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Wie Doct. Faustus in das Gestirn hinauff gefahren.

[54] Diese Geschicht hat man auch bey jm funden, so mit seiner eygen Handt concipiert vnd auffgezeichnet worden, welches er seinem guten Gesellen einem Jonæ Victori, Medico zu Leiptzig, zugeschrieben, welches schreibens Innhalt war, wie folgt:

Insonders lieber Herr vnd Bruder, Ich weiß mich noch, deßgleichen jr auch, zu erjnnern vnsers Schulgangs von Jugendt auff, da wir zu Wittenberg mit einander Studierten, vnnd jhr euch anfänglich der Medicinæ, Astronomiæ, Astrologiæ, Geometriæ beflissen, wie jhr dann auch ein guter Physicus seydt, Ich aber euch vngleich war, vnd wie jhr wol wißt, Theologiam studierte, so bin ich euch doch in dieser Kunst noch gleich worden, demnach jr mich etlicher sachen vmb Bericht rahts gefragt. Dieweil ich nun, wie auß ewerm schreiben zur Dancksagung vernommen, nie nichts hab geweigert, noch zu[54] berichten versagt, bin ich dessen noch vrbietig, sollet mich auch allzeit also finden vnd heimsuchen, Ewers Ruhms vnd Lobs, so jr mir zumeßt vnd gebt, thu ich mich gleichsfalls bedancken, nemlich daß mein Calender vnd Practicken so weit in das Lob kommen, daß nit geringe Priuat Personen, oder gemeine Bürgerschafft, sondern Fůrsten, Graffen vnd Herren meiner Practica nachfragen, dieweil alles, was ich gesetzt vnd schreiben meldet jhr auch bittweiß von meiner Himmelfart vnter das Gestirn, so jr, wie jr mir zuschreibt erfaren, euch zuberichten, ob jm also seye oder nicht, vnd euch solchs gantz vnmöglich dünckt, so es doch einmal geschehen ist. Ihr auch dabey setzet, es müsse etwan durch den Teuffel oder Zäuberey geschehen seyn. Ja wett Fritz: Es sey jhm aber wie jhm wölle, ist es endlich geschehen, vnd solcher gestalt, wie ich euch auff ewer bitt nachfolgends berichte.

Als ich einmal nit schlaffen kondte, vnd daneben an meine Calender vnd Practica gedachte, wie doch das Firmament am Himel qualificiert vnd beschaffen were, daß der Mensch oder die Physici solches hierunten abnemmen könten, ob sie gleich solchs nicht sichtbarlich, sonder nach gutdüncken, vnd den Büchern oder den opinionibus, disponiern vnd erforschen köndten. Sihe, so hört ich ein vngestümb brausen vnd Wind meinem Hauß zugehen, der mein Laden vnd Kammerthůr alles auffschlug, darob ich nit ein wenig erschrack. In dem höret ich eine brüllende Stimm, die sagt: Wolauff, deins Hertzen Lust, Sinn vnd Begierligkeit wirstu sehen25. Darauff sagt ich: Wann diß zusehen ist, so ich erst gedacht, vnd dißmal mein gröste begierde ist, so wil ich mit. Er antwort wider, so schawe zum Laden herauß, so wirstu die Fuhr sehen. Das thät ich, vnd sahe ein Wagen mit zweyen Drachen herab fliegen, der war Hellischer Flammenweiß zu sehen. Als aber der Mond dasselbige mal am Himmel schiene, besahe ich auch meine Rossz vnd[55] Wagen. Diese Würme waren an Flügeln braun vnd schwartz, mit weiß gesprengteten tüpssien, der Rück auch also, der Bauch, kopff vnd halß grünlecht, gelb vnd weiß gesprengt. Die Stimm schrey wider, so sitz auff vnd wandere. Ich sagt, Ich wil dir folgen, doch daß ich alle Vmbstände fragen dörffe. Ja, antwort die Stimm, es sey dir dißmal erläubt. Darauff stiege ich auff den Kammerladen, sprang auff meine Kutschen, vnd fuhr davon. Die fliegende Drachen führten mich empor, der Wagen hatt auch 4 Räder, vnd rauschten, als wenn ich auff dem Lande führe, doch gaben die Räder im vmbher lauffen jmmer Fewrstromen, vnd je höher ich kame, je finsterer die Welt war, vnnd gedauchte mich nicht anders, als wenn ich vom hellen Sonnentag in ein finsters Loch führe. Sahe also vom Himmel herab in die Welt. In solchem fahren rauschte mein Geist vnnd Diener daher, vnnd sitzt zu mir auff den Wagen. Ich sagte zu jm: Mein Mephostophiles, wo muß ich nu hinauß? Das laß dich nicht jrren, sprach er, vnnd fuhre also noch höher hinauss. Nu wil ich euch erzehlen, was ich gesehen hab, Dann am Dinstag fuhr ich auß, vnnd kam am Dinstag wider zu Hauß, das waren acht Tag, darinnen thät ich nie kein Schlaff, war auch kein Schlaff in mir, vnnd fuhr gantz vnsichtbar. Als es nu am Morgens früh am Tag vnnd hell wardt, sagt ich zu meinem Geist Mephostophili: Lieber, wie weit seyn wir schon gefahren, daß kanstu wissen? Dann ich wol an der Welt abnemmen kan, daß ich diese Nacht zimlich gefahren hab, auch so lang ich aussen war, keinen Durst noch Hunger gehabt. Mephostophiles sagt: Mein Fauste, glaub mir, daß du bißhero schon 47. Meilen in die Höhe gefahren bist. Darnach sahe ich am Tag herab auff die Welt, da sahe ich viel Königreich, Fürstenthumb vnnd Wasser, also daß ich die gantze Welt, Asiam, Aphricam vnnd Europam, gnugsam sehen kondte. Vnnd in solcher Höhe sagt ich zu meinem Diener, So weise vnd zeige mir nu an, wie diß vnd das Land vnd Reich genennet werde. Das thät er, vnnd sprach: Sihe, diß auff der lincken Hand ist das Vngerlandt. Item, diß ist Preussen, dort schlimbs ist[56] Sicilia, Polen, Dennmarck, Italia, Teutschland. Aber Morgen wirstu sehen Asiam, Aphricam, Item, Persiam vnd Tartarey, Indiam, Arabiam. Vnd weil der Wind hinder sich schlägt, so sehen wir jetzund Pommern, Reussen vnd Preussen, deßgleichen Polen, Teutschlandt, Vngern vnd Osterreich. Am dritten Tag sahe ich in die grosse vnnd kleine Türckey, Persiam, Indiam vnd Aphricam, Vor mir sahe ich Constantinopel, vnd im Persischen vnnd Constantinopolitanischen Meer sahe ich viel Schiff vnd Kriegßheer hin vnnd wider schweben vnd fahren, Es war mir aber Constantinopel anzusehen, als wenn kaum drey Häuser da weren, vnd die Menschen als einer Spannen lang. Ich fuhr im Julio auß, war gar Warm, warff auch mein Gesicht jetzt hier, jetzt dorthin, gegen Auffgang, Mittag, Nidergang vnd Mittnacht, da es dann an einem ort Regnete, an dem andern Donnerte, hie schlug der Hagel, am andern Ort war es schön, sahe auch endtlich alle ding, die gemeiniglich in der Welt sich zutrugen. Als ich nun 8. Tage in der Höhe war, sahe ich hinauff von ferrne, daß der Himmel so schnell fuhr vnd wältzte, als wenn er in tausend Stücken zerspringen, oder die Welt zerbrechen wolte. So war der Himmel so hell, daß ich nit weiters hinauff sehen konnte, vnd so hitzig, wann mein Diener keine Lufft gemacht hette, daß ich verbrennen můssen. Das Gewnicke, so wir vnten in der Welt gesehen, ist so fest vnd dick, wie eine Mawer vnnd Felsen, klar wie ein Cristall, vnd der Regen, so darvon kompt, biß er auff die Erden fället, so klar, daß man sich darinnen ersehen kan. So bewegt sich das Gewülck am Himmel so kräfftig, daß es jmmer laufft, von Osten biß gen Westen, nimpt das Gestirn, Sonn vnd Mond mit sich. Daher (wie wir sehen) kompt, daß sie vom Auffgang zum Nidergang laufft, vnnd gedauchte mich, die Sonne bey vns were kaum eines Faßbodems groß, Sie war aber grösser dann die gantze Welt, dann[57] ich kondte kein End daran sehen. So muß der Mond zu Nacht, wenn die Sonne vntergehet, das Liecht darvon empfangen, darumb scheint er zu Nacht so hell, wie es auch am Himmel hell ist, Vnnd also zu Nacht der Tag am Himmel, vnnd auff Erden finster vnd Nacht ist. Ich sahe also mehr dann ich begerte. Der Stern einer war grösser dann die halbe Welt, Ein Planet so groß als die Welt, vnd wo der Lufft war, da waren die Geister vnter dem Himmel. Im herab fahren sahe ich auff die Welt, die war wie der Dotter im Ey, vnd gedauchte mich die Welt were nicht einer Spannen lang, vnd das Wasser war zwey mal breiter anzusehen. Also am 8. Tag zu Nachts kam ich wider zu hauß, vnd schlieff drey Tag nach einander, richtet hernach alle meine Calender vnd Practica darnach. Diß hab ich euch, auff ewer begeren, nicht wöllen verhalten, vnnd besehet also euwer Büchere, ob meinem Gesicht nach diesem nicht also seye. Vnd seyt von mir freundlich gegrüsset.


Doctor Faustus der

Gestirnseher.

Quelle:
Historia von D. Johann Fausten. In: Das Volksbuch vom Doctor Faust. Halle a.d.S. 21911, S. 54-58.
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