|
[450] Der Chor. Spartanische Gesandte. Dann ein Athener. Später Lysistrate. Die Göttin der Versöhnung. Ein Diener.
CHORFÜHRER.
Spartan'sche Männer, unsern Gruß zuvor!
Sagt an: wie steht's bei euch, was führt euch her?
SPARTANER.
Was seu mer do es längs Breiammel mache,[450]
Wie's bei is steit, das cheut der selber gseh!
CHORFÜHRER.
Entsetzlich! Euer Leidensstrang ist straff
Gespannt, und die Entzündung scheint bedenklich!
SPARTANER.
Gar grüslech, nit zum säge! Chömmet numme
Grad her, wer's ist, mer wei jiz Friede mache!
CHORFÜHRER.
Auch unsre Autochthonen seh' ich so
Armiert und mit beiseitgeschobnem Mantel,
Gerade wie die Ringer: traun, es scheint,
Die Krankheit ist gymnastischer Natur!
Ein Athener tritt auf.
ATHENER.
Wer sagt mir, wo Lysistrate zu finden?
Denn mit uns Männern steht es, wie ihr seht!
CHORFÜHRER.
Ja, hier wie dort, die nämlichen Symptome!
Habt ihr nicht gegen Morgen starke Spannung?
ATHENER.
Ach ja, bei Zeus! Wir reiben bald uns auf,
Und wenn es jetzt nicht bald zum Frieden kommt,
Vergreifen wir uns noch am Kleisthenes!
CHORFÜHRER.
Hört, wenn ihr klug seid, nehmt die Mäntel vor,
Damit kein Hermenschänder euch erblickt!
ATHENER.
Bei Gott, da hast du recht!
SPARTANER.
Das sött i meine!
So wei mer d'Mäntel doch eis fürehänke.
ATHENER.
Ah, seid gegrüßt, Spartaner! – Uns geht's schlecht!
SPARTANER.
Jä gwüß, my Liebe, 's war bidenklech gsi,
We d'Lüt is hätte gseh mit dere Gschwulst!
ATHENER.
Wohlan, nun sagt, Spartaner, rund heraus:
Was sucht ihr hier?
SPARTANER.
De Friede! He, mir sy
Die Gsandte!
ATHENER.
Schön! Der ist auch unser Wunsch![451]
Nun, wollen wir Lysistrate nicht rufen?
Die kann uns doch allein zum Frieden helfen!
SPARTANER.
Bi Gott, und der Lysistratos derzu!
CHORFÜHRER.
Nun, seht, ihr braucht sie nicht einmal zu rufen:
Sie hat euch schon gehört; da kommt sie selbst.
Zu Lysistrate, die mit einer Begleiterin heraustritt.
Heil dir, mannhafteste Zierde der Frau'n! Nun erprobe dich, zeige dich wacker,
Unerschrocken, gewandt, streng, milde, gerecht, diplomatisch, hochherzig, als Heldin!
Denn die Ersten vom Volk der Hellenen, von dir wie mit Zauberstricken gefesselt,
Dir stellen anheim, dir vertraun sie es an, all ihre Beschwerden zu schlichten!
LYSISTRATE.
Das ist nicht schwer, wenn man so heiß entbrannt
Die Männer sieht, voll ungestillter Sehnsucht!
Wir machen gleich die Probe!
Zu ihrer Begleiterin.
Holde Göttin,
Komm, führe die Spartaner her, doch nicht
Mit ungestümer, plumper Hand, – so unklug,
Wie unsre Männer taten, nicht – vertraulich
Und zart, wie sich's für Frau'n geziemen mag!
Wer dir die Hand nicht gibt, den nimm am Schweif!
Die Göttin der Versöhnung tut es.
So, bringe nun auch die Athener her,
Und nimm sie, wo sie gern sich fassen lassen! –
Es geschieht.
Ihr Sparter, stellt euch hierher, neben mich,
Zu den Athenern.
Ihr stellt euch daher! Höret nun mein Wort:
»Ich bin ein Weib, doch wohnt in mir auch Geist!«
Von Haus aus nicht verkürzt an Mutterwitz,[452]
Hab' ich vom Vater und von altern Männern
Manch weises Wort gehört und viel gelernt.
