LXXXVIII.

[87] 1. Mit lieb bin ich umbfangen,

hertz allerliebste mein,

Nach dir steht mein verlangen,

wenn es nur könt gesein.

Könt ich dein gunst erwerben,

kem ich aus grosser not,

viel lieber wolt ich sterben,

und wüntschen mir selber den todt.


2. Hertz lieb gedenck an die trewe,

die du mir verheissen hast,

Und las dichs nit gerewen,

stetigs ohn unterlas.

Dein trew hastu mir versprochen,

in rechter stetigkeit,

es bleibt selten ungerochen,

feins lieb nit von mir scheid.


3. Wie sol ich von dir lassen,

es kost mir meinen leib,

Darzu zwingt mich ohn massen,

das ich nit von dir scheid.

Deiner hab ich mich ergeben

in rechter stetigkeit,

dieweil ich hab das leben,

hertzlieb vergis nit mein.


4. Junger geselle las dein werben,

du erwirbest meiner nit,

Woltestu gleich darumb sterben,

es ist vergebens gewis,

Hastu mich lieb im hertzen,

da weis ich wenig umb,

es ist fürwar mein schertzen,

las ab es ist umb sunst.


5. Amarosa Violena,

hast mir mein hertz verwund,[88]

Mein hertz geb ich dir zu eigen,

es trawret zu aller stund.

Kem ich aus deinen augen,

ich keme aus deinem sinn,

dein untrew hab ich gespüret,

und bins geworden in.


6. Alde feins lieb zu guter nacht,

nun spar dich Gott gesund,

Das megdlein sich gar bald bedacht,

küst jhn auff seinen mund.

Und mustu von mir scheiden,

thut mir im hertzen wehe,

vor leid so mus ich sterben,

und ist mir doch nit wehe.


7. Ach Gott wem sol ichs klagen,

das ich kein trost mehr hab.

Mein hertz wil mir verzagen,

und kan nit lassen ab.

Von der ich bin betrogen,

die ich mit trewen meint,

ein ander hat sie erkoren,

und ist mir worden feind.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 87-89.
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