Zehnte Szene


[92] Vorige. Wastl.


WASTL schon etwas früher sichtbar, ist bei den letzten Worten durch den Zaun aufgetreten, noch rückwärts. Tu's, Dirndel, ich schau dir gern zu!

LIESEL halb nach ihm gewendet. Wußt ich, du denkst was Unrechts, kriegest mir eine!

WASTL kommt vor. No wußt i gern, was d' dir denkst, daß i mir denkt hätt, han, Dirndl? Erkennt sie. Oh, heilig Mutter Anna, dö is's?![92]

LIESEL. Jegerl, der Wastl!

WASTL. Ja, der Wastl, und du bist dö Horlacher- Lies, kunnst's eh schon wissen. Hätt mir's net denkt, ich komm no zsamm ... Was suchst du denn da hrum?

LIESEL. 'n Grillhofer.

WASTL. 'n Grillhofer?

LIESEL. Ja, 'n Grillhofer!

WASTL. So, 'n Grillhofer? – No, dem sein Großknecht bin ich. Willst leicht in Dienst bei ihm? Da hätt ich a a Wartl dreinzreden. Mir zwei taugen net unter ein Dach, und wann dich gleich der Bauer nahm, so rennet ich heunt no auf und davon.

LIESEL. Zwegn meiner brauchst kein Schuh z' zreißen. Ich bin nur auf Bsuch!

WASTL. Auf Bsuch?

LIESEL. Jo, auf Bsuch.

WASTL. So, auf Bsuch? Was willst eahm denn?

LIESEL. Dös geht di nix an. – Sag amal, was is denn der Grillhofer für a Mon?

WASTL. A trauriger.

LIESEL. Ui je, dös taugt mer net, da geh ich lieber glei wieder.

WASTL. Is a gscheiter.

LIESEL. Aber geh, Wastl, was hast denn gegn mi? Tut's dich denn net a wengerl gfreun, daß mir uns wieder zsammfinden?

WASTL. Müßt's lügn! – Solltst dich eigentlich schamen, daß d' mich derkennst.

LIESEL. Wußt net, warum! Kimmt's mer doch völlig für, als schamest du dich.

WASTL. I mi? Zwegn we, ich frag no, zwegn we?

LIESEL. No schau, Wastl, wann ich dir als alte Bekännte gut dafür bin, bleib ich dir derweil die Antwort schuldig, aber möchst mer net sagn, zwegn we ich mich schamen sollt?

WASTL. No, dös is doch klar.

LIESEL. So sag's![93]

WASTL. »Sag's!« – O du ... »Sag's!« sagt s'! Hat's dir denn no nie leid tan, wie d' mir mitgspielt hast, wie ich no in Ellersbrunn Knecht war?

LIESEL. Wie's du Knecht warst in Ellersbrunn?

WASTL. Jo, wie i Knecht war in Ellersbrunn.

LIESEL nachdenkend. So, wie d' Knecht warst in Ellersbrunn?

WASTL. Tu no, als wußt von allm nix.

LIESEL. Kann's doch schon die Zeit über vergessen habn!

WASTL. Dös sieht dir schon gleich! Ja, dir schon.

LIESEL. No, geh, so sag's, wie's war!

WASTL. Wonn i mag!

LIESEL. Magst schon, wann i dich bitt.

WASTL. Meinst? Bist a weng sicher.

LIESEL. Aber, Wastl, was tust denn so harb? Ich wußt rein nix!

WASTL. Da schlag doch 's Wetter drein. Bin ich dir net in Ellersbrunn nachgrennt wie narrisch?

LIESEL sieht ihn von der Seite an. Freilich, wohl, wohl! Selb laugn ich net!

WASTL. Stund dir a schlecht an!

LIESEL. Is ja alles zwischen uns zwei in Ehrn verbliebn.

WASTL grimmig. Ebens drum!

LIESEL. Aber, Wastl, wird dich doch nit harbn, daß sich keins von uns versündigt hat?

WASTL. Dös net! Dös freili net! In Ehrn is alls verbliebn, is a dumme Gschicht, aber es muß ein recht sein; mit einer Dirn, was net auf sich halt, laßt sich a kein rechter Bub gern ein. War schon recht, dös Dich – in – Ehren – Halten, aber mich fürn Narren halten war von unnöten!

LIESEL. Geh! Und wie is denn dös zugangen?

WASTL eifrig. Dös fragst du no? Du fragst dös no? Na, ich dank! Han, wie ich gmeint hab, ich möcht dir taugn, hab ich dich net gfragt, wo mir zsammkomma kinnten?

LIESEL. Ja, dös hast gfragt.

WASTL. Und weil dir's auf der Heid z' einschichtig war –[94]

LIESEL. Freili –

WASTL. Und mir auf der Landstraßen z' leutselig, hon i gsagt, ich kimm in Wald.

LIESEL. Bist jo a kumma!

WASTL. Jo, aber du bist wegbliebn! Sikra hnein, von wie es Mondschein raufkämma is, bis's wieder abigangen is, bin ich dort am Fleck gwest, und a Kälten hat's ghabt, daß's ein schier d' Seel ausm Leib hätt rausbeuteln mögn!

LIESEL. No, hon ich dir's drauf net gut gmeint, hon ich net gesagt; wann dir die Kälten zwider war, sollst af d' steile Wand gehn, wann hoch um Mittag is?

WASTL. No, war ich net durt? War a a Hitz zum Verschmachten. Wer aber wieder net kämma is, warst du.

LIESEL ironisch. Du hast dich aber neamer beklagt.

WASTL. Ah freili, noch ja, daß d' mi leicht no zum Auffrischen in Mühlbach schickest! Dank schön. Teufi hnein! Stampft mit dem Fuße auf. Frotzel einm net! Wendet sich ab, sieht aber zuletzt widerwillig nach der Liesel, die laut auflacht, lacht mit.

LIESEL lustig. Aber schau, Wastl, was kann a Dirn auf a Lieb gebn, dö net amal bissel Kaltstelln und Aufwarmen vertragt! Da is ja mehr Verlaß afs sauere Kraut!

WASTL. Du bist a eine, dö m' Teufel aus der Butten gsprunga is! Geh zu!

LIESEL. No, laß dir a was sagn, Wastl!

WASTL. Red, wann's dir a Freud macht, aufsitz ich dir neamer!

LIESEL. Sag mir amal, Wastl: wie dir im Wald und af der Wand langweilig wordn is, warum bist denn nit hoamgangen?

WASTL. Warum ich net hoamgangen bin?

LIESEL. Jo, warum d' net hoamgangen bist?

WASTL. No, a so – weil – a so halt, weil i net hoamgangen bin!

LIESEL. Werd ich dir's halt sagen, Wastl, warum d' net hoamgangen bist![95]

WASTL. No, wann d' es besser weißt als i selber, so sag's.

LIESEL stellt sich ganz nahe zu Wastl. Weil d' es hast vor die andern Bubn net merken lassen wollen, daß d' umsonst warst – Stößt ihn mit dem Ellbogen in die Seite. –, weil's hätt ausschaun solln, als wär ich durt gwest, und wie lang a noch! HanStößt ihn wieder. –, war dös rechtschaffen gegn a ehrliche Dirn? So red was! Holt wieder zu einem Stoß aus.

WASTL. Na, net – net – Fängt ihren Arm auf. –, meint mer doch nit, du warst da hrum so spitzig!

LIESEL. Auslaß, sag ich! – Aber ich hab mich schon auskennt, und allmal zur Zeit, wo ich mit dir hätt gehn solln, hab ich mich mit meine Kameradinnen hübsch im Ort sehn lassen.

WASTL. Jo, jo, und drauf is dös Frotzeln und Feanzeln angangen – und furt mußt ich aus Ellersbrunn, weil ich doch net dös ganze Buamergsindel ein umn andern niederschlagn mag.

LIESEL. Hast aber a ein Unterschied gmerkt zwischen ehrliche Dirndeln und der leichten War.

WASTL. A ja, dös schon, und wie! Hab s' a allzsamm in die Höll abigwunschen.

LIESEL. Selb macht nix, rennen mer do no af der Welt hrum! – Aber dir war schon recht gschehn für dein unehrlichs Gspiel!

WASTL. No, wer sagt, es hätt net do no ehrlich ausgehn mögn?

LIESEL. Du hast es net gsagt.

WASTL. No ja, damal war ich dumm und hon gmeint, leicht kunntst du no dümmer sein. Aber sider der Zeit bin ich schon gscheit wordn.

LIESEL. Dös sahet mer dir doch net an.

WASTL. Hm, liegt mer net auf, wann du's net bemerkst! Meinst, weil ich mich mit eng Weibsleut net einlaß? Bei eng gilt a jeder für dumm, der sich net anstellt wie a Kater im Marzi. Der Gscheiter halt sich grad af die Seiten. – Wie[96] ich damal furt bin, von Ellersbrunn, hon ich mir denkt: No hast abgwirtschaft in der Lieb für dein Lebzeit. D' Horlacher – Lies wär die einzige, die dir taugt hätt, und dö spielt dir so mit! – Und schad is, wann d' weitersuchst, a zweite wie die Horlacher-Lies gibt's neamer af der Welt! – Gleichwohl taugt a dö nix. Aus is und gar is, schaust dich gar neamer weiter um unter dem Kittelwerk. So hon ich's a ghalten.

LIESEL schelmisch. Geh zu, du kannst ein ja völlig stolz machen, Wastl.

WASTL. Ahan, dös gang dir grad no ab zu dö übrigen Sachen, dö d' an dir hast!

LIESEL. Na geh, mach einm net schlechter. Kannst es denn wissen, ob mir net hart gschehn is um dich?

WASTL. Wird dir a hart gschehn sein? Außer es is mittlerweil einer kämma, der dir's abgwonnen hat.

LIESEL. Na, dös is net! Ich bin mir grad so gscheit wie du.

WASTL. Was? Du warst noch, wie mir damal voneinand gangen sein?

LIESEL. Akrat!

WASTL. Kannst mer in d' Augn schaun, Dirndl?

LIESEL. Kerzengrad a noch!

WASTL. Schwör!

LIESEL. Meiner Seel und Gott! – No, sag mir aber, Wastl, wann's nur dö eine Horlacher – Lies af der Welt gibt, warum stund dir denn die a neamer an?

WASTL. Ja weißt, Liesel, dös is a so! Du bist freilich a so a recht, wie d' bist, aber a so bist net, wie ich mir dich einbildt hab.

LIESEL. No, so sei halt kein so einbilderischer Ding!

WASTL. Ja, mein Gott, dös verstehst net. Dös is halt wieder a so: Wann ma di a so anschaut, da kriegt ma erst vorm Herrgottn Respekt, der a so was af d' Füß stellt, so frisch und lebig und sauber und kreuzbrav, dös war schon dö Horlacher – Lies, wie's kein zweite net gibt. Aber wann ma denkt, wie du einm mitspieln magst, wo du deine Krampeln[97] versteckt hast, da meint mer doch, selb taugt a wieder net; wann d' nur a bissel a Demütigkeit no hättst!

LIESEL. Jegerl, geh zu, weil du so demütig bist, glangst glei keck nach der Dirn, wie's kein zweite mehr gibt, und verwunderst dich, daß dö net gleich a bemerkt, daß du der Wastl bist, wie's kein zweiten mehr gibt!

WASTL lachend. Ah na, so hon i nie gredt.

LIESEL. Aber tan hast darnach!

WASTL. Na, na, aber so tu ich neamermehr, und no sein mir allzwei gscheiter, und no könnt mer's rechtschaffen und ehrlich von vorn wieder anheben, wann dir nur taugen möcht.

LIESEL. Wer weiß, ob's mir net taugt!

WASTL. Aber, Liesel, neamer fürn Narren halten.

LIESEL. Aber, Wastl, wie wurd denn dös sein kinna, du bist ja hitzt so viel gscheit.

WASTL. Na, dir is mer's leicht net gnug. Aber reden laß no mit dir drüber nachm Feierabend!

LIESEL. Wohl, wohl.

WASTL. Wo bstellst mich denn hin?

LIESEL. Weißt's ja eh – in Mühlbach!


Die in der kommenden Szene Auftretenden werden hier sichtbar.


WASTL. O du Unend, dös zahlst mer!


Will sie an sich ziehen und küssen.


LIESEL wehrt ihn ab. A Ruh gibst! Eine hob ich dir schon versprochen – d' zweite verdienst hitzt! Hat ihn gegen den Heuschober und in die Enge getrieben. Zahltag ist!

WASTL wehrt sich. Aber nöt vor dö Leut, Liesel!


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Werke in zwei Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21977, S. 92-98.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Gwissenswurm
Anzengrubers Werke: Teil 2. Elfriede.-Berta von Frankreich.-Die Tochter des Wucherers.-Der G'wissenswurm.-Hand und Herz
Der G'Wissenswurm (Dodo Press)
Der Gwissenswurm.
Geschichten aus zweiter Hand: Der Verschollene - Das ausgekaufte Dorf - Der Gwissenswurm

Buchempfehlung

Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von

Gedichte

Gedichte

»Was soll ich von deinen augen/ und den weissen brüsten sagen?/ Jene sind der Venus führer/ diese sind ihr sieges-wagen.«

224 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon