klug, gedächt er zu nützen

Den Anschlag, Schwestern, den ihr wohl ersannt.

Er berathe sich rasch die Raben zu erfreuen,

Denn den Wolf erwart ich, gewahr ich sein Ohr.


Die fünfte.

So klug ist nicht der Kampfesbaum,

Wie ich den Heerweiser hätte gewähnt,

Läßt er den einen Bruder ledig

Und hat den andern umgebracht.


Die sechste.

Sehr unklug scheint er mir, schont er länger noch

Den gemeingefährlichen Feind.

Dort liegt Regin, der ihn verrathen will;

Er weiß sich davor nicht zu wahren.


Die siebente.

Um den Kopf kürz er den eiskalten Joten

Und beraub ihn der Ringe.

So sind die Schätze, die Fafnir beseßen,

Ihm allein zu eigen.


[181] Sigurd.

So verräth mich das Looß nicht, daß Regin sollte

Mir zum Mörder werden:

Beide Brüder sollen alsbald

Fahren von hinnen zu Hel.


Sigurd hieb Regin das Haupt ab, und aß Fafnirs Herz und trank beider Blut, Regins und Fafnirs. Da hörte Sigurd was die Adlerinnen sangen:


Mit den rothen Ringen bereife dich, Sigurd;

Um Künftges sich kümmern ziemt Königen nicht.

Ein Weib weiß ich, ein wunderschönes,

Goldbegabt: wär sie dir gegönnt!


Zu Giuki gehen grüne Pfade:

Dem Wandernden weist das Schicksal den Weg.

Da hat eine Tochter der theure König:

Die magst du, Sigurd, um Mahlschatz kaufen.


Ein Hof ist auf dem hohen Hindarfiall

Ganz von Glut umgeben außen.

Ihn haben hehre Herscher geschaffen

Aus undunkler Erdenflamme.


Auf dem Steine schläft die Streiterfahrene,

Und lodernd umleckt sie der Linde Feind.

Mit dem Dorn stach Yggr (Odhin) sie einst in den Schleier,

Die Maid, die Männer morden wollte.


Schaun magst du, Mann, die Maid unterm Helme,

Die aus dem Gewühl trug Wingskornir das Ross.

Nicht vermag Sigrdrifas Schlaf zu brechen

Ein Fürstensohn eh die Nornen es fügen.


Sigurd ritt auf Fafnirs Spur nach dessen Hause und fand es offen und die Thüren von Eisen und aufgeklemmt. Von Eisen war auch alles Zimmerwerk am Hause und das Gold unten in die Erde gegraben. Da fand Sigurd großmächtiges Gut und füllte damit zwei Kisten. Da nahm er Oegis Helm und die Goldbrünne und das Schwert Hrotti und viele Kostbarkeiten und belud Grani damit. Aber das Ross wollte nicht fortgehen bis Sigurd auf seinen Rücken stieg.

Quelle:
Die Edda. Stuttgart 1878, S. 176-182.
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