Erste Szene


[53] Steinklopferhanns und Anton.


STEINKLOPFERHANNS sitzt auf einem niedern Steinblock und hämmert auf einen der vor ihm liegenden, etwa kindskopfgroßen Steine los. No – du Sakra! – Ob d' vonnand gehst?! – So – nomal – no siehst!

ANTON kommt hastig von links. He! Steinklopfer!

STEINKLOPFERHANNS hämmert, ohne sich umzusehen, weiter. Jo! – Bist du's, Gelbhofbauer?[53]

ANTON läßt sich auf einem großen Steinblock daneben nieder und holt tief Atem. Wohl!

STEINKLOPFERHANNS weiterhämmernd. Wart a weng! – Weiß's, kommst Abschied nehmen – geh dir dann gleich die Hand – muß mehr s' nur vorerst bissel waschen – weil's a Abschied auf so lang is. – Wann gehts denn schon – ös alle nach Rom? – Fix hnein, jetzt möcht ich geistlich sein – hitzt wird aber 's Weibertrösten angehn! – No, 's is vergunnt – bleibt für uns ander ledig Leut schon a noch was!

ANTON. Steinklopfer – laß gscheit mit dir reden!

STEINKLOPFERHANNS. Wann d' dös imstand bist – ich hör schon!

ANTON. Ich hab gestern was Dumms gmacht.

STEINKLOPFERHANNS dreht sich überrascht gegen ihn um. Wann du dös alle Morgen sagst, bist am Weg, der Gscheiteste z' werdn!

ANTON. Ich war gestern – no, so – no, mein Gott, ich hon halt mein Weib nachgebn.


Steinklopferhanns lacht.


ANTON. Mußt nit lachen, Steinklopfer, mußt nit lachen! Du weißt nit, wie mir is, seit ich dös vom alten Brenninger ghört hab.

STEINKLOPFERHANNS. Was?

ANTON. No, weißt's nit? Verunglückt is er!

STEINKLOPFERHANNS fährt vom Boden in die Höhe und wirft den Hammer hinter sich in die Steine. Was sagst?

ANTON steht gleichfalls auf. Vor einer Stund habn s' 'n tot ausn Wildbach zogn. Weißt ja, er hat gestern noch nach Grundldorf wolln; nachm Ort schon zu, bei der Wegbeug, wo 's Ufer so hoch ansteigt und schroff gegen 's Wasser abfallt, dort habn s' 'n gfunden. Gewichtig. Du warst dabei, du mußt's wissen. Steinklopfer, wie der alte Mon gestern gredt hat, ich hab mer's nur verzähln lassen. – Er hat nit viel gtrunken und is noch rüstig ausgschritten, und a Nacht[54] war auch, so klar, daß man jed Blattel auf die Bäum hätt zähln können – fehltreten is er nit! Er wird halt 'n Steig zwischen die Büsch fortgangen sein – und wer weiß, wie ihm dabei ums Herz war –, bis er auf einmal dort in die Lichtung treten is, dort steht mer eh knapp am Rand – unten rauscht 's Wasser, und gradüber am entern Ufer liegt unser Dörfel und nah, mir meint, mer könnt's greifen, 's letzte Häusel davon, 'm Brenninger seins. Dort hat er halt 'm Weg a End gmacht!

STEINKLOPFERHANNS nickt und läßt sich langsam wieder auf einen Steinblock nieder. Ernst, halblaut, indem er sich auf seinen Hammer stützt. Is mir leid um ihn! – Recht leid! – Hm – 's is besser – 's is doch besser so – sein Hauswesen habn s' ihm ja doch zernicht – dös hätt sich nimmer gebn! – Die Toten sein gut aufghobn!

ANTON eifrig. Ich sag dir, Steinklopfer, wie ich gsehn hab, wie da die Sachen ausgangen sein, da is's mir erst in 'n Kopf gschossen, was wir für a Stuck angebn täten, wann wir vor d' Weiber z' Kreuz kriechen! Wie aus wär für Lebzeit mit aller wahr Lieb und häuslich Zucht und Ehrbarkeit! – Da kommen die Weiber – grad dö Weiber, dö doch zum Mon halten solln, und wann ihn sonst a alle Welt verlasset – da kommen s' hergrennt auf a fremd Wort und a fremd Ansehn, und dös sollt auf amal mehr gelten – und gilt ihnen a mehr – als all die jahrlang Lieb und Sorg um sie! Himmlischer Vater, wohin sollt denn dös führen?! – Hanns, 's is a Rauberswelt, bist nur sicher, solang d' nix hast – hast was, so langen s' von allen Seiten zu, und du sollst davon abgebn; je mehr d' hast, je mehr bist unfrei! – An Geld und Gut, an Weib und Kind, wo s' nur ein Endl derwischen können, fassen s' dich an, und du sollst dabei stillhalten wie a Gecklmandl an der Wand und nur deine vorgeschriebnen Sprüng dazu machen. Aber dös, dös is doch 's letzte, und was für Händ mir auch ins Nest greifen – ob gweihte oder ungweihte – da hoaßt's: Vogel, wehr dich![55]

STEINKLOPFERHANNS wieder mit seinem gewöhnlichen trockenen Humor. 'n Schnabel tust wenigstens weit gnug auf!

ANTON. Hab ich nicht recht?

STEINKLOPFERHANNS. Was fragst denn mich?

ANTON. Weil ich's den andern nit so sagen kann; und weil du gleich gsagt hast, weil amal unterschriebn is, soll a unterschriebn bleibn; – – du hast mich a gestert nachts noch mitnehmen wölln – –

STEINKLOPFERHANNS spielt mit dem Hammer. No ja – laß's gut sein! Was wollts denn hitzt? Du hast dich ja gestern vor deinm Weib zu allm verpflicht, und heut fruh gleich sein die ganzen Kreuzelschreiber von Zwentdorf dir nachtappt.

ANTON. Habn sich dö beim Versprechen auf mich ausgredt, können sie's hitzt a beim Zrucknehmen. Und was ich versprochen hon – so a Versprechen, wo 's andere falsch Spiel spielt, halt mer doch net!

STEINKLOPFERHANNS ernst. Gibt mer nit! – Dös is hitzt vorbei. Und wann d' Treu und Glauben auf Monwort hnauswirfst, du saubrer Vogel, so verwüst nur dein eigen Nest!

ANTON. Hast denn koan Rat, Steinklopfer?

STEINKLOPFERHANNS. Für g'gebens Wort gibt's koan andern Rat als: halten!

ANTON ganz perplex. Fort solltn mer?!

STEINKLOPFERHANNS lacht. Jo, nachm kurzen Verstand kommen dö langen Gsichter!

ANTON. Wie d' da lachen magst, Steinklopfer, wie d' da noch lachen magst ...

STEINKLOPFERHANNS. Mußt nit meinen – Deutet auf Kopf und Herz. –, ich wär da oder da nit recht richtig! Aber drei Ding hon ich gern hell und klar und siech s' ungern trüb; dös is der blau Himmel – mein Trunk – und mein und andrer Leut Augn! 's is mer eh vorher a schwarz Wolk über d' Sonn grennt, wie ich an d' letzt Hütten im[56] Ort denkt hab! ... Laß dir sagen, solang Gspaß war, hon ich über eng lachen mögen – hitzt hilf ich eng – ich sorg dafür, daß ös auf enger Wort halts und doch nit fort müßts – nur zu mir müßts halten! No schau nit so dumm, gwiß – gwiß! Aber no lustig – wieder lustig, Gelbhofbauer! Mitm Traurigsein richt mer nix! Die Welt is a lustige Welt! Geheimnisvoll. Ich weiß's, daß's a lustige Welt is! Freilich, ös wißts 's nit; eng is noch ausm großen Buch vorglesen wordn, da hab ich schon mein extraige Offenbarung ghabt!

ANTON. A Offenbarung?!

STEINKLOPFERHANNS nickt. Seither hat mich a neamd mehr traurig gsehn, und weil sich's grad schickt, mag ich dir's wohl erzählen, wie dös gwesen is – nur trag's nöt weiter im Ort hrum, sonst meinen s', ich wöllt ein neu Glauben aufbringen, und da könnt mich leicht der Landjager zwegn Gwerbstörung aufs Gricht holn!

ANTON legt die Hand aufs Knie des Steinklopfers. Verzähl's nur!

STEINKLOPFERHANNS. Ös jung Leut kennts freilich nur 'n lustigen Steinklopferhanns, aber es war schon a ander Zeit vorher; wie ich noch der arm Hannsl war, den a Kuhdirn auf d' Welt bracht hat und zu dem sich kein Vater hat finden wolln. – Hitzt vertragt sich's ganze Dorf recht schön mit mir, ich könnt nit klagn, aber damal, wie mein Mutter Kuhdirn, bald nach meiner Geburt, verstorbn is und wie die Gmeind für mich hat Kostgeld zahln müssen, kannst dir schon denken, wieviel Lieb ich da wohl gnossen hab! Jeder hat mir den Groschen, den er für mich beigsteuert hat, gspürn lassen. Dös sündig Volk hat nit dran denkt, daß dös für ihre Hallodereien, dö in der Gheim bleiben, eh a leicht Abfinden is, wann s' allzsamm so eins erhalten, dös halt auch unvorgsehn in d' Welt hneingrumpelt is! In der Schul und in der Kirch mußt ich zruckstehn, und wie ich bei der Stellung auf einmal für ein reich Bauerssohn hab tauglich sein ... dürfen, war ich ordentlich froh. Lang hat's aber nit dauert, so hon ich von Militari[57] wieder wegmüssen, weil mich bei ein Manöver a Roß gschlagen hat. – Auf einmal war ich halt wieder da – dös is hitzt wohl a Stuck a vierzig Jahrln her – da habn s' mich da hrauf in Steinbruch gsetzt und zum Bettler »Steinklopfer« gsagt; wie ein Einsiedel habn s' mich da sitzen lassen, zwischen Wurzeln und Kräuter und Wasser, ohne Ansprach, und wie mich bald drauf a Krankheit hingworfen hat, hat mir aber kein Seel die gringste Handreichung tan – no, ich hon mir später denkt, grad wie zur Zeit, wo mich 's Roß gschlagen hat: 's Vieh versteht's nit, wie's einm weh tut! – Damal aber war ich zerst trutzig und hab mir denkt: Meinen s', du bist a Hund – kurierst dich auch wie a Hund – frißt nix und saufst Wasser und brauchst sö net! Nachher aber, wie ich dabei allweil matter und matter wordn bin, und es laßt sich Tag um Tag neamd, aber neamd, kein menschlich Gsicht sehn, da is mir ztiefst in die Seel hnein weh wordn! – Und wie ich so recht schwach und elendig mal da drin lieg – Mittag war's grad, und die Sonn hat so freundlich gschienen wie nie – da denk ich mir: Hnaus mußt – hnaus! – Sollst versterbn, stirbst draußt; die grün Wiesn breit dir a weiche Tuchet unter, und d' Sonn druckt dir die Augen zu, du schlafst ein und wirst nimmer munter, der Tod is nur a Bremsler, was kann dir gschehn?! – Mühselig hon ich mich fortgschleppt aus der Hütt – Steht auf und zeigt hinab nach links. – bis dort hnunter – siehst, wo der Wald anhebt –, dort, wo die zwei großen Tannbäum stehn, zwischen dö bin ich ins Gras gfalln, und dort hon ich die Eingebung ghabt. Kleine Pause. So still war's dort und so warm in der Sonn z' liegn – vorn die grün Wiesen, die blauen Berg – und 's Tal, wie in ein weißen Brautschleier, unten, und über allm der helle, lichte Himmel. Da is a tiefer Fried über mich kommen, und es is mir durch die Seel zogn: dös siehst schon noch amal! – Und dann, dann bin ich wie tot glegn, ich weiß nit, wie lang! – Von da ab mit steigender Erregung. – Und wie ich wieder munter werd, is die Sonn[58] schon zum Untergehn – paar Stern sein daghängt, nah, wie zum Greifen – tief im Tal hat's aus die Schornstein graucht, und die Schmieden unt am Waldrand hat hraufgleucht wie a Feuerwurm – vor mir auf der Wiesen habn die Käfer und die Heupferd sich plagt und a Gschrill gmacht, daß ich schier hätt drüber lachen mögen – über mir im Gezweig sein die Vögel gflattert, und über alls hin is a schöne, linde Luft zogn. – Ich betracht dös – und ruck – und kann ohne Bschwer auf amal aufstehn, und wie ich mich noch so streck und in die Welt hineinschau, wie sie sich rührt und laut und lebig is um und um und wie d' Sunn und d' Stern hrunter- und hraufkämmen – da wird mir auf einmal so verwogen, als wär ich von freien Stucken entstanden, und inwendig so wohl, als wär 's hell Sonnenlicht von vorhin in mein Körper verbliebn ... und da kommt's über mich, wie wann eins zu einm andern redt: Es kann dir nix gschehn! Selbst die größt Marter zählt nimmer, wann vorbei is! Ob d' jetzt gleich sechs Schuh tief da unterm Rasen liegest oder ob d' das vor dir noch viel tausendmal siehst – es kann dir nix gschehn! – Du ghörst zu dem alln, und dös alls ghört zu dir! Es kann dir nix gschehn! – Und dös war so lustig, daß ich's all andern rundherum zugjauchzt hab: Es kann dir nix gschehn! – Jujuju! – Da war ich's erstmal lustig und bin's a seither bliebn und möcht, 's sollt a kein andrer traurig sein und mir mein lustig Welt verderbn! – No, lustig, lustig, Gelbhofbauer – es kann der nix gschehn!

ANTON um zu verbergen, daß er ergriffen ist, derb. Du Sakra, du! Ja, was bist denn du nachher? Du bist ja kein Christ und kein Heid und kein Türk! – No, du brauchst halt kein Predigt über d' Nächstenlieb. Bietet ihm die Hand. Gelt, aber du haltst hitzt zu uns?

STEINKLOPFERHANNS schüttelt ihm die Hand. Ich halt zu eng! Aber pariert muß werdn! Hauptmann von dö Kreuzelschreiber, du mußt mer dein Kommando abtreten und dö Kriegskosten mußt auch zahln, denn ich schlag mein Hauptquartier hitzt unt im Wirtshaus auf – zu so was[59] is's herobn im Steinbruch z' trocken! Kimm nur! Mein erster Befehl an eng is d' Marschbereitschaft!

ANTON. Jo, aber ...

STEINKLOPFERHANNS. Net mucksen – ich weiß, was ich tu! Dös verstehts ös net! Ös müßts gehn, damits bleiben könnts!

ANTON. Aber was hast denn vor?

STEINKLOPFERHANNS. Wirst's schon hören! – Du weißt, ich hon meine Eingebungen!

ANTON. Jo – wann's nur schon auf gleich war!

STEINKLOPFERHANNS. Verlaß dich auf mich! – Aber kein Verrat mußt mer nit spinnen – es schaut nix dabei heraus! – Schlägt ihn auf die Achsel. Ich mein, du hast auch gestern nix davon ghabt!? Geht lachend voraus. Anton folgt lachend nach.

STEINKLOPFERHANNS. Hahaha! Nur lustig – Gelbhofbauer – nur lustig! Halt dich nur zu mir – es kann dir nix gschehn! Nur lustig –!


Indem sie lachend abgehen, fällt der Zwischenvorhang.

Verwandlung

Der Gelbe Hof, wie im zweiten Akte letzte Verwandlung, nur im Tageslichte.


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Werke in zwei Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21977, S. 53-60.
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