Zehnte Szene


[118] Wastl und Liesel durch die Haustüre.


WASTL. No, gehst wirkli scho, Liesel?

LIESEL. Freilich wohl, wo d' mich hitzt net begleiten därfst, möcht ich doch schon vor Einbruch der Nacht wieder in Ellersbrunn sein. Haha, dö Mahm wird Augen machen, wonn ich sag, mit der Erbschaft is nix, aber ein Schatz hon ich gfunden. Leicht jagt sie mich dann davon!

WASTL. No rennerst halt glei zu mir!

LIESEL. Jo, aber, wo wirst du nachher sein, wann d' bei dein Bauern net verbleibn willst?

WASTL. Is a net zum Verbleibn, seit der seinm Schwogern sein Norr is! No schau, is doch gut, daß mir uns wieder zsammgfunden habn, ganz mutterseelenallanig fraget ich[118] ein Teufel darnach, was aus mir wurd, und rennet nur so ins Blaue hnein davon; aber da a für dich gilt, werd ich mich schon um oan rechten Platz umschaun.

LIESEL. No, recht is's, nur a weng wart noch zu und mach's fein manierli, daß 'm Bauern net hart gschieht. Ös mögts ja doch selber einander leiden!

WASTL. A wohl – wohl ...

LIESEL. Mir derbarmt der alte Mon. Möcht ihm gern helfen, laßt einm aber kein Zeit dazu. I traf's schon, meinst net? Is heunt doch lustig wordn, gelt?

WASTL. Oh, du brachst alls zwegn!

LIESEL. Und no bhüt dich Gott, Wastl.

WASTL. Bhüt Gott, mein Dirn, ich denk dir gwiß an dich bei Tag und Nacht!

LIESEL. No, bei Tag mag i dir's a versprechen, aber bei der Nacht, da schlaf ich.

WASTL lacht. Du bist halt d' Horlacher-Lies, wie von ehnder, und so sollst a sein, weil nur hitzt mein bist! Mein ich doch, ich halt's gar net aus, so weit von dir z' sein, möcht all Stund wissen, was tust und treibst, ob d' mein a a bissel denkst, und möcht dich wohl tags z' tausendmal grüßen lassen, fand ich ein Boten, kunnt alls zwischen Himmel und Erd drum angehn, was sich drauf verstund! Mei Dirndl!


Duett


WASTL.

Du kleins Bacherl, wunderklar,

Rinnst so flink daher,

Grüß mer schön mein lieben Schatz,

Na, du weißt schon wer!

LIESEL.

Und da sagt 's Bacherl drauf:

Ich bin net so schnell,

Dorten halt mich 's Mühlrad auf,

Kimm net von der Stell.[119]

WASTL.

Schneeweiß Täuberl überm Haus,

Grüß mer du mein Schatz,

Flieg in alle Weiten aus,

Findst 'n schon am Platz!

LIESEL.

Schneeweiß Täuberl putzt sich fein,

Sagt: I richt's net aus,

Heut spricht ja mein Tauber ein,

Und ich bleib schön z' Haus.

WASTL.

Du kloan Herz in meiner Brust,

Schlag voll Freudigkeit,

Denn mein Schatz ist mein bewußt

Hitzt und allezeit!

BEIDE.

Und wie gestern so a heut

Denkt er an mich schon,

Zwischen brave, treue Leut

Braucht's koan Botenlohn.


Jodler.


Du nur hast, der/dö Einzigi,

In mein Herzen Platz,

Denk an mich, i denk an di!

Bhüt dich Gott, mein Schatz!


Liesel geht den Anstieg hinan.


Denk an mich, i denk an di!

Bhüt dich Gott, mein Schatz!


Jodler, unter welchem Liesel, nachdem sie das Zaungatter passiert, sich auf demselben aufstützt, zum Schluß wirft sie einen Kuß dem Wastl zu, der mit einem Juchzer ihr nachläuft. Der Vorhang fällt.


[120] Verwandlung

Wirtschaft an der »Kahlen Lehnten«. Die Bühne zeigt den Hofraum. Links vorne ein Teil des Hauses mit der Eingangstüre, rechts ein Teil einer Scheuer. Beide sind in einem stumpfen Winkel gegeneinander gebaut und durch eine sogenannte offene Einfahrt (leeren Torbogen, etwa durch einen Balken, »Schranne«, verschließbar) verbunden. Hinter dem Hause steigen gewaltige Felsmassen hinan, welche weit in den Hintergrund verlaufen, wo dieselben an den aufrecht stehenden, bewaldeten Bergkronen als nacktes Getäfel schief angelehnt erscheinen (Kahle Lehnten). Ab und zu hört man das Grollen eines fernen Gewitters.


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Werke in zwei Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21977, S. 118-121.
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