Erste Szene

[236] Schön, Anna und Eduard kommen von rechts.


ANNA. Das muß die Stolzenthalerische Villa sein!

SCHÖN. Ja, der Beschreibung nach, denk ich schon selber.

ANNA. Wie schön 's da is! Na, da hat er halt doch recht ghabt, unser hochwürdiger Herr Sohn.

SCHÖN brummend. Unser hochwürdiger Herr Sohn. Unser Bub is unser Eduard.

ANNA. Das sind keine Ausdrück, einem hochwürdigen Herrn gegenüber. Zu Eduard. Das mußt du deinem Vater untersagn.

SCHÖN. Untersagn? Das tät ich mir ausbitten. Möcht wissen, ob er das amal von seine Kinder leidt? Ja so, nun, nix für ungut, Eduard.

ANNA. Aber ich leid es einmal nit, schon der Leut wegen.[236]

SCHÖN. Wo sein denn da ein?

EDUARD. Aber, herzliebe Eltern, wie mögt ihr euch um so was streiten!? Der einzige Grund, der mich's bereuen ließe, daß ich diesen Stand gewählt, wäre ja der, wenn ihr über das Kleid euer Kind vergessen könntet.

SCHÖN. Ah, dös is a Red! Da hörst es.

ANNA. Weil er zu nachsichtig ist.

SCHÖN auflachend. Hahaha!

EDUARD ebenfalls lachend. Aber, Mutter!

ANNA beleidigt. Na ja – na – das hat man davon, wenn man sich für deine Ehr annimmt. – Ich bitt, nimmt das Glachter nit bald a End?

SCHÖN zu Eduard. Da muß man schon nachgebn, es geht nit anders. Zu Anna. Also, worin hat er denn recht ghabt, unser hochwürdiger Herr Sohn?

ANNA. Siehst es, wie schön sich das macht, wenn du so sagst?! – Unser hochwürdiger Herr Sohn hat recht ghabt, daß er der Frau Stolzenthaler – wie s' no a Fräuln war – gsagt hat, sie soll gehorchen und ihr Glück Gott anheimstellen – ja. Net von dö Stadthäuser und dem wunderlieben Landgut red ich – aber jetzt, wo das Kinderl auf der Welt is, wird sie schon selber einsehn, daß auch das Glück da is!

SCHÖN. Wir wollen's hoffen!

ANNA. Schaun wir jetzt a bisserl hinein. Geht an das Tor, zieht an der Klingelschnur; eine helltönende Hausglocke läutet. Hörst, das is ein anderer Ton als von unserer Hausglocke; die hört man schon schwer vor lauter Alter.

SCHÖN. Ja freilich hörn wir s' schon schwer vor lauter Alter, aber dran is die Glocken nit schuld, hehe!


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Werke in zwei Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21977, S. 236-237.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das vierte Gebot
Anzengrubers Werke: Teil 3. Doppelselbstmord.-Der ledige Hof.-Ein Faustschlag.-Das vierte Gebot.-'s Jungferngift
Das Vierte Gebot (Dodo Press)
Das vierte Gebot