Zweite Szene

[271] Vorige ohne Eduard. Josepha, darauf Schalanter und Barbara.


JOSEPHA durch die Mitte, sie hat einen abgetragenen Morgenanzug an, das Haar nur zurückgestrichen und durch ein Netz zusammengehalten, darüber aber ein kokettes Häubchen und an den Füßen Stöckelschuhe mit Aufputz. Gutn Morgn! Sie verzeihn schon! Ich hab 'n geistlichen Herrn zum Tor hereingehn gsehn, ich soll ihm a Post sagn, dö nöt mehr viel Zeit hat.

SCHÖN. Müssen halt warten, er kommt gleich.

ANNA halblaut. Na, das machet sich schön, wann er mit so einer redet.

SCHÖN ebenso. Natürlich wird er mit ihr reden ... Er is[271] ja Geistlicher, und bei ihm muß eins, wann's gleich von aller Welt veracht wird, noch a Ansprach suchen können, und hat unser Herrgott mit Sünderinnen gredt, wird doch er sich nicht z' gut dafür halten!


Schalanter und Barbara erscheinen hinter dem Gittertor.


BARBARA. Pepi!

JOSEPHA. Wer ruft? Ah, Sö sein's!

BARBARA. Wir hätten dich was z' fragen.

JOSEPHA. Na, da bin ich.


Schalanter und Barbara treten in den Garten. Ersterer bleibt an der Türe mit gesenktem Kopfe stehen.


BARBARA zu Schön. Erlauben S', Herr Schön – wir sein nur unserer Tochter nach, weil wir s' über d' Straßen haben laufen gsehn – wir sein gleich fertig – wir gehen heut eh lieber allen Leuten ausm Gsicht. Zu Pepi. Warst du beim Martin drin, Pepi?

JOSEPHA. Nein, er hat nit nach mir verlangt, und es is das nix für mich. Ich hab eh die ganze Nacht gweint. Ich hab ihm gestern die Schoberlechner-Leni, die er früher gern gsehn hat, hineingschickt und ihr Zigarrn und a paar Groschen Geld für ihn mitgebn.

BARBARA. Sie habn uns gestern nit zu ihm lassen. Hat er nix gsagt, ob er uns sehn will?

JOSEPHA. Nein!

BARBARA zu Schalanter. Gehn wir halt hin!


Schalanter nickt, ohne aufzublicken.


JOSEPHA. Na, da gehn S' in Gotts Nam, daß's nit etwa z' spät wird! Bei mir versäumen S' nix, 's hat wohl noch a Weil hin, bis S' mich im Spital aufsuchen können, aber es bleibt nit aus.

BARBARA wendet sich. Mir habn a Unglück mit dö Kinder!

SCHALANTER. Ja, ja – mir mit sö – Hebt den Kopf, sieht alle starr der Reihe nach an. – oder sö mit uns! Senkt den Kopf wieder und geht mit Barbara durch die Mitte ab.[272]

ANNA schlägt die Hände zusammen. Wie denen sein muß – wie denen sein muß, das kann ich mir gar nit vorstellen.

SCHÖN. Ich a nit, Gott sei Dank!


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Werke in zwei Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21977, S. 271-273.
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