CLIII.

[200] 1. Ich gieng mir nechten abendt heraus,

den abendt aus spacieren,

ich solt wol zu der liebsten gan,

und mit jr collaviren,

Ich darff sie auch nit nennen,

thet ichs jr würdt sie kennen,

sie thet mich darum schelten.


2. Da ich wol für die fenster kam,

ich lies mein zitter schallen,

mir ward ein fenster auffgethan,

mein lieb thet mich ankallen,

Seit jr da allerliebster mein,

steht still ich wil euch lassen ein,

das thet jm wolgefallen.


3. Da ward ein thürlein auffgethan,

ich ward gar wol empfangen,

ich nam mein lieb wol in den arm,

nach jr thet mich verlangen,

Sie gab mir so manch freundlich wort,

ich habs mein tag nie besser gehort,

sie war die liebste auff erden.


4. Da war ein bancket zugericht,

da sassen wir dominieren,

mein lieb satzt sich da neben mich,

da sassen wir callaviren,[200]

Sie gab mir so manch freundlich wort,

ichs hab mein tag nie besser gehort,

sie ist mir die liebste auff erden.


5. Da was ein bethlein weis gespreit,

da giengen wir ligen rasten,

ich nam sie freundlich in den arm,

und trucket sie an mein brusten,

Ich truckt sie freundlich an mein brust,

das was meins hertzen grosse lust,

kein lieber sol mir werden.


6. Des morgens da der tag anbrach,

da gieng es an ein scheiden,

wir meinten es wer nur halb mitnacht,

da geschach uns viel zu leide,

Alde es mus gescheiden sein,

der kleffer bringt uns in schwere pein,

schöns lieb ich mus von hinnen.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 200-201.
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