CXCII.

[243] 1. Sehnlicher schmertz bekrenckt mein hertz,

und ist kein schertz,

darumb ich mich so hefftig klag,

Das mir mein glück setzt gegen strick[243]

durch sein bös tück,

in die leng ichs nit erdulden mag,

Wie mir geschicht, durch viel bößwicht,

wo ich hinkehr, schneid man mir ab mein weiblich ehr.


2. Ob mir mißling, und es mir gieng,

wie sich anfieng

der unfall mit Lucretia,

Wer wolt mir doch mit solchem rach

zu legen schmach,

wer ich die ander Porcia,

Wer gleich als gut, in stiller hut,

der ehr zu sein, als Julia und Dido die rein.


3. Doch hoff ich schier, es geschehe auch mir,

das frawen zier

erlöst werd, wie Susanne geschach,

Durch jhr unschuld und gros gedult,

durch Gottes huld

geschach den alten weh und ach,

Darumb hoff ich doch, die zeit kom noch,

zu seiner stat, das Gott mein nit vergessen hat.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 243-244.
Lizenz:
Kategorien: