|
[56] 1.
Timagoras und Polygnot die Meister,
Protogenes, Apollodor, Timant,
Der allergrößte auch – Apelles heißt er –,
Parrhasius, Zeuxis und die sonst genannt
Aus alter Zeit uns sind als hohe Geister
(Ob auch durch Klotho Leib und Werk verschwand)
Und die, so lang man lesen wird und schreiben,
Dank den Autoren, werden leben bleiben;
2.
Und sie, die jetzt sind oder jüngst noch waren,
Mantegna, Lionardo, Gian Bellin,
Zwei Dossi, Michael (gleichwohl erfahren
Mit Meißel, Pinsel –, Engel nennt man ihn),
Raffael, Bastian, Tizian (sie bewahren
Cadore Ruhm, Venedig und Urbin),
Die uns mit Augen Werke sehen lassen,
Die dort wir aus Beschreibung nur erfassen;
3.
Sie, die wir schon seit tausend Jahren schätzen. –
Sie, die noch schaffen mit der Künstlerhand,
Nur mit geschehnen Dingen uns ergetzen,
Sei's nun auf Brettern, sei es auf der Wand.
Doch die das Künftige vor Augen setzen,
Hat Altertum, hat Neuzeit nie gekannt.
Und dennoch gab's Geschichten einst zu sehen,
Gemalt bereits, als sie noch ungeschehen.
[57]
4.
Doch rühmen kann sich, das vollbracht zu haben,
Kein ird'scher Maler – weder neu noch alt –:
Geknüpft ist diese Kunst an Zaubergaben,
Die Teufelsgeister halten in Gewalt.
Dem Saal, in den wir uns zuletzt begaben,
Lieh einst Merlin in einer Nacht Gestalt
Durch jenes Buch, in des Avernus Gründen
Geweiht, wenn nicht in Nursias grausen Schlünden.
5.
Verloren ist für unsre Zeit gegangen
Die Kunst, an der die Ahnen sich gefreut.
Doch nun zurück, wo schon zu sehn verlangen
Die Gäste Bild um Bild, das dort sich beut.
Ich sagt', es war des Burgherrn Wink ergangen,
Die Kerzen anzuzünden, und zerstreut
Von ihrem Glanz entwich mit einem Male
Die Nacht; nicht heller wär's beim Sonnenstrahle.
6.
Der Hausherr sprach: »Es sind noch ungeschlagen
Der Schlachten viele, die der Saal hier weist;
Man kennt erst wenige in unsern Tagen:
Was dort gemalt, ist ungeschehn zumeist.
Der Maler sah Triumph und Niederlagen
Aus einer spätern Zeit voraus im Geist:
Wann wir uns Sieger, wann Besiegte nennen
Dereinst, ist hier im Bilde zu erkennen.
7.
Jeden der Frankenkriege – mag er enden
Gut oder schlecht – jenseit vom Bergrevier,
Auf tausend Jahr hinaus, hat an den Wänden
Des Saals gezeigt Merlin der Weise hier:
Er ließ von Artus sich an jenen senden,
Der Herrscher ward als Sohn von Markomir.
Warum die Sendung und das Werk geschehen
Dort an den Mauern ist, sollt ihr nun sehen.
[58]
8.
Als Faramund zuerst mit seinen Scharen
Hinüber ging nach Gallien übern Rhein,
Kam's ihm zu Sinn, in unser Land zu fahren,
Ob es von ihm zu zügeln möchte sein.
Denn immer schwächer ließ sich dort gewahren
Die Römermacht: sie sank jahraus, jahrein.
Vereint mit Artus dacht' er hier zu streiten.
Denn beide lebten zu denselben Zeiten: –
9.
Artus, der keinem Plan sich angeschlossen,
Ohn' anzufragen beim Prophet Merlin
(Merlin, dem, als vom Höllenfürst entsprossen,
Blick in die ferne Zukunft war verliehn).
Durch ihn erfuhr er nun, und dem Genossen
Tat er es kund, welch großes Unheil ihn
Samt seinem Volke würd' im Land ereilen,
Das Alp und Meer schließt, Apenninen teilen.
10.
Die Heere (also ließ Merlin ihn sehen)
Der Frankenherrscher aller spätern Zeit,
Sie würden durch das Schwert zugrundegehen
Oder durch Hunger, Pest dem Tod geweiht;
Kurz würden jubeln, lange trauernd stehen
Die Könige, nach kleinem Vorteil Leid
Und Schaden heimwärts tragen; niemals werde
Die Lilie wurzeln in Italiens Erde;
11.
Der Eindruck, den auf Faramund dies machte,
Gab eine andre Richtung seinem Heer.
Merlin sah deutlich, was die Zukunft brachte,
Als ob das alles schon geschehen wär',
Und stellte für den König – wie man dachte,
Durch Zauber – alle die Gemälde her,
Daß künft'ge Tat, als wäre sie gewesen,
Der Franken sei zu schauen und zu lesen,
[59]
12.
Damit ein spätrer Herrscher wohl begreife,
Ihm winke reiche Ehr' im Siegeslauf,
Wenn für Italien er das Schwert ergreife,
Abwehrend wütenden Barbarenhauf;
Doch wenn er, es zu schäd'gen, südwärts streife
Und es beherrschen woll' und knechten drauf,
So wiss' er, eines sei für ihn zu hoffen
Hinterm Gebirg: – ein Grab bereit und offen.«
13.
Er spricht's und führt zur Wand die beiden Frauen,
Wo da beginnt die Reihe: »Sigibert
Ist, nach dem Schatze lüstern, dort zu schauen,
Den ihm das Wort Mauritius hat gewährt;
Seht, wie vom Jovisberg nach ebnen Auen
Des Lambro und Ticin er niederfährt!
Seht Autari, der ihn nicht nur verdrängt hat,
Nein, in die Flucht geschlagen und zersprengt hat!
14.
Den Alpenpaß hinab mit Chlodwig ziehen
Dem Tal entgegen hunderttausend Mann;
Dem Herzog Benevents ist Mut verliehen:
Er greift ihn mit geringer Anzahl an,
Kehrt sich darauf, dem Anschein nach, zum Fliehen,
Und lauernd liegt er: als der Franke dann
Schmachvoll dem welschen Weine nachgegangen,
Dem Fisch am Köder gleich, wird er gefangen.
15.
Seht, Feldherrn hat mit Heeresungetümen
Der Franke Childibert uns hergesandt:
Doch kann er sich nicht mehr als Chlodwig rühmen,
Er hab' erbeutet oder überrannt.
Das Schwert des Himmels trifft den Ungestümen:
Der Seinen Leichen füllen rings das Land,
Weil Sommers Glut und Ruhr vereint sie fällen:
Kaum einer kehrt zurück von zehn Gesellen.«
[60]
16.
Karl zeigt er ihnen nebst Pipin dem Kleinen,
Die nacheinander unserm Lande nahn,
Und beiden will des Glückes Sonne scheinen,
Denn keiner kommt mit einem bösen Plan:
Der Hirte Stephan wird beschirmt vom einen,
Leo vom andern gleichwie Hadrian.
Aistulf zähmt der, den Sohn wirft jener nieder
Und gibt dem Papst die alten Ehren wieder.
17.
Pipin den Jüngern läßt er dann sie sehen:
Wie seine Scharen dicht gedrängt im Feld
Vom Po zum Palästiner Strande stehen;
Er hat mit langer Müh' und vielem Geld,
Daß man bis zum Rialto möge gehen,
Bei Malamokk die Brücke hergestellt.
Dann flieht er; tot im Meer läßt er zurücke
Sein Heer, denn Wind und Flut zerbrach die Brücke.
18.
»Seht, Ludwig von Burgund kommt guter Dinge:
Er wird besiegt und festgenommen dort
Und tut den Schwur, nie wieder feindlich dringe
Er in des Überwinders Land hinfort,
Und fällt aufs neu doch – seht nur! – in die Schlinge,
Er hat gebrochen sein gegebnes Wort.
Zur Strafe wird er, seht ihr, dort geblendet
Und hier als blinder Maulwurf heimgesendet!
19.
Hugo von Arles, den kühnen, seht verjagen
Die Berengare aus Italien jetzt!
Zwei-, dreimal hat er jene schon geschlagen,
Die Hunn' und Bayer haben eingesetzt.
Allein zum Schluß muß er sich doch vertragen;
Ein kurzer Lebensrest bleibt ihm zuletzt.
Der Sohn ist sich zu halten nicht imstande,
An Berengar nun fallen alle Lande.
[61]
20.
Damit des guten Hirten Augen lachten,
Entflammt ein andrer Karl hier neue Glut:
Zwei Kön'ge bringt er um und schlägt zwei Schlachten,
Manfred und Konradin, das junge Blut.
Als seine Mannen Sitt' und Recht verachten
Und er die Herrschaft führt mit Frevelmut,
Wird, was vorhanden ist von seinen Leuten,
Seht, in der Stadt erwürgt beim Vesperläuten!«
21.
Dann zeigt er, wie nach vielen, vielen Jahren
(Doch Jahre nicht, Jahrzehnte sind's vielmehr)
Ein Gallierfeldherr kommt vom Berg gefahren:
»Den mächtigen Visconti dräut er sehr.
Zu Fuß, zu Rosse lagern seine Scharen
Um Alessandria im Kreis umher.
Des Herzogs Truppen aber sieht man drinnen,
Ihn selbst im Hinterhalt auf Listen sinnen.
22.
Die armen Franken fallen in die Schlingen
Da, wo man sie mit Kunst hat ausgespannt.
Auch Armagnac der Graf, mit dem sie gingen
Im Unglückszug – ist in den Tod gerannt.
Zur Stadt hinein läßt man Gefangne bringen,
Als Leichen deckt die größte Zahl das Land.
Von Blut mehr als von Wasser angeschwollen,
Zum Po hin des Tanarus Wogen rollen.«
23.
Ein de la Marche, dazu drei Angeviner
Erscheinen nach einander; jener sagt:
»Die Bruttier, Daunier, Marsen, Salentiner,
Die werden arg von diesen, seht, geplagt.
Der Franke hilft umsonst und der Latiner:
Kein einz'ger bleibt, sie werden all verjagt.
So oft sie kommen, müssen sie von hinnen,
Um Alfons, dann Ferrante zu entrinnen.
[62]
24.
Seht Karl den Achten dort herniedersteigen
Von Alpenhöhn, mit ihm, was kühn und wert:
Vom Liris an nennt er das Reich sein eigen,
Senkt nicht einmal den Speer und braucht kein Schwert.
Die eine Klippe nur will nicht sich neigen,
Die des Typhöus Leib und Arm beschwert.
Dort stellt sich ihm aus Avalos Geschlechte
Graf Inigo del Vasto zum Gefechte.«
25.
Der Herr des Schlosses, der mit dem Berichte
Der Bilder Deutung gab für Bradamant,
Ließ Ischia sehn: »Mein Führeramt verrichte
Ich gleich noch weiter,« sprach er, »an der Wand;
Vernehmt indes zuvor noch die Geschichte,
Die mir durch meinen Urahn ward bekannt:
Von seinem Vater hab' er überkommen,
Sagt er, was ich als Kind von ihm vernommen,
26.
Und der von einem andern seiner Sippe,
Ahn oder Vater; also bis auf den,
Der's hörte von des Mannes eigner Lippe,
Der Bilder ohne Pinsel ließ entstehn,
Weiß, blau und rot: das Schloß dort auf der Klippe
Gab einst Merlin dem Könige zu sehn
Und sprach (der Ahn vernahm's) von künft'gen Tagen,
Was ich in dieser Stunde euch will sagen:
27.
Am Ort, den dort der Held sich hat erkoren,
Und den er schirmt mit so verwegnem Mut –:
Das Feuer hat den Graus für ihn verloren,
So scheint's, das bis zum Leuchtturm loht in Wut –,
Da werd' einmal ein Rittersmann geboren
(Das Jahr, und auch den Tag gar, wußt' er gut),
Der allen, die gewesen auf der Erde,
Als überlegen sich beweisen werde.
[63]
28.
Nireus, Achill so schön und stark nicht waren,
So mutig kein Ulysses sich erweist,
So schnell nicht Ladas, nicht so klug, erfahren
Nestor, der viel gesehn hat, wie es heißt.
Großmüt'ger ist er, als von Romas Scharen
Der Fama Mund den edlen Cäsar preist;
Sie alle werden gegen diesen einen,
Den Ischia bringt, an Ruhme leicht erscheinen.
29.
Als einst der Sproß des Himmels ward gegeben
Dem alten Kreta, hob es stolz die Braun:
Bacchus und Herkules erfreuten Theben,
Das Zwillingspaar der Insel Delos Aun;
So mag der Jubel himmelhoch sich heben
Auf diesem Eiland, wenn die Sonne schaun
Der große Markgraf wird, es zu beglücken,
Den Himmels Huld und alle Gaben schmücken.
30.
Merlin sagt öfter noch, er werd' erscheinen
In schwerster Zeit, vom Schicksal aufgespart,
Da man das Reich verloren könnte meinen:
Es wird vor Knechtschaft nur durch ihn bewahrt.
Doch nehm' ich nichts voraus, weil ihr von seinen
Großtaten auf den Bildern mehr gewahrt.«
Er sprach's und wandte sich, wo Karl des Achten
Berühmte Taten die Gemälde brachten.
31.
»Hier reut«, so sprach er, »Ludwig sein Betragen,
Und daß er Karl rief in das Land herein
(Den Nebenbuhler wollt' er nicht verjagen,
Nein, nur dem alten Gegner lästig sein);
Er hat sich zu den Feinden jetzt geschlagen,
Verlegt den Weg, mit diesen im Verein.
Den Speer gesenkt, kommt Karl mit wehnden Fahnen
Und bricht sich, ihnen trotzend, freie Bahnen.
[64]
32.
Dem Heer, das er zurückläßt in den Landen,
Ist solch ein günstig Los nicht zugedacht;
Denn Ferdinand, durch Mantuaner Banden
Verstärkt, erwächst sehr bald zu großer Macht:
Kein Frank ist mehr zu Land und See vorhanden;
Sie wurden miteinander umgebracht.
Durch einen dann, der durch Verrat gestorben,
Ist ihm die ganze Freud' am Sieg verdorben.«
33.
Zum Bild des Alfons von Pescara gingen
Sie weiter, und er sprach: »Seht diesen Mann,
Der herrlich sich bewährt in tausend Dingen
(An seinen Glanz reicht kein Pyrop heran),
Gefallen in verruchten Negers Schlingen,
Der einen doppelten Verrat ersann:
Seht dort den Pfeil ein blutig End' bereiten
Dem besten Rittersmann aus jenen Zeiten!
34.
Der zwölfte Ludwig« – läßt er drauf sie wissen –,
»Umringt von Welschen, steigt zu Tal jetzund:
Er hat den Maulbeerbaum herausgerissen
Und pflanzt die Lilie in Viscontigrund.
Den Spuren Karls zu folgen ist beflissen
Sein Volk (am Liris eine Brück' entstund):
Bezwungen seht ihr's dann zu Boden sinken,
Zerstreut, getötet, und im Fluß ertrinken.
35.
Nicht besser ist's dem Frankenheer ergangen
Dort in Apulien, schon zur Flucht gewandt;
Zweimal, wie in der Falle, wird's gefangen
Vom Spanier, Herrn Gonsalvo Ferdinand.
Wenn mürrisch hier, wird Ludwig hold empfangen
Von Frau Fortuna in dem reichen Land,
Das zwischen Alp und Apennin gerade
Der Po teilt bis zum Adriagestade.«
[65]
36.
Er schilt sich selbst, als er gesprochen eben,
Weil er zuvor noch andres melden sollt',
Und einen zeigt er, der den Herrn – gegeben
Ward ihm ein Schloß von dem – verrät um Gold;
Den falschen Schweizer auch, der gar das Leben
Des Herrn verkauft, der Brot ihm gab und Sold:
Zwei Frevel haben Ludwig Sieg verliehen;
Er braucht nun nicht einmal das Schwert zu ziehen.
37.
Er zeigt den Cäsar Borgia, der, getragen
Von dieses Königs Gunst, rasch wächst herauf:
Von dem vertrieben werden und geschlagen
Die Rom ergebnen edlen Herrn in Hauf;
Zeigt Ludwig; aus Bologna läßt er jagen
Die Säge, und die Eichen pflanzt er auf:
Er schlägt in Flucht und bändigt Genuesen,
Weil sie Empörer gegen ihn gewesen.
38.
»Seht,« spricht er dann, »das Kriegsvolk, das gefallen,
Bedeckt das Feld von Ghiaradadda dicht.
Geöffnet wird das Tor dem Herrn von allen,
Und lange, scheint's, hält sich Venedig nicht.
Hier läßt er sich's vom Papste nicht gefallen,
Daß er durch der Romagna Grenzen bricht,
Ferraras Modena sodann entwendet
Und weiter raubt; man weiß nicht, wo er endet.
39.
Er läßt dafür Bologna sich entwinden;
Die Bentivoglio ziehen wieder ein.
Zum zweitenmal sind Franken hier zu finden
In Brescia, das sie schlimmer Plündrung weihn,
Dort in Felsina, das sie sich verbinden!
Hier sprengen sie des Kirchenheeres Reihn.
Von beiden Seiten in die Niederungen
Von Chiassi sind die Heere eingedrungen.
[66]
40.
Seht hier die Franken, dort die Spanier schreiten!
Entbrannt ist heißer Kampf in weiter Rund'.
Der Krieger fallen viel auf beiden Seiten,
Und purpurrot ist rings umher der Grund.
Blut fließt in allen Gräben, wo sie streiten:
Mars zaudert mit der Palme lang; jetzund
Hilft ein Alfons dem Frankenheer zum Bleiben
Und weiß die Spanierscharen zu vertreiben.
41.
Ravenna wird der Plündrung preisgegeben;
Seht, wie der Papst die Lippe sich zernagt
Vor Schmerz! Durch ihn naht rasch wie Sturmesweben
Die deutsche Wut: der Franke, den sie plagt,
Wird, ohne nur den Kopf emporzuheben,
Über die Alpen hin zurückgejagt.
Sie pflanzt ein Reis des Maulbeerbaumes wieder
Und wirft im Beet die goldnen Lilien nieder.
42.
Der Franke kommt aufs neu: seht ihn geschlagen
Hier von den Ungetreun, der Schweizerschar,
Die sich dem Sohn als Helfer angetragen,
Ob auch von ihr verkauft sein Vater war.
Die unterm Rade der Fortuna lagen,
Sie stellen mit dem neuen Herrn sich dar,
Der dort auf Rache sinnt in ihrer Mitten
Für Schmach, die bei Novara er erlitten.
43.
Mit besserm Glücke steigen sie hernieder:
Seht Franz, den König, an der Spitze hier!
Vernichtend dringt er in der Schweizer Glieder
Und bricht die stolzen Hörner ihrem Stier.
Nun schmückt sie jener Titel nimmer wieder,
Den sich die Bauern angemaßt als Zier:
Sie möchten gern der Kirche Schützer heißen
Und Fürstenbänd'ger, die den Herrn zerreißen.
[67]
44.
Mailand wird trotz der Liga, seht, bezwungen,
Und Franz verträgt sich mit des Sforza Sohn.
Hier ist der Bourbon in die Stadt gedrungen
Zum Schutz, da wilde Deutsche sie bedrohn.
Doch als dem König andres nützt, dem jungen,
Und er von seiner Leute Wut und Hohn,
Vom Übermut gar wenig scheint zu wissen,
Der drinnen herrscht, wird ihm die Stadt entrissen.
45.
Ein andrer Franz (er gleicht an Wert dem Ahnen,
Nicht mit dem Namen bloß, den jener trug)
Verdrängt den Gallier aus der Heimat Bahnen,
Die ihm die Kirche wiedergab mit Fug.
Aufs neue wehn heran des Franken Fahnen,
Doch diesmal zieht er nicht durchs Land im Flug.
Denn am Ticin stellt ihm sich in die Quere
Der Herr von Mantua mit seinem Heere.
46.
Ist Friedrich wert (noch stört ihm auf den Wangen
Kein leichter Flaum den jugendlichen Flor),
Durch Lanz und Schwert in ew'gem Ruhm zu prangen,
Ragt seine Weisheit höher noch empor:
Pavia zeigts, des Franken Wut entgangen,
Und daß der Meerleu seinen Raub verlor.
Seht zwei Marchesen, beide unserm Heere
Ein Schrecken, und zugleich Italiens Ehre.
47.
Aus einem Nest, aus einem Blut entsprossen:
Der dort Alfonsos von Pescara Sohn,
Des Blut durch jenen Neger einst geflossen,
Die Steine rötend jener Bastion.
Bedrängt durch seinen klugen Plan, verdrossen,
Räumte der Gallier oft Italien schon.
Der andre, dessen Augen gütig schauen
Und treulich, heißt Alfons, aus Vastos Auen.
[68]
48.
Der gute Ritter ist's, von dem ich eben
Gesagt, als ich vorm Eiland Ischia stund:
Merlin begann ihn eifrig zu erheben,
Da er die Zukunft wies dem Faramund:
Der Himmel werd' ihn an Italia geben,
Daß Kirche, Land und Reich in trübster Stund',
Die ihnen je beschieden hier auf Erden,
Gerettet vor Barbarenhorden werden.
49.
Er macht (der Vetter und Colonna schenken
Ihm Rat und Hilfe, wahrlich nicht gering),
Daß dort die Schweizer und die Franken denken,
Bicocca sei fürwahr ein teures Ding.
Seht Frankreich hier in neue Bahnen lenken,
Zurückzuholen, was verloren ging!
Seht Franz bei den Lombarden hier erscheinen!
Auch Napel zu erobern schickt er einen.
50.
Doch die dem Wind gleicht, der emporzujagen
Ein Weilchen pflegt den Staub im Sturmeswehn,
Um ihn zum Himmel hoch hinauf zu tragen
Und wieder läßt hinab zur Erde gehn,
Gibt ihm den Wahn ein, daß, den Feind zu schlagen,
Dort bei Pavia hunderttausend stehn:
Er sieht, wieviel ihm durch die Hände laufen,
Doch nicht, ob abnimmt oder wächst der Haufen.
51.
So durch des Königs Güte und Vertrauen,
Und weil die Diener gierig oder blind,
Läßt nur ein Teil sich bei den Fahnen schauen,
Als in der Nacht der Waffenlärm beginnt:
Die klugen Spanier, die wohl ohne Grauen
Bereit zum Sturm auf Höll' und Himmel sind,
Wenn zwei vom Haus Avalos nur sie leiten,
Dringen ins Lager ein von allen Seiten.
[69]
52.
Seht hingestreckt von Frankreichs Edlen allen
Die besten, der Vasallen Glanz und Wert!
Wie dicht sich Feindeshaufen um ihn ballen,
Seht, wie der König unverzagt sich wehrt!
Er wankt nicht, gibt sich nicht, als schon gefallen
Ist unter ihm – seht dort – sein gutes Pferd;
Mag gleich auf ihn nur zielen, ihn umringen
Die Überzahl, und niemand Hilfe bringen.
53.
Zu Fuße kämpft der tapfre König weiter,
Badet im Blut der Feinde immerfort;
Doch Mut erliegt zu großer Zahl der Streiter:
Seht ihn gefangen hier, in Spanien dort!
Pescara und del Vasto, sein Begleiter,
Der treue, seht, wie sie sogleich am Ort
Den allerersten Ruhmeskranz erringen,
Weil sie Herrn Franz besiegten und ihn fingen.
54.
Das andre Heer bleibt nun am Wege hangen,
Daß es nicht Napel mehr Bedrängnis schafft;
Der Lampe gleich, wenn ihr das Wachs zergangen
Oder das Öl auch ward dahingerafft.
Seht, wie der König, Freiheit zu erlangen,
Die Söhne läßt in der Iberier Haft!
Er sucht Italien heim, doch ihm bereiten
Feinde das gleiche Los zu selben Zeiten.
55.
Seht, wie sie unsrer Roma Jammer bringen
Allüberall mit Mord und Räuberein!
An heil'gen frevelnd und an Menschendingen,
Durch Brand und Schändung alles rings entweihn!
Zum Heer der Liga Klag' und Wehruf dringen;
Von draußen sehen sie die Wüstenein
Und lassen, statt sich vorwärts zu bewegen,
Den Erben Petri dort in Fessel legen.
[70]
56.
Lautrec erscheint mit neuen Kämpferreihen;
Nicht mit Lombarden will er neuen Streit,
Nein, aus der feigen Frevlerhand befreien
Das Haupt – und Glieder auch – der Christenheit.
Doch säumt er also lang, daß schon im Freien
Der Heil'ge Vater ist, den Nöten weit.
Er zieht zu der Sirene Grab von dannen,
Und rings das Land verheeren seine Mannen.
57.
Des Kaisers Flotte seht in Wogenmitten!
Sie denkt den eingeschloßnen beizustehn:
Von Doria wird der Weg ihr abgeschnitten;
Sie muß, verbrannt, zerstückt, zur Tiefe gehn.
Doch launisch sein liegt in des Glückes Sitten:
Bis jetzt hat Frankreich seine Gunst gesehn;
Nun bringt es Tod mit Fiebern, nicht mit Speeren;
Heim kann von tausend noch nicht einer kehren.«
58.
Diese Gemälde, andre noch in Massen
(Nicht alle nenn' ich Euch) enthielt der Saal,
Der groß genug war, um sie wohl zu fassen,
In Farben schön und ausgesucht nach Wahl.
Den Frauen ward es schwer, die Pracht zu lassen:
Sie kehrten zweimal um, zum drittenmal,
Und lasen öfter, was – in Gold getrieben –
Unter dem schönen Werke stand geschrieben.
59.
Die Fraun und wer sich noch im Saal befunden
(Man geht umher und schaut und plaudert jetzt)
Geleitet dann der Wirt, der alle Stunden
Der Gäste Ehrung sich zum Ziel gesetzt.
Nachdem die andern schon vom Schlaf gebunden,
Legt Bradamant sich auch zur Ruh' zuletzt,
Kehrt sich zur Rechten bald und bald zur Linken,
Doch Schlummer kann nicht auf die Lider sinken.
[71]
60.
Das Frührot will ihr endlich ihn bescheren;
Da ist's, als stelle Roger ihr sich dar.
Er sagt zu ihr: »Wie kannst du dich verzehren
Und etwas glauben, das doch gar nicht wahr?
Bergaufwärts eher wird der Fluß sich kehren,
Als daß nicht dein mein Herz sei immerdar!
Wär' mir die Liebe nicht zu dir geblieben,
Könnt' ich mein Herz nicht, meine Augen lieben.«
61.
»Mich taufen lassen«, scheint er noch zu sagen,
»Ging ich; gegebnes Wort – ich halt' es dir;
Und säumt' ich war's, weil Wunden schwer mich plagen,
Ein andrer Feind als Amor schlug sie mir.« –
Da kommt der Morgenstrahl den Traum verjagen,
Und Roger steht nicht länger mehr vor ihr.
Aufs neue quillt es aus dem Aug' in Bächen,
Und bei sich selbst beginnt sie so zu sprechen:
62.
»Ein falscher Traum hat Wonne mir gegeben;
Nur allzu wahr ist wache Bitterkeit.
Das Glück war Traum und mußte rasch entschweben;
Kein Traum, o weh, ist Kümmernis und Leid!
Was hörbar, sichtbar ist in Traumes Weben,
Warum ist's nicht dem wachen Sinn bereit?
Wie könnt' ich meinen Augen denn vertrauen,
Die Glück geschlossen, Unheil offen schauen?
63.
Traum ist, was mich in Friedensruh' entrückt hat,
Das bittre Wachen zeigt die Kriegesbahn:
Falsch war der süße Traum, der mich berückt hat, –
Das bittre Wachen, weh, das ist kein Wahn!
Wenn Wahrheit kränkt und Falsches mich beglückt hat,
So bleibe Wahrheit fern und abgetan!
Kann Traum erfreuen, Wahrheit elend machen,
So laßt mich schlafen! Laßt mich nie erwachen!
[72]
64.
Beglückte Tiere, fest vom Schlaf umwunden,
Sechs Monde lang vom Wachen nicht bedroht!
Daß solch ein Schlaf werd' als ein Tod befunden,
Wachen als Leben –, das hat keine Not.
Denn höchst verkehrt wird ja von mir empfunden
Der Schlaf als Leben, Wachen als ein Tod.
Sinkt aber Tod als solch ein Traum hernieder
Gleich jetzt, dann schließe mir, o Tod, die Lider!«
65.
Als in der Früh' die nächt'gen Schatten weichen,
Und keine Wolken mehr am Himmel stehn,
Und nun der Tag nicht jenem scheint zu gleichen,
Den sie, voll Trübsinn, hier zuletzt gesehn,
Da wacht sie auf, hat rasch die Wehr genommen,
Rechtzeitig weiter ihres Wegs zu gehn;
Nicht ohne daß sie Dank dem Schloßherrn zollte,
Weil er sie ehren und bewirten wollte.
66.
Und draußen kam sie zu der Abgesandten,
Die aus der Burg bereits mit ihrem Chor
Von Zofen und mit Knappen und Trabanten
Gegangen war zu jenen drei zuvor,
Die aus dem Sattel auf den Boden sandten
Des Speeres Stöße vor des Schlosses Tor,
Und die gar schlecht bei Regen, Wind und Kälte
Genächtigt hatten unterm Himmelszelte.
67.
Noch schlimmer war, daß sie mit leerem Magen
Samt ihren Rossen hielten böse Rast,
Die Zähne stampfend aufeinand zu schlagen:
Allein noch mehr fast – richt'ger, ohne »fast« –
Weil in den Gliedern schwer die Sorgen lagen,
Die Botin möge künden im Palast
Der Herrin, daß sie all im Land der Franken
Beim ersten Lanzenstoß zu Boden sanken.
[73]
68.
Zu sterben oder für die Schmach geschwinde
Rache zu üben, eilen sie herbei,
Damit der Abgesandten (und ich finde,
Daß sie Ullania geheißen sei)
Aus dem Gemüt die schlechte Meinung schwinde,
Die sie wohl hege schon von ihnen drei.
Kaum sehen sie die Jungfrau draußen reiten,
So fordern sie das Haimonskind zum Streiten,
69.
Weil keiner eine Maid in ihr erkannte,
Denn nichts an ihr wies auf ein Fräulein hin.
Zuerst den Kampf verweigert Bradamante
Als eine, die nur Eile hat im Sinn.
Doch als man dringender sich an sie wandte,
Vorwurf zu meiden, senkt die Kriegerin
Den Speer und streckt sie alle dreie nieder;
Und damit war der Fall zu Ende wieder.
70.
Ohne sich umzudrehen, kehrt sie ihnen
Den Rücken zu und reitet eilig fort.
Den andern, die, den Goldschild zu verdienen,
Gekommen sind von also fernem Ort,
Entschwand der kühne Mut aus ihren Mienen;
Sie stehen kleinlaut auf und ohn' ein Wort,
Erheben nicht zur Botin ihre Brauen:
O wie die drei verblüfft und traurig schauen!
71.
Sie gaben sich – mit Hochmut in Gebärden –
Als Helden erst, in großer Prahlerei:
Man finde keinen Rittersmann auf Erden,
Der ihrer einem nur gewachsen sei.
Das Fräulein nun, damit noch kleiner werden
Und ganz den Stolz verlieren alle drei,
Macht ihnen kund, nicht großem Frankendegen,
Nein, einem Weibe seien sie erlegen.
[74]
72.
Sie spricht: »Hat eine Frau euch hier geschlagen,
Wie stellt sich dann mit Roland wohl der Fall
Oder Rinald, die jeden überragen,
Gewiß mit Grund geehrt allüberall?
Kriegt deren einer nun den Schild zu tragen,
Wollt ihr, die durch ein Weib hier kamt zu Fall,
Ihn solchem Helden im Turniere rauben?
Das glaub' ich nicht; – ihr werdet's auch nicht glauben.
73.
Ihr braucht nicht weitre Proben darzulegen;
Was ihr vermögt, ist ja schon aufgeklärt,
Und wer von euch so kühn ist und verwegen,
Daß er noch mehr Erfahrungen begehrt,
Der schickt den Schaden nur der Schmach entgegen,
Die er bereits erfuhr und noch erfährt;
Es sei denn, daß, von hohem Paladine
Zu sterben, ihm erwünscht und nützlich schiene.«
74.
Und als nun deutlich die Beweise kamen,
Daß jener Rittersmann ein Fräulein war
(Sie sahen schwarz wie Pech die eignen Namen,
Die früher weithin glänzten, hell und klar),
Und es bestätigt ward durch Herrn und Damen
– Statt eines Zeugen war es eine Schar! –,
Sah man, wie Wut und Schmerzen sie beschwerten,
Daß sie das Schwert fast auf sich selber kehrten.
75.
Als Zorn und Grimm unsagbar sie bedrücken,
So reißen sie die Rüstung sich vom Leib
Und auch das Schwert – sie wollen's nie mehr zücken:
Im Graben drunten hab' es den Verbleib!
Und weil sie hingestreckt sind auf den Rücken,
Besiegt und überwältigt durch ein Weib,
So schwören sie, um Buße sich zu schaffen,
Sie gehn ein volles Jahr lang ohne Waffen
[75]
76.
Und immer nur zu Fuß, zu allen Zeiten,
Im ebnen Tale hin, bergab, bergauf;
Sie wollen Stahl nicht anziehn und nicht reiten,
Bis daß vollendet eines Jahres Lauf,
Wofern sie Roß und Waffen nicht erstreiten
Durch eignen Arms Gewalt aus Feindes Hauf.
So ziehn sie waffenlos zu ihrer Buße
Mit ihren Reitern fort, sie selbst zu Fuße.
77.
Zu einem Schloß kam in den Abendstunden
Auf ihrem Wege Fräulein Bradamant.
Von Karl hat sie die Nachricht dort gefunden:
Er und Rinald besiegten Agramant.
Quartier war gut, die Mahlzeit könnte munden,
Doch war es nicht, was ihr zu Sinne stand:
Kaum aß sie, suchte kaum die Lagerstätte
Und fand auch nicht die kleinste Ruh' im Bette.
78.
Doch hält mich nicht so sehr die Tugendreiche,
Daß mir entginge jenes Ritterpaar:
Ihr wißt, daß bei dem Quell nach dem Vergleiche
Sein Pferd von jenem angebunden war.
Es geht um Länder nicht noch Königreiche
Der Kampf – ich stell' ihn alsobald Euch dar –,
Nein, darum, wer die Durendal besitze,
Und wer als Reiter auf dem Bajard sitze.
79.
Trompeten sagen nicht noch Kriegesweisen,
Wann man den Anfang macht, und wann den Sprung,
Auch nicht, wie Meister Streich' und Deckung weisen,
Das Herz entzündend zur Begeisterung:
Sie ziehen in derselben Zeit das Eisen
Und zeigen sich behend und flink und jung.
Die schweren, raschen Hiebe hört man schallen,
Und schon beginnt der Zorn emporzuwallen.
[76]
80.
Unmöglich wär's, zwei solche Waffen bringen;
So gut und hart und fest war jedes Schwert:
Sie würden bei dem dritten Hieb zerspringen;
Nie fände solche Wucht sie unversehrt.
Doch dieses waren so vollkommne Klingen,
Als sicher in gar manchem Strauß bewährt:
Sie stellten unbeschädigt tausend Schlägen,
Vielleicht sogar noch andern sich entgegen.
81.
Rinald, des Gegners Klinge zu vermeiden,
Dreht sich mit Kunst und mit gewandter Hast:
Er weiß ja, Durendal versteht zu schneiden
Durch jedes Eisen, das sie nur erfaßt.
Viel stärker ist der Hiebe Wucht beim Heiden,
Doch in den Wind nur gehen alle fast.
Und wenn ein Schlag auf seinem Gegner krachte,
So traf er, wo er wenig Schaden brachte,
82.
Dieweil der Christ sein Ziel bedächt'ger findet
Und oft des Heiden Arm ermüden läßt;
Bald, wo der Helm dem Harnisch sich verbindet,
Bald in die Hüfte wird das Schwert gepreßt;
Doch keine Masche löst sich oder schwindet.
Die Rüstung bleibt wie Diamant so fest.
Daß sie an Kraft und Härte auserwählt ist,
Erklärt sich, weil sie durch Magie gestählt ist.
83.
Als ohne auszuruhn die Krieger streiten,
Auf Haun und Stechen ganz allein erpicht,
Gradaus nur blickend, niemals nach den Seiten,
Stets in des Gegners grimmig Angesicht,
Da macht ein Nachbarkampf die Augen gleiten,
Daß sich der Sinn vom Zorn auf andres richt't;
Ein Lärm erschallt; sie heben ihre Brauen
Worauf sie Bajard schwer gefährdet schauen.
[77]
84.
Den bracht' ein Ungeheuer ins Gedränge,
Größer als er; sah wie ein Vogel aus,
Mit einem Schnabel von drei Ellen Länge,
Sonst an Gestalt wie eine Fledermaus;
Und scharfe Nägel hatten seine Fänge,
Federn wie Tinte schwarz, voll Schreck und Graus.
Die Augen Feuer, grimmig seine Mienen,
Und Segel seine großen Flügel schienen.
85.
Vielleicht ein Vogel war's: wo solch ein Wesen
Und wann es gab, das weiß ich freilich nicht;
Hab's nie gesehn und nie davon gelesen –
Turpin ist's, der von diesem Untier spricht.
So glaub' ich denn, ein Teufel ist's gewesen,
Und Malegis hat ihn mit dem Gesicht
Dorthin geschickt und mit dem Vogelleibe,
Damit der Kampf der beiden unterbleibe.
86.
Rinald auch glaubt's (ihm brachte die Geschichte
Streit mit dem Vetter später mancherlei:
Doch der macht die Beschuldigung zunichte
Und schwört, daß man der Tat ihn fälschlich zeih',
Schwört es beim Urquell von dem Sonnenlichte,
Und daß er rein in dieser Sache sei).
Ob Vogel oder Teufel, – überfallen
Hat dieses Untier Bajard mit den Krallen.
87.
Dem Renner ist so große Kraft gegeben,
Daß er die Zügel voller Grimm zerreißt,
Um auf den Feind den Eisenhuf zu heben.
Der aber flieht, als Bajard schlägt und beißt,
Und kommt zurück und läßt die Schwingen schweben,
Hackt mit den Klauen, da er ihn umkreist.
Bajard ist außer sich und, als er keine
Hilfe sich weiß, macht er sich auf die Beine.
[78]
88.
Zum nahen Wald zu fliehn ist ihm gelungen;
Er sucht sich stets die Stellen dichtbelaubt.
Ihm nach hat sich der Vogel aufgeschwungen,
Auslugend scharf, sobald's der Weg erlaubt.
Doch Bajard ist ins Dickicht tief gedrungen,
Bis eine Höhl' ihn dem Verfolger raubt.
Das Flügeltier, das nun die Spur verloren,
Hat in der Luft sich neue Beut' erkoren.
89.
Die Zwei, die ohne Siegespreis geblieben
Und ohne Gegenstand für ihren Zwist,
Beschließen ihren Handel zu verschieben,
Bis Bajard vor den Klaun gerettet ist,
Die nach dem dunklen Wald ihn fortgetrieben;
Und wer ihn finde, soll ohn' Hinterlist
Sich mit dem Hengst zurück zur Quelle wenden,
Um kämpfend dort den Streitfall zu beenden.
90.
Sie brachen auf und folgten von der Quelle
Den frisch geschaffnen Spuren durch den Wald,
Doch ihre Schritt' erreichten nicht an Schnelle
Den Hengst und fanden manchen Aufenthalt.
Gradaß traf seine Stut' an ihrer Stelle,
Sprang in den Sattel rasch und ließ Rinald
Weit hinter sich, der, unwirsch und verdrossen
Wie nie, verschwinden sah den Königssprossen.
91.
Des Renners Spur ist bald nicht mehr zu sehen,
Denn dieser wählt gar seltsam rauhen Pfad,
Wo Felsen, Bäche, Dickicht, Schluchten stehen,
Den schlimmsten Weg und dornigsten gerad,
Um jener scharfen Kralle zu entgehen,
Die ihm, vom Himmel kommend, wehe tat.
Rinald kehrt nach vergeblich langem Mühen
Zurück, wo von dem Quell die Tropfen sprühen,
[79]
92.
Und wartet dort; den Renner wiederbringen
Sollte Gradaß, wie es vereinbart war.
Doch als die Stunden ohne Frucht vergingen,
Kehrt' er zu Fuß betrübt zu seiner Schar. –
Zu ihm jetzt, dem es besser soll gelingen,
Durch Weisheit nicht, durch reines Glück fürwahr:
Das ließ ihn nah zur Felsenhöhle kommen,
Und Bajards Wiehern hat er dort vernommen.
93.
Er fand ihn noch ganz zitternd von dem Schrecken
Und dem Entsetzen, das er überstand:
Er wagte nicht den Kopf hinauszustrecken,
Und so geriet er in des Heiden Hand.
Wohl kam es in den Sinn des Mohrenrecken,
Daß ihn sein Schwur zum Quell zu gehen band;
Doch den zu halten ist er nicht gesonnen
Und hat mit sich die Zwiesprach so begonnen:
94.
»Trachte, wer will, mit Waffen nach dem Pferde;
Ich nehm' es lieber doch in Frieden hier.
Vom fernsten Ende kam ich her der Erde,
Und bloß, um zu gewinnen dieses Tier.
Wenn einer meint, daß ich es lassen werde,
Nun ich es hab' – ein Narr erscheint er mir.
Und ist dem Herrn Rinald das nicht willkommen –
Wie ich hierher, mag er nach Indien kommen!
95.
So sicher ist die Serikanerseite,
Wie zweimal für mich selbst der Frankenort.«
Er spricht es, strebt nach Arles hin durch die Weite
Und findet da sein Heer und geht an Bord
Geteerter Kriegsgaleer' (ihm gibt Geleite
Bajard und Durendal) und segelt fort. –
Wir wollen Ruhe gönnen Herrn Gradassen
Und ihn und Frankreich und Rinald verlassen
[80]
96.
Und schaun nach Astolf, der mit Zeug und Zügel
Nach Reiterart so rasch hin durch den Raum
Sich tragen ließ von seines Tieres Flügel:
Es folgten ihm wohl Falk und Adler kaum,
Durch Gallien von Pirene bis zum Hügel
Am Rheinstrom, und von Meer zu Meeressaum;
Bis er nach Westen das Gebirg ereilet,
Das Frankreich von dem Lande Spanien teilet,
97.
Kommt nach Navarra, kommt nach Aragona
(Und staunend sieht den Flieger jedermann),
Läßt rechts Biskaya sein, links Taragona
Und langt im Reich der Kastilianer an,
Erblickt Galicien drauf und Ulisbona
Und Cordova und auch Sevilla dann,
Sieht alle Städte, sei's am Meeresstrande,
Sei's in dem Innern tief vom Spanierlande.
98.
Cadix, wo Herkules den Schifferscharen
Der Vorzeit gab das Ziel, erblickt er da
Und schickt sich an, vom Atlasmeer zu fahren
Zum End' Ägyptens quer durch Afrika,
Sieht die berühmten Inseln Balearen
Und auch Eviza seinem Wege nah.
Dann nach Arzilla überm Meeresschaume,
Der Spanien abgrenzt, lenkt er mit dem Zaume.
99.
Marokko, Fez, Hippona, Algier zeigen
Sich, auch Buzea, Städte stolz und hehr:
Sie nennen jede Städtekron' ihr eigen,
Kronen von Gold, von Laub und Blatt nicht mehr.
Biserta, Tunis schlingt sich in den Reigen,
Capis, Alzerb als Eiland tief im Meer.
Bernike, Tripolis und andre Städte,
Bis wo der Nil nach Asien gräbt sein Bette.
[81]
100.
Er sieht die Länder alle, die gelegen
Zwischen dem Meer und wilden Atlas sind,
Schweift dann, sich nach Cyrene zu bewegen,
Ab vom Gebirg Carena, und geschwind
Geht's Albajad an Nubiens Grenz' entgegen;
Über die Wüsten flog er wie der Wind.
Das Grab des Battus blieb ihm hinterm Rücken
Und Ammons hoher Tempel, jetzt in Stücken.
101.
Ein andres Tremisen! Die drinnen leben,
Befolgen Mohammeds Gebote all.
Nun muß der Vogel nach Äthiopien schweben
– Jenseit des Nils und seiner Wogen Schwall –,
Zur Nubierhauptstadt drauf den Flug zu heben
Zwischen der Stadt Dobada und Coall.
Hier wohnt der Christ, und drüben wohnt der Heide:
Stets an der Grenz' in Waffen stehn sie beide.
102.
Senap, Äthiopiens Kaiser, der in Händen
Den Stab des Kreuzes trägt an Zepters Statt,
Hat Land und Leute, Gold auch zum Verschwenden,
Bis wo das Rote Meer den Ausgang hat;
Ist unsres Glaubens fast; dies mag ihm wenden
Einst die Verdammung nach der bösen Statt.
Und irr' ich nicht, so führt er dort das Steuer,
Wo man beim heil'gen Taufen braucht das Feuer.
103.
Am großen Hof ist Astolf abgestiegen,
Von Nubien, zu besuchen den Senap.
Mehr reich war das Kastell als fest in Kriegen,
Das Schutz dem Fürsten der Äthiopier gab;
Die Brückenketten zeigten Gold, gediegen,
Gold alles bis zum kleinsten Schloß hinab.
Kurz, überall wird Gold gebraucht von ihnen,
Wo wir des Stahls, des Eisens uns bedienen.
[82]
104.
Gab's auch in Menge herrliche Metalle,
War doch darum der Wert des Goldes groß;
Und Säulen aus dem lichtesten Kristalle
Stützten die Hallen um das Königsschloß.
Blau, grün, gelb, weiß und rot sodann um alle
Die Söller rings ein Meer von Strahlen schoß,
Die wohl verteilt aus vielen Feldern schienen,
Saphir, Smaragd, Topase und Rubinen.
105.
Auf Dach und Wand und Dielen, da zerstreuten
Sich Perlen viel und edeles Gestein.
Der Balsam kommt von dort; was zu erbeuten
Jerusalem vermochte, scheint hier klein.
Auch unser Bisam kommt von jenen Leuten,
Und unser Ambra stellt von dort sich ein.
Kurzum, aus jenem fernen Lande stammen
Die Dinge, die wir preisen, allzusammen.
106.
Man sagt, Ägyptens Herr muß sich bequemen
Zu Huldigung an jenen und Tribut,
Weil der den Nil vom Bette könnte nehmen
Ablenkend, und dann ohne seine Flut
Wohl Hungersnöte rasch nach Kairo kämen
Und andern Landen in des Sultans Hut.
Er ist es, den Senap die Seinen nennen,
Wir aber als Johann, den Priester, kennen.
107.
Wieviel auch Herrscher in Äthiopien waren,
Er war der Fürst an Reichtum und an Macht;
Jedoch bei allen Schätzen, allen Scharen
Verlor er's Augenlicht und sank in Nacht.
Und gar viel Schlimmres sollt' er noch erfahren;
Die größte Not hat eines ihm gebracht:
Daß er, den man den reichsten König nannte,
Nie Sättigung, nur wilden Hunger kannte.
[83]
108.
Nahm jemals Speise oder Trank der Arme,
Von Durst geplagt und grimmer Hungerqual,
War er umringt von jenem Höllenschwarme,
Den scheußlichen Harpyien, mit einemmal.
Sie stürzten die Gefäß' um, ihm zum Harme,
Mit Räuberklaun, und rissen fort das Mahl:
Was der gefräß'ge Bauch nicht wollte fassen,
Das haben sie besudelt hinterlassen.
109.
Und dies, weil er in herber Jugend Blüte,
Als er empor zu solchen Ehren stieg,
Gewähnt, sein, wie an Reichtum und Geblüte,
Sei überall durch Mut und Kraft der Sieg:
Ein Luzifer, vermessen im Gemüte,
Wider den eignen Schöpfer sann er Krieg.
Zum Berg, von dem der Nilstrom seine Wogen
Herabwälzt, kam er mit dem Heer gezogen.
110.
Er hörte, oben auf den Felsenkanten,
In Wolken, sei das ird'sche Paradies,
So wie es Adam einst und Eva kannten,
Eh sie der Engel aus der Pforte wies.
So kam's, daß er mit Fußvolk, Elefanten,
Kamelen frevelnd ebnes Land verließ,
Begierig, alles oben seiner Krone
Zu unterwerfen, wenn ein Volk da wohne.
111.
Gott ließ den Wahnwitz nicht das Ziel erreichen:
Des Himmels Engel in der Schar erschien,
Der hunderttausend Nubier macht' erbleichen;
Zu ew'ger Nacht verdammt' er aber ihn.
Drauf ward dem Scheusal aus der Hölle Reichen
An seinen Tisch zu kommen Macht verliehn,
Das Mahl zu rauben, und es zu beflecken,
Daß er es nie genießen konnt' und schmecken.
[84]
112.
Ein Seher prophezeite (in Entsetzen,
Verzweiflung war des Königs Leid gekehrt):
Er werd' an reinen Speisen erst sich letzen,
Von Staub verschont, nicht durch Gestank versehrt,
Am Tage, wenn er durch die Lüfte setzen
Mit einem Reiter seh' ein Flügelpferd.
Nun mußt' er hoffnungslos und traurig stehen,
Denn nimmer, meint er, könne dies geschehen.
113.
Als jetzt die Leute voller Staunen schauen
Den Ritter, wie er über Mauerrand
Und Türme fliegt, eilt einer gleich mit Grauen
Und macht dem König diesen Fall bekannt.
Der denkt der Prophezeiung voll Vertrauen
Und nimmt vor Freude nicht den Stock zur Hand,
Den treuen: nein, er hilft sich tastend weiter
Und kommt mit Schwanken hin zum luft'gen Reiter.
114.
Hernieder senkte sich in weiten Kreisen
Astolf und hielt am Platze vor dem Schloß.
Der König ließ sich zu dem Reiter weisen:
Die Hände ringend kniet er vor dem Roß
Und spricht: »Du Engel, Heiland, laß dich preisen!
Find' ich Verzeihung nicht – mein Fehl ist groß –
Bedenk, ob wir nicht rasch, zu sünd'gen, seien
Und ihr bestimmt, Zerknirschten zu verzeihen!
115.
Ich bitte nicht – denn allzugroß ist, wehe,
Die Sündenschuld – um meiner Augen Strahl.
Wohl glaub' ich, daß es leicht durch dich geschehe;
Bist Gottes Liebling, aus der Sel'gen Zahl.
Genüge dir das Leid, daß ich nicht sehe,
Und laß mich nicht vergehn in Hungers Qual!
Verjage nur die stinkenden Harpyien,
Die räuberisch die Speisen mir entziehen!
[85]
116.
Und einen Tempel will ich dir errichten
In meiner Königsburg aus Marmelstein,
Von Golde Tür und Dach, und Schmuck von lichten
Juwelen soll ihm reichen Glanz verleihn.
Er soll von deiner Wundertat berichten,
Benannt nach deinem heil'gen Namen sein.«
Der Blinde spricht's, der schwer hat dulden müssen,
Und sucht umsonst des Herzogs Fuß zu küssen.
117.
»Ich bin kein Engel,« sprach der Prinz dagegen,
»Kein Heiland, komme nicht vom Himmel her,
Bin sterblich und der Sünde selbst erlegen,
Verdiene solche Gnade nimmermehr;
Doch alle Kräfte brauch' ich deinetwegen:
Fliehn oder sterben soll das Teufelsheer.
Dem Herrn, nicht mir, magst du den Lobsang zollen,
Daß er den Flug hierher hat lenken wollen.
118.
Gelobe Gott, was du an Herrlichkeiten
Versprachst zu bauen, Kirch' und Goldaltar!«
Worauf sie beide nach dem Schlosse schreiten,
Von Höflingen umringt und edler Schar.
Der König hieß sogleich das Mahl bereiten,
Weil er so ganz der frohen Hoffnung war,
Den Unholdinnen werd' es nicht gelingen,
Ihm dieses Mal die Speisen zu entringen.
119.
Und drinnen wird sogleich in reichem Saale
Gerüstet das Bankett mit großer Pracht.
Mit dem Senap saß ganz allein beim Mahle
Der Herzog, und die Speise ward gebracht.
Da, horch, erbebt die Luft mit einem Male
Vom Sturm, durch graus'ger Schwingen Schlag entfacht!
Harpyien nahn in scheußlichem Gedränge,
Gelockt vom Duft aus reicher Speisen Menge.
[86]
120.
's ist eine Schar von sieben: wie von Frauen
Ist ihr Gesicht, erstorben, bleich und alt
(Den Tod zu sehen macht nicht solches Grauen),
Vertrocknet, welk, von Hungers Pein umkrallt;
An räuberischen Händen krumme Klauen,
Die Flügel groß und schrecklich mißgestalt,
Stinkend und lang der Bauch, und hinten findet
Ein Schwanz sich, der sich schlangenartig windet.
121.
Kaum in der Luft vernahm man sie, so saßen
Sie auf der Tafel alle miteinand
Und warfen Schüsseln um und raubten, fraßen,
Derweil den Bäuchen Unrat sich entwand;
Der stank entsetzlich, über alle Maßen,
Daß stopfend nach der Nase fuhr die Hand.
Sogleich ist Astolf zornig aufgesprungen
Und hat aufs Federvieh sein Schwert geschwungen.
122.
Die trifft er auf den Hals und die am Kopfe,
Die auf die Brust und auf die Flügel die –:
Als ob er einen Sack mit Werge klopfe,
Erlahmt der Hieb und wirksam ist er nie.
Berührt wird, was in Schüssel ist und Topfe,
Und eher nicht den Saal verlassen sie,
Bis sie gefräßig all die Gottesgaben
Durch Raub vernichtet und besudelt haben.
123.
Verjagt zu sehen diese Teufelinnen,
Des armen Königs ganze Hoffnung war;
Die will mit einemmal ihm nun verrinnen;
Er seufzt und stöhnt, verzweifelt ganz und gar.
Doch halt! – Dem Herzog kommt sein Horn zu Sinnen,
Das oft geholfen hat in der Gefahr.
Er überlegt bei sich, daß diese Weise
Vielleicht sich als die nützlichste erweise:
[87]
124.
König und Hof muß sich vor allen Dingen
Mit warmem Wachs verstopfen erst das Ohr,
Damit sie, wenn des Hornes Töne klingen,
Nicht voll Entsetzen fliehen vor das Tor.
Dann eilt er, auf das Flugtier sich zu schwingen,
Und zieht sein schönes Wunderhorn hervor,
Worauf dem Truchseß Wink und Hände sagen:
Er möge eilen, wieder aufzutragen.
125.
Gerichtet wird ein Tisch in offner Halle,
Und neue Speisen bringt man her jetzund.
Wie früher kommen die Harpyien alle;
Da führt der Herzog rasch sein Horn zum Mund,
Und weil mit Ohren ungeschützt dem Schalle
Kein einziger der Vögel widerstund,
So haben sie, auf tolle Flucht versessen,
Das Mahl und alles übrige vergessen.
126.
Der Herzog hinter ihnen spornt zur Schnelle
Sein Flugroß: von der Halle fliegt es auf,
Eilt fern der Stadt, wie fern von dem Kastelle,
Wild jagt es jener Ungeheuer Hauf.
Und immer bläst Herr Astolf schaurig, grelle:
Die Rotte flieht zum höchsten Berg hinauf,
Um bis zur roten Zone hin zu dringen
(Wenn irgendwo, muß dort der Nil entspringen).
127.
Ein tiefer Höhlenraum zieht unterm Grunde
Sich gleichsam an der Bergeswurzel fort,
Und wer hinab will nach dem Höllenschlunde,
Der findet, heißt's, den besten Eingang dort.
Hier flüchtet hin die Schar, die ohrenwunde,
Als wäre das ihr Heim und sichrer Port,
Hinunter bis zu des Cocytus Wellen,
Daß nicht ins Ohr die Schaudertöne gellen.
[88]
128.
An dieses Höllentores finstrer Weite,
Durch das nur, wer vom Licht sich kehrte, ging,
Legt Astolf sein entsetzlich Horn beiseite
Und wendet rückwärts seines Renners Schwing'. –
Nun will ich, eh ich weiter ihn begleite –
Ich schätzte sonst ja meinen Brauch gering –
Zumal die Seiten alle vollgeschrieben,
Ein wenig ruhn und den Bericht verschieben.
Ausgewählte Ausgaben von
Der rasende Roland
|
Buchempfehlung
In Paris ergötzt sich am 14. Juli 1789 ein adeliges Publikum an einer primitiven Schaupielinszenierung, die ihm suggeriert, »unter dem gefährlichsten Gesindel von Paris zu sitzen«. Als der reale Aufruhr der Revolution die Straßen von Paris erfasst, verschwimmen die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit. Für Schnitzler ungewöhnlich montiert der Autor im »grünen Kakadu« die Ebenen von Illusion und Wiklichkeit vor einer historischen Kulisse.
38 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro