III

[80] Die verkappte Fredegunde erzählt Monika ihr Leben.


Ich bin der jüngste von zwei Brüdern und drei Schwestern. Von Jugend auf hatte ich einen starken Hang zur Einsamkeit, und gewisse Gefühle, die in der ersten Lebensblüte am stärksten sich mitzuteilen pflegen, umfingen meine Phantasie mit immer neuen Bildern und Gegenständen.

Mein Vater verwaltete in der Nähe von Rennes, von den weitläufigen Besitzungen des Fräuleins von Sarange, einer der ersten Erbinnen in dortiger Gegend, die Meierei Travemorte.

Ein starker Wiesenbau, etliche Kleefelder und auch etwas Obstbaumzucht beschäftigten uns alle jahraus,[81] jahrein, und unsere Kirschen erhielten fleißig Zuspruch aus dem benachbarten Rennes.

Mein Bruder lief in seinem zwölften Jahre auf und davon, weil ihm mein Vater einmal, im Beisein der Schwestern und ein paar alten Weibern, den bloßen Hintern gehauen hatte; und ich habe seitdem nichts mehr von ihm gehört.

Meine älteste Schwester kam zu einem reichen Geistlichen in die Stadt und besuchte uns öfters zur Kirschenzeit.

Ich und Manon und Madelaine blieben bei den Eltern.

Meine Schwestern waren alle schön, aber ihre Schönheit rührte mich nicht. Ich habe sie nackend gesehen, habe ihnen allen in unseren leichtfertigen Spielen auf die geilste Weise Röcke und Hemd aufgehoben, nie aber mich gereizt gefühlt. Die Bande des Blutes hatten ihre kalte Gewöhnlichkeit über ihre Reize ausgegossen, und kein aufgeschlossener Sinn war fähig diese zu vertreiben.

Was mir an meinen Schwestern entging, empfing ich doppelt von jedem weiblichen Wesen, das sich mir näherte; und ich würde nicht fertig, wenn ich dir alle die kleinen Anekdoten aus dem Reiche der Sinnlichkeit mitteilen wollte, von denen ich selbst der Held war.

In meinem dreizehnten Jahre, es war um die Heuernte, sandte mich mein Vater mit einer ansehnlichen Summe Pachtzins nach Rennes zu dem Fräulein von Sarange, von der es hieß, daß sie eine Braut sei. Unweit Vitry in einem angenehmen Tale, das mit Erlen und Buchen prangte, fand ich ein allerliebstes Mädchen im Gras liegen und schlafen. Ein großer Strohhut lag über dem Gesicht, und eine Bewegung im Schlaf hatte ihr linkes Knie bis über das graue Strumpfband entblößt.[82] Der Anblick goß ein elektrisches Feuer durch alle meine Adern, und der Stammhalter meiner Kraft stand schon gerüstet zum Streit, ehe er noch den Kampfplatz erblickte.

Hier, Camille! sagte ich zu mir selbst, hier mußt du dein erstes Abenteuer bestehen, und ohne mich lange zu besinnen, bückte ich mich und sah der artigen Cephise unter das kurze Röckchen; das neidische Hemdchen hatte die prallen Schenkel bedeckt, und was ich sehen wollte, verriet sich kaum durch eine kleine Bewegung, welche die Schläferin machte. Ich fuhr ihr mit der Hand unters Hemd, und ein leises Zucken zwischen den Lenden munterte mich auf zum Siege. Bedächtig hob ich die kleinen Füßchen hoch in die Höh' und erblickte zwischen den niedlichen Hinterbacken den schönsten Rosenschmetterling (Lithosia rosea), den je meine wollüstige Phantasie gehascht.

Noch denke ich mit Entzücken an die erste, vollständige Lust meines sinnlichen Lebens. Ich zog mein Sacktuch heraus, breitete es über die vom Zephir bewegte Leinwand, legte bedächtig die zarten Fleischpartien ausgespreitet nieder, deckte die noch immer Schlafende bis über den Nabel auf und vollendete mein Werk ohne die geringste Schwierigkeit.

Nun erst erwachte die Heuchlerin und fing so beweglich an zu weinen und sich zu gebärden, daß ich in der Angst meines Herzens keinen anderen Trost für sie wußte, als meinen Gürtel zu öffnen und ihr ein paar Goldstücke von dem Pachtzins in den Schoß zu werfen. Das schien ihre Tränen zu stillen.

Ich bat, mir noch einmal den Anblick ihrer Reize zu gönnen und mir zu erlauben, ihren Schmetterling auch von hinten zu haschen, und ohne ihre Antwort abzuwarten, hob ich ihre Kleider auf, legte sie auf den Bauch, spreitete ihre Schenkel voneinander und hatte,[83] was Mutter Natur allein lehrt, diesmal so gut begriffen, daß das Mädchen keine Silbe davon verlor und in aufgelöstem Entzücken der Empfindung tiefste Sprache stöhnte.

Ich fragte nach dem Namen meiner Kleinen und erfuhr, daß sie Fanchon hieße, von Vitry sei und ihre Base besuchen wollte, die noch eine Stunde von der Stelle, wo ich sie antraf, entfernt bei einer adeligen Witwe sich aufhalte. Ich küßte sie noch einmal, deckte sie noch einmal auf und versprach, sie bei meiner Zurückkunft heimzusuchen; sie sagte mir die Wohnung ihrer Eltern und ich sollte einen Vorwand ansinnen, der mich bei ihnen ohne Verdacht einführen könne.

Was wirst du nun anfangen, Camill', sagte ich zu mir selbst, als ich meinen Weg fortsetzte und im Andenken an meine Freigebigkeit das Unheil überschaute, das ich mir dadurch auf den Hals gezogen hatte.

Nach langem Hin- und Hersinnen fiel mir ein, die Naht meines Gurtes aufzutrennen, einige Goldstücke in meine Hosen fallen zu lassen und so, verwahrt vor allem bösen Verdacht, in voller Unschuld bei Fräulein Sarange Rechenschaft abzulegen. Beim Anblick der Türme von Rennes pochte mein Herz hörbar über dem unschuldigen Corpus delicti; je näher ich aber der Stadt kam, desto freier atmete ich, und als ich die steinerne Stiege des Fräuleins betrat, fehlte meinem Mute weiter nichts als die Dreistigkeit des Lügners, mit der er seine eigene Lüge für die Wahrheit zu halten genötigt wird.

Auf der ersten Etage erblickte ich keine Seele. Ein Korridor zeigte sich meinen Augen mit einer langen Reihe von Zimmern. Ich ging von Tür zu Tür und – lauschte durchs Schlüsselloch. Leere, nur mit Möbeln angefüllte Zimmer, nirgends einer oder eine der Bewohner zu erblicken. Seltsame Leute, die Vornehmen,[84] sie sind nirgends zu Hause, nicht einmal in ihrem eigenen! Endlich kam ich an eine offene Tür und, da ich mich hier nicht gut durch das Schlüsselloch unterrichten konnte, auch zu viel Lebensart besaß, als unangemeldet mich einzuführen, so klopfte ich bescheiden an. Kein: Herein! kein: Wer ist da! Ich wiederholte. Nichts zu hören, nichts zu sehen! Nun verging mir die Geduld, ich drückte die Tür auf und trat ein. Es war ein Vorzimmer. Die nächste Tür, die ich erblickte, stand ganz auf. Ohne weitere Umstände trat ich ein. Ich sah mich in einem prächtigen Zimmer, eine Reihe Gemälde beseelte auf einige Zeit meine Aufmerksamkeit; endlich war mir's, als hörte ich im Nebenzimmer ein Geräusch; ich klopfte an, öffne, da mir niemand antworten will; es war ein Schlafkabinett. Glänzenderes und Herrlicheres hatte ich noch nie gesehen. Susanne und Potiphar zeigten sich in ihrer Blöße zwischen kristallenen Spiegeln; die geile Margarethe von Anjou unter den gaulischen Stößen ihres Leibkutschers; und die ehrbare und begeisterte Jeanne d'Arc unter der grauen Standarte des feurigen Esels nach Auflösung schmachtend – zierten die Seiten eines damastenen Himmelbettes. Die holdselige Johanna besonders hatte ihre prallen Schenkel so weit voneinander gespreitet, daß die ganze Regentschaft des Tartarus auf dem starren Eselsschwanze, eine Hauskapelle des H. Dionys obendrein im muskulösen Bauche Platz gefunden haben würde.

Ich konnte den Anblick nicht aushalten; schnell hatte ich meinen Minos aus meinen Beinkleidern gezogen und wollte eben tun, was schon Onan im ersten Buche Mosis aus Bosheit getan hatte, als ich Stimmen hörte. Hier mich sehen zu lassen war gar nicht meine Absicht, also faßte ich kurzen Entschluß und kroch unters Bett, immer meinen Tröster in der Hand haltend, der[85] seine poetische Gestalt nicht ohne einen stattlichen Reim verlassen wollte.

Kaum lag ich, so trat Fräulein von Sarange am Arm eines Domherrn ein.

»Also, meine süße Beaujeu«, fing der Domherr an, »sollen wir armen Sklaven Ihrer verderblichen Reize dem Schicksale des Tantalus entgegen sehen.«

»Kann ich anders?« versetzte das Fräulein. »Ich bin nicht gerade in dem kritischen Fall, in welchem einst die Braut Maximilians, Anna von Bretagne, sich befand, als sie die Gemahlin Karl des Achten wurde; ich würde den meinigen besser zu lösen wissen.«

»Die Kirche hat nähere Rechte an eine natürliche Heilige, wie Sie sind, meine reizende Aurelie als Sanchez und Offranville«, widersprach der Domherr. »Und sehen Sie selbst« – hier öffnete er seine Beinkleider und zog den einzigen wahren Schlüssel der Kirche hervor –, »können Sie dem Unvergleichlichen dieser Kraft wohl etwas entgegensetzen, das es herabwürdigte unter das Profane des gemeinen Lebens?«

»Vergandin!« versetzte Aurelie, und ihre Augen funkelten: »Sie wissen, daß ich mich nicht bestimmen lasse, weder vom Staat noch von der Kirche; von meiner Liebe selbst nicht, wenn ich nicht will. Aber ich liebe Euch beide, und das, was mich einzig in Unruhe setzt, ist die Unentschlossenheit, welchem unter Euch beiden ich mich ganz zu widmen habe, ohne den anderen zu verlieren. Offranville hat das Recht, Vergandin die Natur auf seiner Seite, der Staat organisiert die Körper. Sie, Vergandin, sind Maltheser und Domherr, folglich verloren für das Band der Ehe, Offranville Soldat und Staatsdiener und als solcher ...«

»Halte là! Ma chère«, fiel der Domherr ein und faßte seinen Sprengel: »Sie sind die verlobte Braut der Kirche.«[86]

»Bin ich das?« entgegnete Aurelie. »So beweisen Sie mir Ihre Rechte hier gleich auf der Stelle an diesem Betstuhl. Disziplin, sagten Sie mir mehr als einmal, ist die Seele der Kirche, noch bin ich eine Jungfrau und unentweiht, wie es mein Wille bisher von mir forderte, und dieser Wille ist es auch, der mich Euch näher bringt als Offranville. Ich stehe in Briefwechsel mit der Äbtissin der Clarisserinnen in B., sie ist meine Freundin und wer weiß, was ich tue, wenn ich einmal zwischen Euch entschieden habe. Geschwind, versuchen Sie einmal die Strenge Ihrer Überredungskraft an meinem Leibe, und ob es leicht ist, mich zu besiegen, wie Sie wähnen.«

Hier warf Aurelie Vergandin eine dicke Rute, die unter dem Betstuhl lag, entgegen und kniete vor ihm nieder. Vergandin hob ihr, ohne ein Wort zu sagen, die Röcke auf, legte sie ihr über den Rücken, hielt ihr das Hemd in die Höhe und fing an, sie zu peitschen. Aurelie streckte den reizenden, schneeweißen Hintern dem strengen Werkzeuge der Zucht entgegen und gab nicht einen Laut von sich. Ich verlor beim Anblick dieser himmlischen Reize beinahe alles Bewußtsein, und der Teufel selbst muß unter den Fesseln des Erzengels seine Vernichtung nicht stärker gefühlt haben als ich in diesem berauschenden Anblick.

Kaum aber hatte Vergandin kräftig einige Dutzend Hiebe auf diese fleischerne Tafel des Gesetzes eingegraben, so unterbrach ein lautes »Ha!« die laszive Exekution, und ein blanker Degen blitzte an der Tür des Kabinetts.

Ein Offizier, wie ich nachher erfuhr, vom Regiment Penthiêvre, stand mit flammendem Gesicht der kirchlichen Gewalt gegenüber.

»Ah, bienvenu, Offranville!« rief ihm Aurelie entgegen, sprang auf, und der Domherr nahm die eine[87] Rute unter den Arm und verbarg die andere unter sein schwarzes Gewand.

»Vous m'avez vaincu«, fuhr Offranville gegen den Domherrn fort. »Sie haben gesiegt, denn noch habe ich Aurelies Busen kaum zur Hälfte erblickt, und Sie« – hier ging Offranville auf Vergandin zu –, »Sie sind in meiner Gewalt, ich könnte Sie hier an diese Wand spießen, allein Sie sind ein Nebenbuhler, der nach Recht und Gewissen behandelt zu werden verdient – und sind Maltheser. Erwarten Sie mich also diesen Abend vor dem Tor.«

»Nein, Offranville«, versetzte jener, »im Chor der P.-Kirche, diesen Abend zwischen sieben und acht.«

»Auch gut, als Maltheser aber.«

»Ja!«

Aurelie nahm jetzt Offranville bei der Hand, führte ihn zu einem Sitz und setzte sich zwischen ihn und den Domherrn. Nachdem sie beide einige Augenblicke fixiert hatte, wand sie mit sanfter Gewalt Offranville den Degen aus der Hand, steckte ihn ein und fing an zu erzählen.

»Offranville«, sagte sie, »ich will Ihnen etwas erzählen, um Ihnen einen Beweis zu geben, daß ich den despotischen Charakter jener Leute, die vom Ruhme leben, mehr denn zu genau kenne, als daß ich mich einem unter ihnen blindlings zu unterwerfen vermöchte. Hören Sie denn: Der türkische Kaiser Mahomed der II., ein junger furchtbarer Held, faßte den Entschluß, ein Welteroberer wie Alexander der Große zu werden. Schon hatten seine Waffen sich das orientalische Kaisertum unterworfen, und nichts vermochte ihn in seinen weiteren Siegen zu unterbrechen als – zügellose Wollust. Irene, eine schöne Griechin, fesselte ihn an ihren häuslichen Schoß, und entnervt und entmannt von allem kriegerischen Mut lag der Held Asiens vergraben[88] in der Fülle ihrer Reize. Sein Großvezier Mustapha Pascha unterstand sich, ihm deswegen Vorwürfe zu machen. ›Ich vergebe dir deine Verwegenheit‹ sagte der Sultan. Versammele die Janitscharen morgenden Tages auf dem Exerzierplatze. Dieses angeordnet, erwies Mahomed seiner über alles geliebten Irene noch einmal die zärtlichsten Liebkosungen und befahl ihr dann, am Morgen in ihrem köstlichsten Schmuck zu erscheinen. Irene gehorchte, und Mahomed führte sie auf den Exerzierplatz, wo der Kern seiner Truppen sich versammelt sah. Alles erstaunte beim Anblick von Irenes Schönheit, und alles huldigte ihr. ›Soldaten!‹ sagte Mahomed, ›ich wollte euch selbst urteilen lassen, ob die Natur je ein vollkommeneres Werk hervorbringen kann als dieses hier.‹ ›Nein! Nein!‹ riefen die vorher erbitterten Soldaten. ›Es lebe Irene! Hoch lebe ihr glücklicher Gemahl!‹ ›Nun denn‹, fuhr der Kaiser zu den um ihn gruppierten Generalen und Paschas fort, ›so wie Ihr, dachte ich auch, ungeachtet der Ruhm das höchste Ziel aller meiner Wünsche war. Nun aber, da ich jetzt höre, daß Ihr meine Liebe tadelt, denke ich wieder wie ehedem, und ich will euch zeigen, daß ich nicht nur Herr über die ganze Welt bin, sondern auch über mich selbst.‹ Und hier zog er sein Schwert, ergriff mit kalter Grausamkeit das lange Haar der Irene und trennte mit einem Streich ihr schönes Haupt von dem reizenden Leibe.«

»Diable, c'est bien vrai«, schrie Offranville, als Aurelie geendet hatte, und sprang auf, »Mais ...«

»Keine Widerrede!« versetzte Aurelie und sprang auch auf. »Sie werden mich verstehen und werden es fühlen, was ich an Ihrer Seite zu fürchten habe.«

»Aurelie«, murrte Offranville, »du liebst den Domherrn mehr als mich, den du hast ihm einen Teil deiner Reize enthüllt.«[89]

»Offranville, ich liebe dich wie den Domherrn, denn ich enthülle dir hiermit einen anderen Teil meiner Reize, den bis auf diese Gegenwart noch niemand gesehen hat außer mir selbst.«

Hier führte Aurelie Offranville an das Bett, unter dem ich vernichtet lag, wandte dem Domherrn den Rücken und deckte sich bis an den Gürtel auf.

»Ha!« schrie in entnervtem Entzücken Offranville, zog seinen Degen und hielt ihn an den geheimnisvollen Eingang der Lust. »Teufel!« lallte er. »Teufel! Reizender aller englischen, eingefleischten Teufel! Soll ich?«

»Armer Wicht!« rief Aurelie, gab Offranville einen Stoß und – auf dem Boden lag der starke Held, in halber Ohnmacht, als hätte der Schlag ihn gerührt ob dem Anblick von Aurelies entblößten Reizen. Diese ließ ihre Kleider fallen, half ihm auf die Füße und sagte: »Vergandin! Offranville! Laßt euren Streit beruhen bis auf Maria Magdalenentag; dann entscheidet ihn in meiner Gegenwart.«

»Gut«, brummte Offranville, »und wo?«

»Im Kreuzgang der P ...«

»Sie sind ein Engel, Aurelie!« rief Vergandin und küßte ihr die Hand. Offranville entblößte ihr den Busen und drückte einen langen Kuß auf die beiden Brüste.

Aurelie bat jetzt die beiden von ihren Reizen Berauschten, sie zu verlassen, und Arm in Arm gehorchten sie dem Befehl ihrer Gebieterin.

Einem Bezauberten gleich lag ich während dieser imposanten Szene unter meinem Bette; unfähig, mich zu rühren, hatte die Agonie der Lust mich in den Schwindel eines Champagner-Rausches versenkt.

Kaum waren die beiden seltsamen Liebhaber weg, so lag auch das noch seltsamere Fräulein von Sarange,[90] getrieben vom Stachel verhaltener Begierden, mit aufgehobenen Röcken und Hemd, mit weit voneinander gespreiteten Lenden auf dem Sofa und bewies sich die Vorzüglichkeit alles irdischen Vergnügens mit ihren reizenden Fingern so unwiderlegbar, daß das Sofa, wie von Crébillon gefüttert, sich zu bewegen anfing, und der ganze über alle Beschreibung reizende Akt so heftig auf mich wirkte, daß ich, wahnsinnig aus meiner Spelunke hervorgerissen, mit herabgelassenen Beinkleidern der eben agonisierenden Aurelie wie ein Meteorstein vor die zuckenden Lenden und Füße niederfiel.

Ein lauter Schrei, der geile Krampf ihrer Schenkel, das Überströmen ihrer Liebesmuschel, eine erstarrende Ohnmächtigkeit löste sich in meiner Erscheinung, in meinem Hintreten wie Sturm und Gewitter in einem Platzregen auf.

Aurelies Augen waren wollüstig geschlossen, die meinigen starrten auf ihre herrlichen Reize; ich weidete mich wie ein Lämmchen auf des Lebens schönsten Auen und ...

»O! ich bitte dich, Liebe, decke dich auf«, bat mich jetzt Fredegunde. Ich gehorchte, und der Schalk öffnete seine reizenden Lippen, umfaßte damit den krausen Haarschmuck meiner Empfindsamen und sagte, angefüllt mit dem Balsam der cyprischen Göttin:

»So würde ich auf dem zauberischen Anger des Fräuleins von Sarange ins Gras gebissen haben, wenn noch irgendeine Kraft in mir gewesen wäre, meinen niedergeschmetterten Körper zu erheben.«

Aurelie erwachte aus ihrem süßen Vergessen, blickte mich starr mit ihren zarten Augen an, setzte ihren linken Fuß nebst seiner alabasternen Säule auf den Boden, erhob sich und trat, indem die Gardinen des himmlischen Theaters niederfielen, rasch zu mir hin.[91]

»Comment, Drêlesse!« fing sie zürnend zu mir an und hob mich in die Höhe. »Que veut-on dire avec cette masquerade? In männlicher Kleidung, unter meinem Bette?« Ohne ein Wort weiter zu meiner Verständigung hinzuzufügen, ergriff sie die Klingel und schellte.

Clementine, ihr Kammermädchen, die ich kannte, trat ein.

»Sieh her! Clemence!« rief Aurelie ihr entgegen, »Fredegunde ist verrückt geworden.« Mit diesen Worten nahm sie einen Stuhl und befahl Clementine, mich über ihn zu legen.

Clementine gehorchte stillschweigend. Wie ein Bündel Wäsche ergriff die Hexe mich, und ehe ich noch wußte, wie mir geschah, lag ich mit aufgehobenem Hemd, wie ich sollte; Clementine hielt mich fest, dem Huhn, das eben zum letztenmal sein Gare à vous! gekräht hat, ähnlich, und Aurelie ließ ihre zarte Hand so derb auf die südliche und nördliche Halbkugel meines rustiken Fleisches fallen, daß ich laut aufschrie.

Während der Exekution bewegte ich mich so heftig, daß mein Gurt aufging und die schönen Dukaten den Teppich des glatten Bodens übersäten. »Was ist das, Fredegunde?« schrie Aurelie beim Anblick des Geldes.

»Verräterin, du hast entfliehen wollen! Sieh, Clementine, das sind alles Proben meiner Gütigkeit! Die Unverschämte, fort hat sie laufen wollen, und mich verraten. Ha, das verdient Strafe!« Und nun wurde die Züchtigung so hart wiederholt, daß mein armer Hinterbacken brannte wie die Schmiedeesse Vulkans.

»Clemence!« fuhr Aurelie fort, »die Dukaten sind dein, und diese Spitzbübin da nimm mit dir ins grüne Zimmer und peitsche sie so lange mit Ruten, bis sie gesteht, was sie anfangen wollte.«

Clementine hob mich auf und riß mich mit sich fort.[92]

»Wo ist Eugenie?« (Das war die Nichte Aurelies), fragte jene noch.

»Sie wird im Bad sein«, versetzte Clementine.

Aurelie befahl mir, das weiße Negligé von Eugenie anzuziehen, vorher aber, so wie diese das Bad verlassen hätte, mich hineinzuwerfen; mit dem Geständnis hätte es noch Zeit.

Clementine befahl mir zu folgen, kaum konnte ich mit der einen Hand die Beinkleider halten, es war ein besonderer Auftritt.

Wir gingen durch eine lange Reihe von Zimmern nach einem verschlossenen Vorsaal.

Clementine klopfte an. »Sind Sie fertig, Mademoiselle?« rief sie, und eine Silberstimme antwortete: »Ich komme augenblicklich.« Auch war dieses kaum ausgesprochen, als schon die Tür sich öffnete, und ein holdes Geschöpf uns entgegenschwebte. Clementine lachte, winkte mit den Augen und sagte Eugenie, das wäre die Landläuferin Fredegunde, die sie in das von ihr verlassene Bad führen sollte. Eugenie lächelte, öffnete ihr Busentuch, sah in den weißen Schnee der jungfräulichen Brüste hinein, als wollte sie ihr Herz ergründen und lispelte: »Gnädige Tante haben doch wunderbare Einfälle, man muß gestehen, sie ist die einzige ihrer Art.« Hierauf verließ sie uns, und in zwei Minuten lag ich mutternackend im Bade, in dem nämlichen Wasser, das noch vor wenigen Augenblicken den zarten Leib der reizenden Eugenie umschlungen hatte.

Ich schwamm in einem Meer von Seligkeiten, und während mich Clementine mit köstlicher Seife rieb, besonders lange auf meinen derben Hinterbacken verweilte, dachte ich an den jugendlichen Busen Eugenies und bedeckte ihn mit tausend Küssen.

Bald stand ich, schöner als Loredanos Adam, vor der blinzelnden Clementine.[93]

Sie drückte mir einen brennenden Kuß auf den Teil meines Leibes, der jetzt, aller seiner Spannkraft beraubt, kaum eines Feigenblattes bedurfte, um seine sündige, zu Empörungen geneigte Natur zu verbergen, zog mir das Hemd, das Eugenie abgelegt hatte nebst einem weißen Negligé an und führte mich nach dem grünen Zimmer.

Dort fanden wir Aurelie und Eugenie; Eugenie saß am Fenster, und Aurelie völlig unangekleidet, das heißt im Hemd und schneeweißer Mantille mit offenem Busen und entblößten Armen stand vor ihr.

»Beinahe«, sagte eben Aurelie zur Nichte, und ich und Clementine, befehlerwartend, standen in der Mitte des Zimmers, »wäre mir Arrivens Schicksal zu teil geworden.«

»Que vous me dites«, versetzte Eugenie und sah ihre Tante so zweideutig an, daß diese das treffliche Edle in diesen: que vous me dites! über das berühmte Hamletsche: Geh in ein Kloster! setzte, mit einem »Ah, je comprends!« dem reizenden Mädchen die Näherei aus den Händen nahm und ihr befahl aufzustehen.

Eugenie gehorchte, Aurelie stellte sie gegen die Sonne, welche eben am hohen Mittag die rotseidenen Gardinen transparierten, und hob ihr Röcke und Hemd bis über den Gürtel in die Höhe.

Entzückender Anblick! Die herrlichen Formen der jungfräulichen, noch nicht entweihten Glieder erröteten im purpurnen Gardinenglanz des schleierhassenden Tages-Gestirns; nur allein das Madonnenangesicht, das, während Tante die zarten Lenden öffnete und aufmerksam die heimlichen Wunder der schalkhaften Natur betrachtete, der Sonne selbst in den Flammenspiegel schaute, behielt seine Lilienfarbe.

»Ah, ma Nièce! ma Chère!« rief Aurelie und[94] drückte einen Kuß auf die Lippen der Lust, deren edles Lispeln der Kulturmensch so verächtlich behandelt.

»Ah, ma Nièce! Dir kann ich alles gestehen! Unentweiht sehe ich das Symbol deiner Seelen-Unschuld mit meinen leiblichen Augen, und, du verstehst mich, hast mich ganz durchdrungen, vor dir habe ich nichts zu verbergen.«

Schnell war sie verhüllt, und Aurelie fuhr fort:

»Ja, meine Liebe. Arrivens Schicksal hätte ich zum Teil heute erlebt. Den Pater Anselm fand ich schon im Beichtstuhl; ich hatte nicht viel zu beichten, dem System getreu, daß keine Sitte ohne Sinne, keine Sittlichkeit ohne Sinnlichkeit zur Vollkommenheit oder Vollendung reife und hohen Sinn trage, klagte ich ihm bloß, daß ich bis jetzt noch wenigen Versuchungen mit Mühe widerstanden hätte; alle wären mir leicht geworden.

›Wirklich?‹ versetzte Anselm und sah mich staunend an, ›Jugend! Schönheit! Temperament! Alles hier auf einem Punkte vereinigt – dem des Genusses. Und dennoch – eine solche Tugend ist mir ein Rätsel! Könnten Sie wohl dieses Geständnis dort vor dem Altare der großen Sünderin Maria Magdalena wiederholen, ohne sich Ihrer Eitelkeit und Ihres Stolzes zu schämen, mein Fräulein?‹

›Das kann ich!‹ war meine Antwort.

›Nun, so kommen Sie‹, versetzte Anselm und trat mit mir aus dem Beichtstuhl vor den Altar der Maria Magdalena, der, wie du weißt, in einem Winkel steht.

Ohne mich zu besinnen, was zu tun, oder abzuwarten, was Anselm von mir verlange, warf ich mich auf die Stufen des Altars nieder und sprach: ›Heiligste, frömmste aller Sünderinnen meines Geschlechts!‹ Kaum waren diese paar Worte den Lippen gleichsam entronnen, so fühlte ich mich festgehalten, fühlte mir[95] Röcke und Hemd aufgehoben und meine Lenden auseinandergezogen.

Kein Laut kam über meine Lippen, auch war niemand in der Kirche. Wie eine Bajadere wand ich mich hin und her; Herkules selbst hätte mich nicht zu Schanden gemacht.«

»Das tat Anselm, der Schwächling?« fragte Eugenie.

»Gott bewahre!« fuhr Aurelie fort. »Es war der reizende Romuald, unser Domherr, der auf der letzten Maskerade deinen Beifall so ungeteilt erhielt.«

»Dieser?«

»Dieser! Er war im Chorrock und ohne Beinkleider. Das ganze reizende muskulöse Unterteil seines schönen Leibes ruhte auf meinen bloßen Hüften; sein wütendes Glied drängte sich wie ein Donnerkeil durch die Lüfte nach meinem Schöße hin, aber – vergebens! Ich preßte es mit meinen Lenden so fest und mannhaft zusammen, daß er nicht einmal sich des Zaubers zu entledigen vermochte, der seine Begierde bis zur Wut aufgeregt hatte.

›Mademoiselle! Mademoiselle!‹ stöhnte der Wütende. ›O Anselm, einen Dolch mir her! Stoß ihn in den Busen der Abscheulichen.‹

›Madelaine! – Madelaine! Sainte Madelaine!‹ rief ich. ›Sieh, was ein Weib vermag!‹

›In aller Teufel Namen!‹ schrie jetzt Romuald, als ich immer fester hielt, ›laß mich los, du Hure ohnegleichen! Dein sei der Sieg.‹

Ich öffnete meine Schenkel und im Nu war ich von Anselm zugedeckt und der Domherr Romuald verschwunden.

Anselm küßte mir die Hand und sagte: ›Ich gebe Ihnen Absolution bis zu Ihrem vierzigsten Jahre.‹

›Sparen Sie Ihre Mühe, Pater!‹ versetzte ich. ›So[96] lange gedenke ich nicht zu leben. Ohne Reize keine Versuchung! Sie werden nächstens von mir hören.‹

Damit ließ ich ihn stehen und ging, und zwar in dem festen Vorsatze, heute noch wie Klarissa mein Testament zu machen und morgen zu sterben.«

»Tante!« schrie Eugenie, »zu sterben?«

»Ja! Offranville und Vergandin sind beide rasend. Ich will ihnen zu Liebe nicht toll werden, wie es die Welt nennt, sondern sterben!«

Mit diesen Worten blickte Aurelie auf uns, die wir andächtig zuhörten, und sagte: »Komm her, Fredegunde!«

Ich ging zu ihr, kniete nieder, hob ihr Mantille und Hemd auf und küßte ihr linkes Knie, indem meine Augen das dunkle Tal der Liebe zu erspähen suchten. Clementine riß mich in die Höhe, Aurelies Hemd kam wie ein Isisschleier über meinem Haupte zu liegen, und ehe ich noch aufgerichtet stehen konnte, ruhte schon mein Mund auf dem Labyrinth der Menschheit, zerrten schon meine scharfen Zähne an den feinsten aller Adrianischen Härchen.


Hier sieht auf dem

wellumbrauseten Ufer von Dia

Ihrem mit ausgespanntem Segel entfliehenden

Theseus Ariande nach.

Und es zerteilt sich das Feuer,

Welches die heilige Grotte verbirgt.


Catull und Philostrat.


»Du Unverschämte!« rief lachend Aurelie und trat zurück, daß ihre schneeweißen Lenden den schalkhaften Augen der Nichte entgegenstrahlten. »Was ist aus dir geworden?«[97]

»Sag mir, wer hat dir männliche Kleider gegeben?«

»Männliche Kleider!« rief ich im völligen Bewußtsein dessen, was ich fühlte, und hob meine Kleidung bis auf den Nabel in die Höhe. – »Männliche Kleider?« –

Die Spitzbübinnen alle drei schrien laut auf, als sie mein starrendes Glied vor sich sahen wie eine Lanze vor dem Behemoth.

»Mai foi!« rief Eugenie, indem sie zu mir trat und mit ihrer Nadel, ehe ich es mir versah, den roten Schaft stach, daß ich laut aufschrie.

»Ma foi, c'est Janthe! Gemahlin des Iphis.«

»Wahr!« versetzte Aurelie, »aber den Busen hätte Isis ihr lassen sollen; versuchen wir einmal, was wir können! Legt das unverschämte Jünglings-Mädchen hier über den Stuhl. Du, Clementine, halte sie fest, und du Eugenie, greife ihr in den Busen und fahre mit deiner zarten Hand auf den Brustwärzchen hin und her.«

Ich stellte mich, als wollte ich entlaufen; schneller als der Blitz erhaschten mich die Mädchen, legten mich über den Stuhl und entblößten meinen Hintern.

Himmel, wie erschrak ich, als ich jetzt Aurelie mit einer aus Klaviersaiten geflochtenen Rute vor mir stehen sah.

»Ach, gnädiges Fräulein!« schrie ich, und Clementine hielt meine Hände in die Höhe, und Eugenie fuhr mir in den Busen. »Ach, gnädiges Fräulein, haben Sie Mitleid mit meinem armen Hintern!«

»Bin ich gleich glücklicher gewesen als Eduard der Dritte bei der schönen Gräfin Salisbury.« Hier hatte ich schon den ersten Hieb weg, ich hob meinen Hintern hin und her. »So wissen doch auch gnädiges Fräulein sehr wohl, daß Dummheit in verliebten Sachen so unverzeihlich – als – das Au! Au! oh, mon doux lésus! Als ...« Hier regnete es Hiebe. »Als – als das ›Honní[98] soit qui mal y pense‹ – ab-ge- Jésus – schmackt – Hi! Hi! Hi!«

Ich fühlte mein Blut fließen, es war kein königliches, aber ein gesundes rosenrotes Blut.

Ich schrie erbärmlich, ob es mir schon nicht halb so weh tat, als wenn mich Vater oder Mutter gezüchtigt hätten; ungestümer aber schlug mein Herz unterm wachsenden Busen; denn je stärker Aurelie schlug, desto mehr fühlte ich, wie ein paar jungfräuliche Brüste unter Eugenies wundertätigen Händen ihr entgegenzitterten.

»Es ist genug, genug!« rief jetzt Eugenie und riß mir das Halstuch ab.

Aurelie hörte auf zu schlagen und befahl Clementine, mich umzukehren.

Wie ein Wirbelwind ergriffen die beiden Teufelinnen mich armen Liebesketzer und hielten mir die Schenkel voneinander. Aurelie zog ihr Taschenmesser, ergriff mein Glied und wollte ...

(Hier konnte ich nicht umhin, Fredegundes Erzählungen zu unterbrechen, ich deckte mich auf und wollte mir mit den Fingern Luft machen, aber mein Schalk zog sie sanft hinweg und gab mir, was ich verlangte, worauf er folgendermaßen fortfuhr):

Aurelie ergriff, wie ich dir sagte, mein Glied und wollte es abschneiden. Aber Eugenie schrie: »Bon Dieu! Que voulez-vous faire! L'aiguillon de l'abeille est un instrument, avec lequel elle cause de vives douleurs à plus d'une personne; pourtant c'est la faute de ceux, qui en sont piqués, n'ayant tenu qu'à eux de l'éviter; mais qu'on désarme l'abeille en lui ôtant cet aiguillon, ce sera le moyen de ne plus retirer d'elle le moindre service.«

Aurelie lachte und sagte:

»Nichte! Ihre naturhistorischen Bemerkungen sind[99] hier völlig passend und also« – hier warf sie ihr Messer aufs Sofa – »mag ich nicht einmal Kastraten und Nachtigallen ihren Beweisen entgegensetzen; beide pfuschen uns ins Handwerk, und eine männliche Sopranstimme ist mir so unausstehlich wie ein Mädchen ohne Zunge – oder ein – Klaviermeister ohne Stimmhammer.«

Eugenie lächelte. Clementine holte Eau de lavende und trocknete damit meinen Hintern ab, und Aurelie befahl, mich auf mein Zimmer gehen zu lassen.

Clementine führte mich vor die Tür; hob mir die Röcke auf, gab mir einen Schlag auf den armen übervorteilten Hintern und sagte: »Marsch! fort!« Ich wollte aufs Geratewohl rechts gehen. »Wohin?« schrie Clementine, »wohin?« Ich lachte ihr ins Gesicht, griff ihr unter die Röcke und lief links so weit fort, bis ich am Ende des Korridors ein Zimmer offen fand.

Ohne mich lange zu besinnen, trete ich ein, ziehe mich aus und lege mich, von tausend süßen und schmerzlichen Gefühlen bestürmt, in das weiche seidene Bettchen.

Ich fühlte keinen Hunger und keinen Durst. Vor mir hing ein großes Gemälde, Jupiter und Leda, in der süßesten Vereinigung vorstellend. Ich sah es so lange an, bis mir über den aufgehobenen Röcken einer gewissen Prinzessin, die in Lebensgröße neben dem Jupiter unter den groben Händen eines Bedienten ihre Reize enthüllen lassen mußte, die Augen endlich zufielen.

Als ich erwachte, dämmerte es schon. Totenstille herrschte rings um mich her, und der Abendwind rauschte in den Pinien und Pappeln des Gartens so abenteuerlich, daß ein Schauer mich überlief.

Jetzt hörte ich eine Tür öffnen, hörte in deutscher Sprache, von der ich etwas gelernt hatte, singen:[100]


Jüngst flog ein Täubchen auf das Dach,

Der Tauber sah's und flog ihr nach –

Ich bin dein Mann und du bist's Weibchen,

Du loses Ding, wie will ich dich!

Das Täubchen schwieg und bückte sich,

Und drauf – drauf ward es Friede.


Und sah, gerade als die Sängerin geendet hatte, Eugenie mit einer Wachskerze eintreten.

Sie stellte die Kerze auf ein Klavier, das von starrenden Priapen getragen wurde, phantasierte eine Cavatine und stand dann, betrachtend die mächtigen Zeugungsglieder. Über dem Klavier hing die Schwächung der Thamar von Absalon. Absalons Priap starrte wie ein Weberbaum in dem über alle Beschreibung geilschattierten Schöße der unschuldigen Thamar.

Eugenies Brust hob sich sichtbar, sie legte ihr Busentuch von sich, langte unter dem Klavier eine birkene Rute hervor, deklamierte mit Gloster in Shakespeares Lear, unverwandten Blickes nach der geilen Szene hinschauend:


O villain, villain!

Abhorred villain!

Unnatural, detested

Brutish villain!

Worse than brutish

Abominable villain!


Sie entfaltete erst ihren Rosenschmetterling, und, als sie ihn vom Tau der Liebe und der Wollust benetzt fand, ergriff sie gleichsam zürnend, wie Venus den Caduceus, die Rute, entblößte ihren schneeweißen Hintern[101] und zerhieb ihn eigenmächtig so grausam, daß er bald glühte wie eine Purpurrose.

Ich erstickte, zitterte gleich dem Espenlaub, verging in wollüstigen Hinbrüten und wußte keinen besseren Rat als, umwunden von meinem Schnupftuch, die Lüste des Fleisches selbst zu töten.

Nachdem Eugenie sich genug gezüchtigt hatte, zog sie sich aus, trat mit der Wachskerze ans Bett und öffnete die Gardine.

Ich stellte mich versunken in tiefem Schlaf; die Spitzbübin legte leise das Deckbett weg, hob mir das Hemd auf und bedeckte meinen eingeschlafenen Amor mit ihrer zarten Hand.

»Ah, qu'il est beau«, lispelte sie und drückte einen Kuß auf meinen Nabel, »das arme Kind! Schlaf, mein holder Engel, als Riese sehe ich dich bestimmt bald wieder.«

Hier blies sie die Kerze aus und legte sich leise zu mir. Ihr süßer Atem hauchte mir ins Gesicht; ein köstlicher Milchgeruch duftete mir vom reinsten aller jungfräulichen Körper entgegen, und hundert Küsse trafen meine Augen, Wangen, Brüste und alle Teile des sinnlichen Vergnügens. Zitternd ergriff sie meinen Amor und – alle seine angeborene Gewalt zerfloß unter ihrer Hand wie der Schnee am Fuße des Montblanc unter der glühenden Sonne eines schönen Frühlingstages. Ich wandte mich zu der reizenden Sappho, öffnete die zarten, wie Alabaster glatten Lenden, und mein Zeigefinger drang sanft und mit zarter Schonung bis zum innersten Eingang der Lust.

Wenige Minuten und ein seliges, schuldloses Hinbrüten umfing uns mit den stärkenden Fittichen der Nacht; süße Vernichtung versiegelte unseres Daseins heimlichstes Leben.

Die Sonne lauschte an den himmelblauen Gardinen,[102] als ich erwachte, und ich wollte Eugenie mit einem Kuß wecken, als Clementine hereintrat.

»Fredegunde«, rief sie leise, »geschwind zum gnädigen Fräulein!«

Ohne mich zu besinnen, drückte ich meine Lippen auf die reizende Schläferin und eilte zu ihren Füßen von weichem Lager.

Clementine warf mir einen Unterrock über, eine Mantille um und nahm mich bei der Hand.

Die Hexe sah reizend geil aus. Ihr kurzes, wie eine englische Admiralsflagge wehendes Unterröckchen bedeckte kaum die Knie, und ein nachlässig über den bloßen Schultern hängendes Busentuch enthüllte, wie es ihm aufgegeben zu sein schien, die schönsten Brustvertiefung, die je als Apotheose der Venus clunis und aller weichen, glatten, zitternden Arschbacken das Licht des Tages ohne häßliche Heimlichkeiten verriet.

Schon an der Türe ließ Clementine mich plötzlich wieder los, lief mit einem lauten Schrei ans Fenster, zog die Gardinen auf, stellte den einen Fuß auf einen Stuhl und deckte sich so rasch auf, daß es schien, als wollte sie die Strahlen der blitzenden Sonne zwischen ihren geöffneten Lenden auffangen.

»Ach, Fredegunde! Ha, la coquine! Elle vaut une – pucellade!«

Ich eilte zu ihr – und – was war es? Ein Floh! Eine Revolution, eine Evolution zugunsten weiblicher Schönheit und Lüsternheit.

»Schöne Clementine«, lispelte ich und fuhr ihr an den schönen Haarwuchs, der in üppiger Fülle am Eingange der Lust prangte. »Wir wollen das verwegene Geschöpf strafen – ungestraft hat es die Geheimnisse der Venus Nigra dem alles verratenden Tageslichte offenbart, und so soll nun sein Stachel in Riesengröße ... Sehen Sie!« Hier entblößte ich meinen Stachel, und[103] Clementine ließ sich mit ausgebreiteten Lenden, stillschweigend gehorchend, über die Lehne eines weichen Sessels nieder – die Wunde zur wohltuenden Heilung ohne Barmherzigkeit aufs neue zu öffnen.

Wütend und schnaubend wie ein Eber, von Entbehrungen gestärkt und von Reizen in Flammen gesetzt, senkte sich mein Amor in Clementines Liebesgrotte so tief ein, daß wir beide alles Bewußtsein verloren und – ziemlich abgekühlt, uns abtrockneten und verhüllten.

Noch schlief Eugenie, und Clementine riß mich mit sich fort.

Sie führte mich in den jungfräulichen Kreis der Hausgesellschaft; ein Frühstück, Schokolade, Kuchen, Biskuit, Bordeaux und Überbleibsel von dem gestrigen Abendschmaus, den meine in Wollust gesättigte Seele dem abgespannten Leibe entzogen hatte, beschäftigten jetzt unsere Zähne, stillten Hunger und Durst und erweckten den sechsten Sinn, nicht Melzers moralischen, sondern den sinnlichen des Lucretius zu neuen Genüssen.

Die Mädchen waren alle ausgelassen lustig. Ich deckte eine nach der andern bis übern Gürtel auf, keine aber konnte mit Clementine geheimsten Reizen einen Vergleich aushalten.

Schon hatten mich die Schäkerinnen ergriffen und mit bloßem Unterleibe auf den Tisch gelegt, als ein Wagen an der Tür vorfuhr, und Clementine ängstlich rief: »Um Himmels willen, geschwind! Geschwind – die Braut kommt! Die Braut kommt!«

Die Schäkerei hatte ein Ende, und ich mußte mit Clementine zum Fräulein.

»Was hast du getan, Clementine?« rief Aurelie ernsten Blickes ihr schon in der Tür entgegen.

»Verzeihung, Allwissende!« und stürzte in eben[104] demselben Augenblick ihr zu Füßen, als über den Korridor ein holdes weibliches Wesen, in milchweiße Gaze gekleidet, mit zurückgeworfenem meergrünem Schleier an mir vorbeiflog und Aurelie um den Hals fiel.

»Willkommen, meine Liebe, am letzten Tage deines Brautstandes! Venus oder Diana?« fragte das Fräulein.

»Urteile, entscheide selbst, Aurelie.«

»Noch nicht, Lucilie.« Hier griff sie der Ankommenden unter die Röcke und klitschte ihr die Lenden, »noch nicht, Liebe, erst muß ich dieser Hetäre da (auf Clementine zeigend) ihre Schönheitslinie einmal nach Hogarth vorzeichnen, damit sie nicht so unwissend wie eine Pariserin im Paradies in bloßer, nackender Unschuld vergesse, was Mein und Dein ist.«

»Verzeihung, gnädiges Fräulein«, rief weinend die alles fürchtende Clementine und umfaßte Aurelies Knie, »Lust ist grenzenlos!«

»Laissez la faire – nous sommes des enfants«, bat Lucilie.

»Eben darum«, versetzte Aurelie und entblößte Clementines Hintern, so wie er in erhabener Peripherie vor ihr sein Schicksal zu erwarten schien, »setze Schmerz ihr Grenzen. Kinder müssen frühzeitig die Rute haben; späterhin schlägt das Schicksal und die Liebe so grausam und blind zu, daß Stumpfsinn und Dummheit vergebens ihre Hülle um die Gepeitschten wirft; vergebens ein großer Dichter wie Wieland die alten Tragiker und die neuen Trauerspiele – und unsere Clementine – schön findet.« Hier streifte Aurelie Clementines Hemd über den Rücken hinauf, und Lüde rief entzückt von der Schönheit der beiden Erdhemisphären: »Nein!«[105]


Nein, ein solches Gesäß hat außer Amor

Nie ein Gott gebildet, noch besessen.


»Schone! Schone!«

»Nein! Nein!« deklamierte Aurelie und fing an, mit ihren zarten Händen das noch zartere Fleisch der allerliebsten kleinen Hinterbacken zu kolorieren.

»Nein! Nein!«


Es weinen die Seele unmündiger Kinder am Eingang

Welchen der bleiche Tod das süße Leben mißgönnt,

Sie von der Brust der Mutter ab in das bittere Grab riß.


Quelle:
E. T. A. Hoffmann: Schwester Monika. München 1971, S. 80-106.
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