Fünfte Szene

[446] Der Chor. Ein spartanischer Herold. Der Ratsherr.


HEROLD.

Wo ist der groß' Rat hie z' Athen? D'Prytanen,

Wo sy sie de? I sött nen öppis säge!

RATSHERR.

Bist du ein Mensch, du? oder ein Priap?

HEROLD.

E Herold bin i, Herr, bim Donner, ja,

Vo Sparta chumen i vo wegem Friede.

RATSHERR.

Was trägst du denn den Spieß da unterm Arm?

HEROLD.

I trage nüt bi Gott!

RATSHERR.

Du drehst dich um?

Was ziehst du so den Mantel vor? Hast du

'Nen Wolf vom Marsch?

HEROLD.

Bim Hell, dem Cheubel fehlt's[446]

Im Chopf!

RATSHERR.

Du hast ja Stanzen, garst'ger Kerl!

HEROLD.

Das ist nit wahr! Herr, leut die dumme Gspäß!

RATSHERR.

Was ist denn das?

HEROLD.

E guet spartan'scher Schrybstock.

RATSHERR auf seinen Phallos deutend.

Dann hab' auch ich 'nen gut spartan'schen Schreibstock!

Sieh, Freund, ich weiß schon alles, darum sag

Mir rund: wie steht's bei euch in Lakedaimon?

HEROLD.

Ganz ufrecht steits bi üs, und d'Bundesg'nosse

Hei's o wie d'Pfähl: mer bruche jiz Pellene.

RATSHERR.

Wo habt ihr denn das Übel her? Vom Pan?

HEROLD.

Nei, d'Lampito, die ist an allem d'Schuld,

Die het is ds Wybervolch i Sparta alles

Verfuhrt: druf hei sie de einmütig b'schlosse:

Sie welle d'Manne nimme drüber lah!

RATSHERR.

Wie geht's euch nun?

HEROLD.

Verflucht! Mer hümpe chrumm

U bugglig über d'Gaß, wie Ampelträger.

Sie leun is nit e Mal a ds Huppi gryffe,

Die Täsche, bis mer all eihellig bschließe,

Es söll vo Stund a Friede sy im Land.

RATSHERR.

Ha, ha! Nun seh' ich klar, die Weiber haben

Sich allesamt und überall verschworen!

Drum geh und sag, sie sollen schnell hierher

Gesandte schicken mit gehöriger Vollmacht.

Auch unser Rat wird seine Leute wählen:

Ich trag's ihm vor und zeig' ihm, wie Er steht!

HEROLD.

Hesch recht, bi Gott! I lauf scho, was i cha!


Beide ab.


CHORFÜHRER.

Wild, unbändig, wie die Weiber, ist kein Tier auf Erden mehr,

Unbezwingbar gleich dem Feuer, frecher als das Panthertier![447]

CHORFÜHRERIN.

Wenn du solches weißt, warum denn fuhrst du Krieg mit mir, du Narr?

Und doch kannst du mich zur treuen Freundin haben, wenn du willst!

CHORFÜHRER.

»Nein, die Weiber samt und sonders hass' ich all mein Leben lang.«

CHORFÜHRERIN.

Wie es dir gefällig! – Trotzdem bring' ich's doch nicht übers Herz,

Dich so nackt zu sehn! Du bist ja – sieh nur selbst – der Kinder Spott!

Nun, ich komm' zu dir und ziehe, mit Verlaub, dies Wams dir an!


Die Weiber bekleiden die Männer.


CHORFÜHRER.

Meiner Treu, ihr tut nicht übel, hätt' euch das nicht zugetraut!

Denn im hellen Zorn und Ärger hatt' ich's vorhin abgelegt.

CHORFÜHRERIN.

So, nun siehst du wie ein Mann aus, bist nicht mehr der Kinder Spott!

Hättst du mich nicht so beleidigt, hätt' ich auch das Tierchen da

Lange dir schon weggefangen, das dir überm Auge sitzt!

CHORFÜHRER.

Ja, das war's, was mich gezwickt hat! Da, nimm diesen Zauberring,

Reib das Ding mir 'raus und laß dann, wenn's heraus ist, mich es sehn,

Denn mich zwickt's und beißt's, der Henker weiß wie lang, am Auge schon.

CHORFÜHRERIN.

Nun, ich tu' dir den Gefallen, so bärbeißig du auch bist! –

Gott, welch Ungetüm von einer Schnake hast du da am Leib!

Siehst du hier? – Von Trikorythos stammt das Untier sicherlich![448]

CHORFÜHRER.

Ei, das war doch eine Wohltat! Wie ein Brunnenbohrer grub's!

Nun das Ding herausgenommen, läuft ein Tränenstrom herab.

CHORFÜHRERIN.

Komm, ich wisch' dir's ab, obwohl du's nicht verdient, du böser Mann!

Ja, ich küss' dich.

CHORFÜHRER.

Laß das Küssen!

CHORFÜHRERIN.

Magst du wollen oder nicht!

CHORFÜHRER.

Ei, so bleibt mir doch vom Leibe, Schmeichelkatzen seid ihr all'!

Darum sagt auch, und mit Unrecht nicht, ein altes, weises Wort:

»Weder mit noch ohne dieses gottverfluchte Weibervolk!«

Sei's! – Wir bieten jetzt euch Frieden! Und in Zukunft sollt ihr nie

»Böses mehr von uns erfahren, noch uns selber Böses tun!«

Tretet her zu uns, wir stimmen nun vereint ein Chorlied an!


Sie vereinigen und gruppieren sich.


ERSTER HALBCHOR gegen das Publikum.

Nicht gesonnen sind wir, Männer,

Irgend Schlechtes nachzusagen

Einem aus der Bürgerschaft!

Liebes nur, Gutes nur

Sagen wir und tun wir euch:

Denn des Schlimmen wahrlich ist

Schon genug, was uns drückt!

Darum sagt's nur frei heraus,

Mann und Frau, wer es ist:

Braucht ihr Geld, ein hübsches Sümmchen,

So zwei Minen oder drei auch? –

Geld die Fülle!

Denn den Säckel führen wir![449]

Und wenn's einst zum Frieden kommt, –

Was ihr heut von uns geborgt habt,

Heimzuzahlen

Eure Schulden braucht ihr nie!

ZWEITER HALBCHOR.

Wir erwarten aus Karystos

Gäste, die wir gern bewirten,

Männer tüchtig, schön und brav!

Erbsenbrei hab' ich noch,

Auch ein Ferkel war noch da,

Das ich abgetan: ihr kriegt

Schönes Fleisch, zart und weich.

Also kommt nur ungeniert

Heut zu mir, aber früh,

Nach dem Bade gleich, und wascht auch

Eure Kinder hübsch und tretet

Ohne Anstand

Ein und fraget ja nicht lang,

Sondern ganz als wie zu Haus

Geht hinein geraden Weges,

Ohne weiters:

Tür und Tor für euch ist – zu!

CHORFÜHRER.

Ei seht nur, da kommen von Sparta schon die Gesandten mit zottigen Bärten

Und zwischen den Beinen mit Pflöcken, o Graus, als wollten sie Schweine dran binden!


Quelle:
Aristophanes: Lysistrate, in: Sämtliche Komödien. 2. Band, Zürich [o.J.], S. 401–460, S. 446-450.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Lysistrate
Lysistrate / Frauen beim Thesmophorienfest
Lysistrate
Lysistrate: Griechisch/Deutsch

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Gedichte. Ausgabe 1892

Gedichte. Ausgabe 1892

Während seine Prosa längst eigenständig ist, findet C.F. Meyers lyrisches Werk erst mit dieser späten Ausgabe zu seinem eigentümlichen Stil, der den deutschen Symbolismus einleitet.

200 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon