|
[221] Gudrun, Giukis Tochter, rächte den Tod ihrer Brüder, wie das weltberühmt ist. Sie tödtete zuerst Atlis Söhne, darauf tödtete sie den Atli selbst und verbrannte die Halle mit allem Gesinde. Davon ist diese Sage gedichtet:
Atli sandte einst zu Gunnar
Einen klugen Boten, Knefröd genannt.
Er kam zu Giukis Hof und Gunnars Halle,
An der Bank des Heerdes zu süßem Gebräude.
Das Gesinde trank (noch schwiegen die Listigen)
In der Halle den Wein in Furcht vor den Hunnen.
Da kündete Knefröd mit kalter Stimme,
Der südliche Gesandte; er saß auf der Hochbank:
»Sein Geschäft zu bestellen, sandte mich Atli
Auf knirschendem Ross durch den unkunden Schwarzwald,
Auf seine Bänke euch zu bitten, Gunnar:
In häuslichen Hüllen suchet Atli heim.
Da mögt ihr Schilde wählen und geschabte Eschen,
Hellgoldne Helme und hunnische Schwerter,
Schabracken goldsilbern, schlachtrothe Panzer,
Geschoß krümmende, und knirschende Rosse.
Er giebt euch auch gerne die weite Gnitahaide,
Gellenden Geer nebst goldnem Steven,
Herliche Schätze und Städte Danpis,
Und das schöne Gesträuch, Schwarzwald genannt.«[221]
Das Haupt wandte Gunnar, zu Högni sprach er:
»Was räthst du uns, Rascher, auf solche Rede?«
»Goldwust ich nie auf Gnitahaide,
Daß wir nicht sollten so gutes besitzen.
Sieben Säle haben wir der Schwerter voll,
Golden glänzen die Griffe jedem.
Mein Schwert ist das schärfste, der schnellste mein Hengst,
Die Bank zieren Bogen und Brünnen von Gold,
Hell glänzen Helm und Schild aus Kjars Halle gebracht.
Ich achte meine für beßer als alle hunnischen.
Was rieth uns die Schwester, die den Ring uns sandte,
In Wolfskleid gewickelt? Sie warnt' uns, dünkt mich.
Mit Wolfshaar umwunden gewahrt' ich den rothen Ring:
Gefährlich ist die Fahrt, die wir fahren sollen.« –
Nicht riethens die Neffen, noch die nächsten Verwandten,
Nicht Rauner und Rather noch reiche Fürsten.
Gunnar gebot da, so gebührt' es dem König,
Munter beim Mal aus muthiger Seele:
»Steh nun auf, Fiornir, laß um die Sitze kreisen
Der Helden Goldhörner durch die Hände der Knechte.
Der Wolf wird des Erbes der Niflungen walten
Mit grauen Granen, wenn Gunnar erliegt;
Braunzottge Bären das Bauland zerwühlen
Zur Ergetzung der Hunde, kehrt Gunnar nicht heim.«
Den Landherrn geleiteten herliche Leute,
Den Schlachtordner, seufzend aus den Sälen Giukis.
Da sprach der junge Hüter des högnischen Erbes:
»Fahrt nun froh und heil, wohin euch der Geist führt.«
Ueber Felsen fliegen freudig ließen sie
Die knirschenden Mähren durch den unkunden Schwarzwald.
Die Hunnenmark hallte, wo die Hartmuthgen fuhren,
Durch tiefgrüne Thäler trabten, baumhaßende.[222]
Himmelhoch in Atlis Land hoben die Warten sich.
Sie sahn Verräther stehn auf der steilen Felsburg,
Den Saal des Südervolks mit Sitzen umgeben,
Gebundenen Rändern und blanken Schilden,
Landen betäubenden: da trank König Atli
Den Wein im Waffensaal; Wächter saßen draußen
Gunnars Kriegern zu wehren, wenn sie geritten kämen
Mit hallenden Spießen, dem Herscher Streit zu wecken.
Ihre Schwester sah dem Saale sich nahen
Die Brüder beide; wohl war sie bei sich.
»Verrathen bist du, Gunnar! Reicher, wie wehrst du
Hunnischer Hinterlist? aus dem Hofe eile bald.
Beßer die Brünne, Bruder, trügst du
Als in häuslichen Hüllen Atli heimzusuchen.
Säßest beßer im Sattel den sonnenhellen Tag
Und ließest bleiche Leichen leide Nornen klagen,
Hunnische Schildmägde Harm erdulden,
Senktest Atli selber in den Schlangenthurm.
Nun werdet den Wurmsaal bewohnen ihr beiden.« –
»Zu spät ists, Schwester, nun, die Niflungen zu sammeln,
Zu lang dem Geleite in dieß Land ist der Weg
Durch rauhes Rheingebirg untadligen Recken.«
Da fingen sie Gunnarn und feßelten ihn
Mit schweren Banden, der Burgunden Schwäger.
Sieben schlug Högni mit scharfer Waffe;
Den achten warf er in heiße Ofenglut:
So soll sich der Wackre wahren vor Feinden.
Högni wehrte Gewalt von Gunnar.
Sie fragten den Fürsten, ob Freiheit und Leben
Der Gotenkönig mit Gold wolle kaufen.
»Mir soll Högnis Herz in Händen liegen:
Blutig aus der Brust des besten Reiters
Schneid es das Schwert aus dem Königssohn.«[223]
Sie hieben das Herz da aus Hiallis Brust:
Blutig auf der Schüßel brachten sies Gunnarn.
Da sagte Gunnar, der Goten Fürst:
»Hier hab ich Hiallis Herz des blöden,
Ungleich dem Herzen Högnis des kühnen.
Es schüttert sehr hier auf der Schüßel noch;
Da die Brust es barg bebt' es noch mehr.«
Hell lachte Högni, da sie das Herz ihm schnitten.
Keiner Klage gedachte der kühne Helmschmied.
Blutig auf der Schüßel brachten sie's Gunnarn.
Froh sprach Gunnar, der fromme Niflung:
»Hier hab ich das Herz Högnis des kühnen,
Ungleich dem Herzen Hiallis des blöden.
Man sieht es nicht schüttern auf der Schüßel hier;
Da die Brust es barg bebt' es noch minder.
Bleib, Atli, nun aller Augen so fern,
Wie du stäts den Schätzen sollst verbleiben.
Allein weiß Ich nun um den verborgnen
Hort der Hniflungen, da Högni todt ist.
Zweifel hegt' ich zwar, da wir Zweie waren;
Nun Ich nur übrig bin, ängst ich mich nicht mehr.
Nur der Rhein soll schalten mit dem verderblichen Schatz:
Er kennt das asenverwandte Erbe der Hniflungen.
In der Woge gewälzt glühn die Walringe mehr
Denn hier in den Händen der Hunnensöhne.« –
»Herbei nun mit dem Wagen! in Banden ist der Held.«
Auf muthger Mähre fuhr der mächtige Atli,
Von Schwertern bewacht sein Schwager daher.
Mit Harm sah Gudrun der Helden Leid:
Den Thränen wehrend trat sie in die tosende Menge:
»So ergeh es dir, Atli, wie du Gunnarn hältst
Oft geschworne Eide, die ihr einst gelobt[224]
Bei der südlichen Sonne, bei des Sieggotts Burg,
Bei des Ehbetts Frieden, bei Ullers Ring.«
Doch führte zum Tode den Führer der Kampfschar,
Den Hüter des Hortes ein knirschender Hengst.
Den lebenden Fürsten legte der Wächter Schar
In den tiefen Kerker: da krochen wimmelnd
Scheusliche Schlangen. Es schlug Gunnar
Da einsam zürnend mit den Zehen die Harfe.
Hell schollen die Saiten: so soll das Erz
Ein gabmilder König den Gierigen wehren.
Heimlaufen ließ da Atli
Die knirschenden Rosse, kehrend vom Mord.
Es rauschte rings von der Rosse Drängen
Und der Krieger Waffenklang, da sie kamen von der Haide.
Da ging entgegen Gudrun dem Atli
Mit goldenem Kelch den König zu ehren:
»Heil König! Nun hast du in der Halle bei dir
Als Gudruns Gabe die Geere der Todten!«
Atlis Aelbecher ächzten gefüllt,
Da hier in der Halle die Hunnen sich scharten,
Rauhbärtge Recken gereiht je zwei.
Heiter schauend schritt sie ihnen Schalen zu reichen,
Die hehre Frau, den Fürsten, und Bißen vorzulegen;
Doch Atli erbleichte, da sie ihn anfuhr:
»Du hast deiner Söhne, Schwertervertheiler,
Blutige Herzen mit Honig gegeßen.
Ich meinte, Muthiger, Menschenbraten
Liebtest du zu eßen und zum Ehrensitz zu senden.
Nicht ziehst du künftig an die Kniee dir
Erp noch Eitil, die Aelfrohen beiden;
Nie siehst du wieder vom hohen Sitze
Die Goldspender Geere schäften,
Mähnen schlichten und Mähren tummeln.«[225]
Da erscholl auf den Sitzen lautes Schrein der Männer,
Der Weiber ängstlicher Wehruf: sie weinten die Hunnensöhne.
Gudrun ganz allein nicht: die grimme weinte nie!
Nicht die bärkühnen Brüder noch die süßen Gebornen,
Die zarten, unmündgen, die sie mit Atli gezeugt.
Da säte Gold aus die Schwanenweiße,
Mit rothen Ringen bereifte sie die Knechte.
Den Vorsatz zu vollführen ließ sie fließen das Erz;
Die Spenderin schonte der Schatzhäuser nicht.
Unklug hatte Atli sich übertrunken;
Unbewehrt war er, ungewarnt vor Gudrun.
Oft schien beßer der Scherz, wenn sanft die beiden
Sich öfters umarmten vor den Edelingen.
Mit dem Dolch gab sie Blut den Decken zu trinken
Mit mordlustger Hand; sie löste die Hunde;
Vor die Saalthür warf sie, das Gesinde weckend,
Die brennende Brandfackel die Brüder zu rächen.
Alles Volk in der Veste dem Feuer gab sie,
Die Högnis Schlächter und Gunnars aus dem Schwarzwald kehrten.
Die alten Säle sanken, die Schatzkammern rauchten,
Der Budlungen Bau; da brannten die Schildmägde
Um die Jugend betrogen jäh in heißer Glut.
Nicht ferner verfolg ichs; keine Frau wird nun
Die Brünne mehr tragen und die Brüder rächen.
Volkskönge drei hat die edle Frau
In den Tod gesandt eh sie selber erlag.
Ausführlicher ist dieß in dem grönländischen Atlamal erzählt.
Buchempfehlung
Glückseligkeit, Tugend und Gerechtigkeit sind die Gegenstände seines ethischen Hauptwerkes, das Aristoteles kurz vor seinem Tode abschließt.
228 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro