Erste Szene


[3] Michl, Loisl, Martin, Sepp und andere Bursche. Dann Veit. Darauf der Steinklopferhanns.

Die Bursche sitzen zechend und lärmend in der Buschenlaube. – Michl klopft mit dem Krug auf dem Tische zum Zeichen, daß er singen wolle. – Alles schweigt und schlägt später zum Gesang in die Hand, manchmal mit dem Krug auf den Tisch – beim Chor schreit zuweilen einer über alle hinaus.


MICHL singt.

Bissel christlich, bissel gottlos,

Bissel schön, bissel schiach –

Bissel gottlos beim Dirndl,

Bissel frumm in der Kirch!

Dulidieh!


Alle fallen ein und jodeln mit.


Dulidieh![3]

LOISL klopft – Stille – singt.

Heilig werdn, heilig werdn,

Das möcht ich eh –

Drum kraxl ich all Tag

Zun Himmel auf d' Höh!


Doch kimm ich net viel hoch,

Dös geht ma nit ein –

[: Beim Dirndal sein Fenster

Draht's mich allmal hinein! :]

Holladieh!


Alle wie oben.


Holladieh!

VEIT kommt mit frischem Getränk in kleinen Steinkrügen. No, Buben, jetzt stellts aber die besoffene Metten ein, der Segen is aus, die Manner werdn gleich kämma!

MARTIN steht auf und singt.

Laß s' nur kommen, dö Männer,

So gehen doch glei,

Hoam müssen s' gehn – hoam müssen s' gehn,

Sonst greint es Wei!

ALLE.

Hoam müssen s' gehn – hoam müssen s' gehn,

Sonst greint es Wei!

Juchhu!

STEINKLOPFERHANNS tritt auf. Ein alter Mann, sechzig Jähre, einen abgetragenen grauen, breitkrempigen, stellenweise durchlöcherten Filz auf dem wetter gebräunten Haupt, lange, weiße Haarflechten, grauen Stoppelbart, Pfeife im Mund, einen einmal hechtgrau gewesenen Soldatenkittel, Pantalon von Zwilch, geflickt; grobes Schuhzeug; über die rechte Achsel fallen an einem Stricke zwei schwere Hämmer, der eine, leichtere, vorne über die Brust, der schwerere auf den Rücken herab. – Noch beim Zaun. Juchuchu! Kommt vor. Da geht's lustig aber!

DIE BURSCHE schreiend und lachend. Ju![4]

SEPP. Da kimmt schon einer! Is dös auch a Mann? Beileib, dös is der Steinklopferhanns!

ALLE lachend. Hollah! Steinklopfer, da kimm her!

STEINKLOPFERHANNS. Is 's Bier bei eng wohlfeil – setz ich mich schon her.


Er setzt sich, man bietet ihm zu trinken.


VEIT schlägt ihn unterm Trinken spaßhaft in den Rücken. Führt dich der Guguk auch her, du alter Radelsführer! Dö schrein mir eh schon 'n ganz Nachmittag, daß ich mein, fallt der Himmel ein!

STEINKLOPFERHANNS. O fix nein! Sixt, dös is, weil ich net dabei war. Ich kann dir Liedeln, die dich nur so ins Ohr kitzeln wie a Bettfeder! Singt.


Wann der Himmel einfallet,


ALLE BURSCHE singen leise mit Brummstimmen nach.

Wann der Himmel einfallet,

STEINKLOPFERHANNS.

Dös wär nit zum Lacha!

ALLE.

Dös wär nit zum Lacha!

STEINKLOPFERHANNS.

Wann der Himmel einfallet –

ALLE.

Wann der Himmel einfallet –

STEINKLOPFERHANNS und alle.

Dös wär a –


– Zugleich, schreiend und mit den flachen Händen auf den Tisch schlagend –.


Kracha!!

VEIT faßt nach seinen Ohren, ärgerlich und lachend. No hab ich mir's doch denkt, wann der was fürbringt, is 's Allerschlechtest!

STEINKLOPFERHANNS. Nur lustig, lustig! Gehn auf der Welt die Spitzbubn in der Maschkaradi, schadt's nix, schaut amal a der ehrlich Mann wie a Spitzbub aus! – Laßts mir fein a ein Krügel hergebn, eng bringt's nit um und ös wißts, ich trink nur fremds Bier!

LOISL ganz reich gekleideter Bursche mit blanken Knöpfen und schwerer Uhrkette, selbstgefällig. Wirt, du kannst ihm oans bringen.[5]

STEINKLOPFERHANNS. No, vergelt dir's Gott, Loisl! – Sikra nein, du schaust aber a darnach aus, als kam's dir am leichtesten an! Führst dein Uhr an einer schweren Ketten – lauft s' leicht voraus?


Alle lachen.


LOISL beleidigt. Is dös fürn Trunk?

STEINKLOPFERHANNS. Na, dös ist umsunst, fürn Trunk hast ja schon dein Vergelt's – Gott!

MARTIN hat nach links in die Szene geblickt. Na, gebts a Achtung! Schauts, wer dort umn Weg biegt.

MICHL. Mein Six! Dös is die Wirtin mitn Gelbhofbauer.

LOISL. Hat s' ihn mal aufgabelt? Dö hat ihm's eh gschworen, wann er ihr mal übern Weg lauft, sie laßt 'n nit aus!

MICHL. Drum, weil er der Lauteste da am Bubentisch war, und seit er verheirat is, sitzt er seinm Weib auf der Kittelfalten und schaut sich um seine früheren Kameraden gar nimmer um.

STEINKLOPFERHANNS. Dafür is er jetzt Bauer.

VEIT. Ah, der Sikra laßt sich ja gar nit anschaun! 's ganz Dorf kann ihn leiden, und er is nit erkenntlich und tut, als kam ihm dös zu von Rechts wegn.

STEINKLOPFERHANNS. Vielleicht grad deßtwegn mögts ihn leiden.

VEIT gewichtig. So a Glück wie er habn wenig gmacht, und doch vergunnt ihm's jeder! Kommt vor a paar Jahr als armer Bursch da von Zwentdorf nüber nach Grundldorf und wird dort Großknecht beim allmächtigen Großbauer, und der hat da rüben bei uns wieder ein alten Verwändten, 'n Bindernatz, der 'n gelben Hof und a einzig mannbar Dirn, die Sepherl, dazu hat. Der Großbauer bringt den Huber-Tonl auf dös Anwesen da her – Schlägt in den Tisch. – und, hast's nit gsehn, erheirat der 'n Gelb Hof und den Großbauern ...

STEINKLOPFERHANNS dazwischen. Vergiß nit – »allmächtigen« Großbauern – mußt sagn!

VEIT fortfahrend. Und 'n Großbauern zum Vetter. – A starks Stuck![6]

STEINKLOPFERHANNS. Ah ja, dös schon! Nur bracht's leicht ein jeder andere a zuwegn. Zeigt auf die Bursche. Wirf du einm von dö Spatzn das Hanefkörndl hin, ob er nit a draufpickt! – Auf den Wirt. Sooft d' Red aufn Gelbhofbauer kommt, wird bei ihm 's Radel laufet, und da haspelt er die ganze alte Gschicht aber; so verwunderig kommt's ihm vor. Der Großbauer hat gern in die Dörfer da herum seine Adjutanten, dös is das Ganze, und dazu taugt ihm der jetzt am Gelben Hof. Ich aber weiß was Neuchs – Auf die Kommenden. –, und wußt der, wie er da jetzt 'n Weg hertappt, davon, bracht 'n kein Teuxel daher!

MARTIN zugleich. No, was?

MICHL. Laß's los!

STEINKLOPFERHANNS rückt zu, halblaut. Wie er noch drent in Grundldorf Großknecht war, ist er mit einer Kellnerin gangen.

MICHL. Dös is ja a was Alts!

STEINKLOPFERHANNS. Narr! Freilich wohl! Aber der Gspaß kommt erst. Dös is neuch, daß die nämlich Kellnerin gestern da bei unsern Wirten eingstanden is!

VEIT. So! No! Die Liesel wär's –?!

SEPP lacht dumm. Öhöhöhö!

MARTIN schlägt mit der Faust in den Tisch. Lustig und rasch nacheinander. Was d' sagst!

LOISL Na wart, Dirn!

MICHL. Dös trifft aber fein zsamm!

STEINKLOPFERHANNS. Pscht! Seids stad! Sie sein schon nahet!


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Werke in zwei Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21977, S. 3-7.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Therese. Chronik eines Frauenlebens

Therese. Chronik eines Frauenlebens

Therese gibt sich nach dem frühen Verfall ihrer Familie beliebigen Liebschaften hin, bekommt ungewollt einen Sohn, den sie in Pflege gibt. Als der später als junger Mann Geld von ihr fordert, kommt es zur Trgödie in diesem Beziehungsroman aus der versunkenen Welt des Fin de siècle.

226 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon