XCIII.

[94] 1. Ein fauler baum, der verholen steht,

so ferrn auff grüner awen,

Den ich wol weis, da weren wir wol,

bei einer schönen frawen.

Den kloben hat sie auffgestelt,

sam wolt sie vögelein fangen,

da stundt mein feines lieb bracht mich in grosses leid,

das narrenseil hat sie mir angeleit,

sie meint ich solt daran hangen,

sie hett mich schier gefangen.


2. Ir mündlein rot, jr schwartz braun äugelein klar,

haben mich zu ihr bezwungen,

Die schweren seckel hat sie wunderlieb,

ein ander hat mich verdrungen.

Damascensch hauben stehn jhr wol an,[94]

sie tregt keine schlechte kleider,

mit malvasier wil sie gesalbet sein,

ich förcht ich mus schabab sein,

in lieb und auch in leide,

mus ich mich von jr scheiden.


3. So ist es doch ein altes sprichwort war,

das kauffleut nit gerne verderben,

Die agelester lest von jrem hupffen nit,

und solt sie darumb sterben.

Darumm macht mir mein feines lieb des narrenspiels so viel,

aus jrem falschen hertzen,

und wenn ich meine ich hab mein lieb allein,

so hat es ein ander mit jhr gemein,

krenckt mir mein junges hertz,

und bringt mir heimlichen schmertzen.


4. Dis liedlein das ist gesungen schon,

von einer schönen frawen,

Und welcher freyer schlemmer,

der heimlich bulen wil,

der darff nicht viel vertrawen.

Denn frawen list, verborgen ist,

sie seind freundlich im hertzen,

sie können weinen, lechlen,

pinckeln wenn sie wöllen,

und schiessen gar höfflich nach dem ziel,

auff beyden achseln tragen,

lauff narr sie wird dich jagen.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 94-95.
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