CCL.

[359] 1. Gut gesell und du must wandern,

das megdlein liebt ein anderen,

die ich geliebet hab,

bey der ich bin schabab,

kan dirs nicht gnugsam klagen,

Mein schmertz, elend und pein,

jedoch ich hoff, es wird sich noch,

an jr selbst rechen fein.


2. Rewt mich allein mein junges blut,

welches nach jr verlangen thut,

das ich von jhr solt sein,

unglück kompt gar darein,

so mus ichs doch bekennen,

und solt ich sterben heint,[359]

ist gewißlich war, reds gantz und gar,

so bin ich jr noch nit feind.


3. Und das ich nimmer bin bey jr,

was hilfft sie dann die trewe von mir,

die ich stets zu jr trag,

wie klerlich ist am tag,

das ich bin gar verdrungen,

geschicht alls mir zu trutz,

so hoff ich doch, ich werde noch

haben den besten nutz.


4. Laß fahren was nicht bleiben wil,

es sind der mutter kinder viel,

ist mir eines beschert,

wenn das geschehen wird,

in rechten guten trewen,

nit wie ein falsches kind,

sondern gerecht, gantz unverschmecht,

ich mich zu jr verbind.


5. Bin gar schabab, das geschrey ich hab,

ein ander hat den nutz,

wie bin ich dann so bedrangt,

durch die untrew felschlich verlogen,

die nimmermehr solt sein, setz ich in leben mein

mein stetiglich vertrawen, setz ich nit inne sie,

sondern in Gott, der geehret hat,

offt unser beyder lieb.


6. Auch wie holdselig war die stund,

darin es gieng aus hertzen grund,

wie bald hat es sich verkehrt,

mich gar gröblich bethört,

ir unstetiges gemüt,

hinderlistige tück

sind offenbar, aber fürwar,

es ist mein grosses glück.


7. So hett ich all mein tag nicht glaubt,

wer gnug wenns jhrer vernunfft wer beraubt,[360]

das sie solt brüchig werden,

doch ich zuvor hett gern,

an manchem ort verborgen,

gegen unser freundschafft an,

nun aber das, das sie haben solt

nur einen alten man.


8. So rewt mich doch das megdlein,

dieweil es ist so zart und fein,

das sie jr junge tag

verzehren sol mit klag,

mit einem alten mann,

da kein freud an ist,

nur sawr sicht, und stetigs kriegt,

das jar nur einmal lacht.


9. Also mus ich mich scheiden hin,

wann ich gleich jetzund trawrig bin,

nach trübseliger zeit

kompt gern wider freud,

wenn Gott der herr lest scheinen

sein lieben sonnenschein,

in grünen wald, als dann komm bald

widerumb freud und wonne.


Nichts liebers auff dieser welt,

als schöne frawen und bars geld,

eine für eigen,

stetz ohn scheiden.

Ein für all,

die mir mein hertz erfrewen soll.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 359-361.
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