LXV.

[62] 1. Ach mutter liebste mutter mein,

sprach sich ein zartes jungfrewlein,

vor leid ich nit kan leben,

Wenn ich an die studenten gedencke,

jr schöne mein junges hertz bekrenckt,

jnen hab ich mich ergeben.


2. Die mutter sprach, ach töchterlein,

du solt derhalben nicht trawrig sein,

was sol dir ein studente,

Ich wil dir einen kauffman geben,

mit dem magstu in freuden leben,

die studenten sind ohn rendte.


3. Das megdlein sich nit lang bedacht,

bald sie wider zu der mutter sprach,

ewer rede bringt mir schmertzen,

Der kauffman solt mich mit frieden lan,[62]

ich wil und mus einen studenten han,

das rede ich euch von hertzen.


4. Ich achte keine reiche tag, oder viel geld,

der studente mir besser gefelt,

niemand sol mich abwenden,

Wol von der ehrlichen brüderschafft,

die allenthalben wird gros geacht,

in allen landen und stetten.


5. Ich bin nimmer gewesen hold,

einem pflastertreter oder trunkenbold,

der da nichts hat gelernet,

Er sol ein freyer studente sein,

dem wil ich vertrawen die ehre mein,

der da was hat gestudieret.


6. Der studenten weise gefelt mir wol,

denn sie sind aller ehren vol,

mit zucht sind sie gezieret,

Darneben sie viel tugent han,

manchfalt ubertrifft jre gestalt,

den ruhm mus man jn geben.


7. Ach wenn sie kommen spatzieren daher,

so leuchten sie als der morgenstern,

wem thun sie doch nit gefallen,

Wem ist nit lieb jr lauten schlan,

wenn sie daher modieren gan,

mit seytenspiel und schalle?


8. Den studenten geb ich allein den preis,

jnen singe ich lob mit allem fleis,

sie füren ein zartes leben,

Bey den studenten ist gut sein,

mit worten können sie schertzen fein,

lieblich und freundlich reden.


9. Alde kauffman zu guter nacht,

deiner bit man gar wenig acht,

meiner darffstu nit warten,

Frisch auff jr von der feder gut,[63]

nach euch steht all mein sinn und mut,

nach euch ich allzeit trachte.


10. Die uns dis liedlein new gesang,

eines goldschmids tochter ist sie genandt,

sie hats so wol gesungen.

Sie helt die studenten in grosser acht,

alle guten gesellen doch unveracht,

und ist jr wol gelungen.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 62-64.
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