Drum nehm' ich jetzt euch vor und schelt' euch aus,
Wie ihr's verdient! – Besprengt ihr die Altäre
Aus einem Kessel nicht als Stammverwandte
In Pylai, Pytho, in Olympia,
Und wie viel Orte könnt' ich sonst noch nennen? –
Habt ihr Barbaren, Feinde nicht genug,
Daß ihr vertilgt hellenische Städt' und Männer? –
ATHENER.
Ach, mich vertilgt mein Ungestümer hier!
LYSISTRATE.
»Den einen Hauptpunkt habt ihr nun gehört.«
Nun, ihr Spartaner, wend' ich mich an euch!
Wißt ihr's nicht mehr, wie Perikleides einst
Von Sparta flehend kam und am Altar
Im Heroldspurpur bleich sich niederwarf
Und um ein Hilfsheer bat? – Messener schlugen
Euch damals und des Erderschüttrers Arm!
Und Kimon führte dann dreitausend Schilde
Euch zu, und Lakedaimon war gerettet.
Zum Dank für solchen Dienst verwüstet ihr
Nun Attika, das Land, das euch geholfen!
ATHENER.
Weiß Gott, Lysistrate, sie haben unrecht!
SPARTANER.
Des hei mer! – – Was het die nes prächtigs Füdle!
LYSISTRATE zum Athener.
So? Meinst du, euch Athener Sprech' ich frei?
Wißt ihr's nicht mehr, wie die Spartaner kamen,
Zur Zeit, wo ihr den Sklavenkittel trugt,
Und der thessal'schen Männer viel erschlugen
Und viel von Hippias' Helfern und Verschwornen: –
Die einzigen, die an jenem Tag euch halfen,
Die euch befreit und statt des Sklavenkittels
Sein Bürgerkleid dem Volk zurückgegeben?[453]
SPARTANER.
Es töllers Wyb han i my Seel nie gseh!
ATHENER.
Und hat ein Ding, schön, wie ich's nie gesehn!
LYSISTRATE.
Nun, da ihr vielfach Dank einander schuldet,
Warum bekriegt und plagt ihr euch? Warum
Versöhnt ihr doch euch nicht? Was hindert euch?
SPARTANER.
He! Mir wei scho, me söll is nume grad
Das Fürtuch umegä!
LYSISTRATE.
Was meinst du, Freund?
SPARTANER.
Pylos, da gryffe mer scho lang dernah!
ATHENER.
Nein, beim Poseidon, aus dem Griff wird nichts!
LYSISTRATE.
Laßt's ihnen, Freund!
ATHENER.
Den prächtigen Ankerplatz?
LYSISTRATE.
Ihr fordert einen andern Ort für diesen!
ATHENER.
So gebt uns nur zuerst heraus das Ding da,
Das Echinus, und gleich dabei den Busen,
Den Malischen, und die Megar'schen Schenkel ....
SPARTANER.
Ho, nume nit grad all's, du bist nit gschyd!
LYSISTRATE.
Laßt das und zankt euch nicht um ein Paar Schenkel!
ATHENER.
Gern will ich nackt und barfuß Samen sä'n!
SPARTANER.
De wott i wenigstens my Mist druf mache!
LYSISTRATE.
Wenn ihr versöhnt seid, gut, dann tut ihr das!
Doch wenn ihr's tun wollt, geht jetzt gleich zu Rat
Und teilt's auch euren Bundsgenossen mit!
ATHENER.
Was Bundsgenossen noch? Sie her, die Stanzen!
Und wollen nicht die Bundsgenossen alle
Wie wir sich kühlen?
SPARTANER.
Emol i de wohl!
ATHENER.
Ja, und, bei Zeus, auch die Karystier!
LYSISTRATE.
Da habt ihr recht! Nun reinigt euch! Dann laden[454]
Wir Frau'n euch auf die Burg zu uns und bieten
Euch alles an, was wir im Schubfach haben.
Dort sollt ihr auch den Eid der Treue schwören,
Und jeder nimmt dann seine Frau und geht
Mit ihr nach Haus!
ATHENER.
Nur schnell, wir wollen gehen!
SPARTANER.
Gang du voraus, i chume nache.
ATHENER.
Eilt!
Sie ziehen auf die Burg.
CHOR DER FRAUEN, EINE HÄLFTE.
Buntgewirkte Lagerdecken,
Schleppenkleider, Festgewänder,
Goldgeschmeide, alles, was
Mein ist, Freunde, ohne Neid
Geb' ich hin, und jeder mag es
Seinem Buben, seinem Mädchen
Bringen, die den Festkorb trägt.
Jedermann fordr' ich auf:
Lest euch aus ganz nach Lust,
Was von meinem Gut hier innen
Euch gefällt! So fest versiegelt
Ist kein Kleinod:
Reißt das Wachs nur keck herab:
Was ihr findet, nehmt es mit!
Doch um etwas zu erspähen,
Ist's vonnöten,
Daß ihr schärfer seht als ich!
CHOR DER FRAUEN, ZWEITE HÄLFTE.
Wer von euch kein Brot im Haus hat
Und doch Knecht' und Mägd' und viele
Kinderchen zu füttern hat:
Nun, der hole sich bei mir
Weizenkörnchen fein und klein,[455]
Deren euch ein Scheffel einen
Respektabeln Brotlaib gibt.
Wer von euch Armen nur
Will und mag, kommt zu mir;
Euren Weizen zu empfangen,
Kommt mit Säcken, Schläuchen, Körben:
Alle füllt
Euch mein Manes bis zum Rande!
Aber laßt euch warnen: kommt
Nicht zu nahe meiner Türe,
Und vor meiner
Hündin nehmt euch wohl in acht!
Ein Diener von innen.
DIENER.
Holla, die Tür auf! Willst du wohl? Mach Platz!
Stürmt mit einer brennenden Fackel in der Hand heraus. Zum Chor.
Was hockt ihr da? Soll ich mit meiner Fackel
Euch rösten? –
Gegen die Zuschauer.
Ist doch das ein schwerer Posten!
CHORFÜHRER.
Das läßt du wohl! Allein
Gegen die Zuschauer.
euch zu Gefallen
Will ich, wenn's sein muß, das auch noch ertragen!
CHORFÜHRERIN.
Je nun, da will auch ich mit dir es tragen!
DIENER.
Platz! sag' ich, oder wehe euren Haaren!
Platz, daß die Herrn von Sparta, die jetzt drinnen
Sich satt geschmaust, in Ruh heimziehen können!
Ein Athener tritt heraus.
ATHENER.
Mein Lebtag hab' ich so kein Fest gesehn!
Nein, waren die Spartaner liebenswürdig!
Und wir, beim Wein, wie immer die gescheitsten!
DIENER.
Gewiß! Denn nüchtern sind wir niemals klug! –
Wenn die Athener meinem Rate folgten,
Stets wären wir dann als Gesandte trunken!
Jetzt, wenn wir nüchtern hin nach Sparta kommen,
Gleich sehn wir, wo wir Wirrwarr machen können,[456]
Und was sie sagen, hören wir nicht an,
Und was sie nicht gesagt, argwöhnen wir,
Und dann berichten wir, wie's uns gefallt!
Diesmal ging alles gut! Wenn einer auch
Von Aias singt statt von Kleitagora:
Wir loben's doch und schwören drauf'nen Meineid!
Zum Chor, der sich wieder genähert.
Da kommen sie nun wieder und versperren
Den Platz! Ihr Galgenschwengel, wollt ihr fort?
CHORFÜHRER.
Bei Zeus, sie kommen wirklich jetzt heraus!
Der Chor tritt zurück. Die Spartaner treten auf.
EIN SPARTANER zum Flötenbläser.
My Liebe, nimm dys Instrument a ds Mul!
Mer wei eis tanze u de uf d'Athener
Es Loblied singen und o grad uf üs!
ATHENER.
Ja, nimm dein Instrument und spiel uns auf:
Wie freu' ich mich auf den Spartanertanz!
Gesang und spartanischer Nationaltanz.
SPARTANER.
Mnemosyne,
Mach mer jiz die Bube z'tanze,
Hilf es Lied is singe, du hesch ja
Gseh, wie mer einisch, mir und d'Athener
Gfochte hei! – Was die uf d'Schiff los
Gfahre sy, und wie der Tüfel
Bei Artemision
Hei uf d'Perser klopfet!
Üs het der Leonidas
Gführt, wie d'Wildsäu hei mer d'Zähn
Gwetzt, und über üsi Backe
Ist der Schweiß i Bäche abegloffe
Uf my armi Seel, und sogar dür d'Bei ab.
Do sy grüslich viel so Perser
Gfalle, meh als Sand am Meer! –[457]
Wildbrettöteri, Jägeri, Artemis,
O du göttlichi Jumfere, chum jiz
Zum Friedensbündnis,
Und loh das so grad nid verschryße!
Loh geng
Üs leben i Fründschaft und Frieden
U Herrlichkeit! – U de schlaue Füchs –
Dene gä mer deh eis der Abschid!
So chum doch, so chum,
Du göttlichi Jägeri!
Lysistrate kommt mit den Frauen heraus.
LYSISTRATE.
Nun kommt, da alles glücklich abgemacht!
Nehmt diese Frau'n, Spartaner! Aber ihr,
Zu den Athenern.
Da stellt euch her: zu jedem Weib ein Mann,
Zu jedem Mann ein Weib! – Zum Dank den Göttern
Laßt, froh des Glücks, uns tanzen! Doch in Zukunft,
Habt acht, daß ihr zum zweitenmal nicht frevelt!
DER CHOR DER ATHENER.
Tanzet den Reigen, die Grazien ruft,
Rufet auch Artemis, rufet den gütigen
Zwillingsbruder, den Jubelgott,
Ruft auch den nysischen
Bakchos, umschwärmt von Mainaden, den jauchzenden,
Rufet die Götter all', daß sie uns Zeugen sei'n,
Ewig gedenksame, dieses gesegneten,
Herzen erfreuenden Bundes, den gnädig uns
Kypris gestiftet, die göttliche!
Allala! Io! Paian!
Springt in die Lüfte, Triumph!
Lustig, wie Sieger! Triumph!
Juhe! Juhe! Juhe! Juhe!
CHORFÜHRER zum Chor der Spartaner.
Jetzt, Spartaner, singt auch ihr[458]
Von neuem ein neues Lied!
CHOR DER SPARTANER.
Chum, spartanischi Mus' vo schöne Flüehne,
Vom Taygetos aben, u hilf is lobe
Und pryse üse Gott vo Amyklai
Und d'Göttin im ehrige Tempel
Und die rüstige Tyndaride,
Die am Eurotas sich umetummle!
Juhe, tanzet und springet,
Juhe, schlingget brav d'Bei uf! –
D'Stadt Sparta wei mer eis b'singe:
Da tut me gern de Göttere
Zu Ehre mitspringe und tanze,
Und wie d'Fülleni gumpen ech
D'Meitscheni am Eurotas,
Dräje und schlinggen ech d'Bei
Hurtig im Ring um!
D'Haar leut flüge, wie Bakchantinne,
D'Lanze schwinget und springet!
Vorus geit der Leda ihri Tochter,
Die heiligi, schöni Chorführeri.
Lyret ech jiz wieder d'Binden um ds Haar
Und schlaht eui Bei früsch i d'Höchi,
So flingg wie d'Hirze, u chlopfet i d'Händ,
Chlopfet zum Tanze der Takt
U pryset no einisch die Göttin im ehrige
Tempel, die großi
Allüberwinderi!
Ausgewählte Ausgaben von
Lysistrate
|
Buchempfehlung
Die beiden »Freiherren von Gemperlein« machen reichlich komplizierte Pläne, in den Stand der Ehe zu treten und verlieben sich schließlich beide in dieselbe Frau, die zu allem Überfluss auch noch verheiratet ist. Die 1875 erschienene Künstlernovelle »Ein Spätgeborener« ist der erste Prosatext mit dem die Autorin jedenfalls eine gewisse Öffentlichkeit erreicht.
78 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro