Die Belagerung.

[296] Akre. Sang an einer der abgelegenen Stadtmauern, auf welcher Wachen ausgestellt sind, der Mauer gegenüber sehen wir einen von Kugeln durchlöcherten prachtvollen Gartensaal; das, Marmorbad in seiner Mitte haben die Engländer mit Punsch gefüllt, ein kleines Kind mit Flügeln fährt auf einem zierlichen Kahne darauf umher und schenkt ihnen ein, eine Abtheilung sitzt an einem runden Tische und singt.


ENGLÄNDER.

Rund ist der Tisch,

Die Welt ist rund,

Der Freunde Bund

Sitzt rings noch frisch,

Laßt die Kappen schellen,

Laßt die Hunde bellen,

Laßt die Feinde schießen,

Besser wär es, wenn sies ließen.


Großes Schießen, eine Kugel schlägt ein, einer fällt, sein Nachbar ruft: dein Glas hättst doch noch trinken können, ich trink es auf dein ewges Wohlsein.


ENGLÄNDER.

Rund ist das Glas,

Auf stoßet an,

Und Mann für Mann,

Das wird ein Spas,

Laßt das Glas zerschellen,

Daß die Ohren gellen,

Laßt die Feinde grüßen,

Weil sie uns den Wein noch ließen!


Alle durstige Feinde sollen hoch leben![296]

ENGLÄNDER.

Wer ohne Stimm,

Der schrei nur recht,

Das klingt nicht schlecht

Im rechten Grimm.

Jeder treib sein Wesen,

Hexen auf dem Besen,

Feinde mit dem Spießen,

Mädchen mit dem ewgen Küssen.


Es kommen türkische Frauen, welche die Thüren des Harem durchbrochen und die Verschnittenen überwältigt haben, sie gesellen sich zu den Engländern und machen sich durch wilde Küsse deutlich. Olympie, die bei ihnen in Verwahrung gebracht worden, stürzt mit ihrem Kinde heraus und durch den Saal auf die Gasse.


OLYMPIE. Wohl mir daß ich in deiner Stille züchtge Nacht aus dieser Frauen sträflich Leben bin entwichen, wie sind sie in des Lebens stetem Zwang verwildert, die Freiheit wird in ihnen Frevel, weh dieses Anblicks, sie fechten mit einander um die fremden Männer, die stolz so wilde Triebe einzuflößen, den Mord als Opfer ihrer Lieb annehmen. – Die Noth hat alle Pforten guter Zucht hier aufgesprengt, die Noch macht sich vertraulich mit den Menschen. Weh dort brennt das Krankenhaus, umsonst ist da die Kraft des Wassers, denn immer neue Feuerlinien bezeichnen in der Höh den Weg der Bomben, die alle in die Gluth sich senken und diese Gluth so weit umher zersprengen. O dieser armen Kranken! Was half die Labung, die ich ihnen heut gebracht! Wie mancher fühlte Tod in seinem Blute fiebern und dachte nicht daß ein noch frührer Tod ihm von dem Himmel werde[297] fallen. Ich hör die Klagen der Verzweifelnden und hör den Übermuth der andern, ich sehe ahnend die blutgen Wunden, die diese Rasenden vom Leben reißt. Wie herrlich ist mein Lysander in aller Noth, viel herrlicher noch als im Glücke, da steht er würdig ohne Übermuth, bereit und thätig ohne es zu sagen, sein ganzes Wesen wird zur That. Du heilger Gott gewähre mir was ich dem Mann versprochen als er mit Schmerz erlaubte daß ich ihm folgen durfte in des grausamen Krieges Spiel, gewähre mir daß die Verzweiflung mich nicht fasse, daß ich des theuren Hauptes Sorge nicht vermehre, viel lieber laß mich sterben und sorg für dieses Kind, das auch dem Ebenbild.

DIE ENGLÄNDER haben sich wieder gesetzt, nachdem sie die Weiber unter sich getheilt und singen.

Faßt mir den Stuhl

Und rutscht dreimal,

Das macht den Saal

Zur Judenschul:

Laßt die Gläser klingen,

Laßt die Kehlen singen,

Laßt die Feinde schießen,

Nichts soll heute uns verdrießen.


Schreib mit dem Fuß

Dir hinters Ohr,

Der größte Thor,

Wer ohn Genuß:

Laßt die Gläser klingen,

Laßt uns dreimal springen,[298]

Laßt die Feinde schießen,

Wir nur wollen richtig schließen.


Nun schließ den Mund

Der Politik,

Brich oder bieg,

Sieh auf den Grund.

Trinken sperrt die Kehlen,

Wer will sich mehr quälen,

Laßt die Feinde schießen,

Zwerge sind es, keine Riesen.

OLYMPIE. Leichtsinnig sucht sich der gemeine Mensch des Feindes Kraft mit Lügen zu verkleinern, was hab ich nicht gehört von unsern Feinden, wie sie so klein und ausgetrocknet, von Fröschen und von Zuckerwasser knapp genährt, sie würden schon vom Anhauch eines kräftgen Menschen niederstürzen. Ich glaubte das, wie war ich nicht verwundert als ich die ersten lustig durch die Wüste zu uns ziehen sah, so sichern Schritts als ob wir ihnen schon gehörten, da stürzten türksche Reiter auf sie ein, von allen Seiten schienen sie zu fechten und hatten schon in feste Reihen sich geschlossen, wie ein Pallast, der einen Hof umschließt, so drang ihr Viereck unaufhaltsam vor, es war das Feld bedeckt mit türkschen Bunden, es flohn die Türken und wär Lysander nicht mit einer tapfern Schaar von Schiffsoldaten vorgerückt, sie wären mit den Flüchtgen in die Stadt gedrungen. Zwei waren schon voran, verwundet und noch kämpfend entgegen[299] dem Geschick, sie mußten sich ergeben, Lysander rettete sie aus dem Hohn der wilden Menge, sie konnten unsre Muttersprache reden, Lothringer warens, große schöne Männer von sicherm Ansehn gewandt in Reden daß unsre Leute meinten wenn die nicht wären ausgesendet sie zu schrecken, so möchten sie so bald nicht fertig werden mit den andern.

ENGLÄNDER.

Seid doch so gut,

Trinkt nicht zu viel,

Zum ernsten Ziel

Bringt kaltes Blut,

Brennt die Pfropfen an,

Malt den Schnurrbart dann,

Laßt die Feinde schießen,

Also wollen wir sie grüßen.


Was kommt heraus,

Bei allem Wein,

Viel kommt herein

Nichts geht hinaus,

Seht die Löwengrube,

Hier in dieser Stube,

Laßt die Feinde schießen,

Wenn wir sie hierher nur stießen.

EINER.

Drück mir die Hand,

Die Wund drück aus,

Beim hitzgen Schmaus

Flieht kalter Brand;

Wenn ich laut gleich schreie,

Drück mit alter Treue,

Laß die Feinde schießen,

Laß die Wunde sich ergießen!

Au weh! Au weh! An weh![300]

OLYMPIE. Arme Mütter, die euch aufgezogen mit der Sorge reger Wachsamkeit, eure Sorge ist verloren, denn der Muthwill spielt mit eurem Blut. Würfel spielen auf dem Sterbenden die Halbgestorbnen, und sein Leichnam wird ihr Sterbekissen. Tausend, die in Wiegen sorglich eingeschläfert und umhüllt gegen die kalte Luft, werden nackend in die weite Grube an der Schlinge wie die Missethäter hingeschleift, noch am Haar und Zähne drin beraubt, daß sie zieren einen Thoren, der in Ruh sein Geld inzwischen häufte, ihre Güter an sich riß, ihre Frauen hat verführet, ihre Kinder ließ des Elends Raub. Wie ein Holzstoß werdet ihr da unten aufgeschichtet, aber keine Flamme lodert auf, euch zu rächen, euer Grab wird keine Thräne netzen in dem fremden Land. Armer Knabe dich hab ich zum frühen Tod geboren, ja die große Mordwerkstatt fördert rasch die schlimme Arbeit, der Kanonen gleiche Schläge fallen. Ach dein Vater sieht vielleicht in einen offnen Feuerrachen, und jetzt haut der Feuerwerker mit der Lunte auf, – weh, jetzt brennt sie los – wohl mir daß es nur die Furcht, weh mir daß mich Furcht entrissen vom vertrauensvollen Glauben. Keiner kennt ihn, wer auf ihn mag zielen, aber Gott, der kennt ihn, wird ihn schützen, folge ihm mein Sohn auf gleichen Weg der Ehre.[301]

EIN JÄGER kommt mit zerschoßnem Rocke und zündet sich eine Pfeife im Saale.

Pro patria,

Heißt mein Taback,

Und mein Verhack,

Das ist ganz nah,

Wie die Feinde rennen,

Fidibus muß brennen,

Laßt die Feinde schießen.

Will mein Leben noch genießen.


Ich bin Prophet

Und thu euch kund,

Es ist zu bunt,

Wie es hergeht,

Durch die Pulverwolken

Bei den Tabackswolken

Laßt den Feind nur schießen,

Nun Adies, die Hörner bliesen.

EIN REITER tritt ein und hat Zaum und Sattelzeug in Händen, das er traurig betrachtet.

Das schimmlicht Brod,

Das Wasser faul,

Macht todt den Gaul,

Den Schimmel tod,

Könnt ich noch drauf sitzen

Wollt ich hier nicht schwitzen,

Und was hilft das schießen,

Thränen meinem Schimmel fließen.


Er weint.


OLYMPIE.

Was die Mensch bindet,

Lieb und Freundschaft schwindet,

In der allgemeinen Noth,

Brüder senden Brüder in den Tod,

Väter über Söhne

Ohne Schmerzenstöne,[302]

Nur zum Pferde dauert noch des Kriegers Liebe,

Weils ihn in den Tod getrieben,

Ihn errettet, wo er war geschlagen,

Und zum Sieg getragen,

Seines Lebens bessre Hälfte kann ers nennen,

Seine Ehre hat er ihm vertrauet,

Was da furchtlos an das Feuer wagt zu rennen,

Auf den Weg nur schauet,

Ist ihm mehr als Freund und Gott und Glück,

Bringt ihn ehrenvoll ins Vaterland zurück:

Vaterland im Himmel auf der Erde,

Sucht der Reiter nur auf seinem Pferde.

ENGLÄNDER.

Grün ist das Laub,

Das mich umwallt,

Und alles schallt

Und ich bin taub,

In die Weinlaub legen

Wir Musket und Degen,

Laßt die Feinde schießen,

Weil wir in Trompeten stießen.


Trompetenschall.


Alt ist die Zeit,

Wo Bucchus zog,

Doch keiner sog

Sich je gescheidt!

Sauft heut wie Kanonen

Alle ohne Schonen,

Feinde zu begrüßen,

Soll ein Ausfall dies beschließen.


Eine Bombe schlägt durchs Dach, die Soldaten greifen jubelnd zu und werfen sie löschend in den Punschnapf.


ENGLÄNDER.

Es kracht das Dach,

Die Bomb einschlägt

In Punsch gelegt

Erlöscht danach,[303]

Läßt das Platzen bleiben,

Will sich Zeit vertreiben,

Ließ sich hieher schießen,

Um als Stahl im Punsch zu büßen.


Ja rufet all;

Gut ist die Bahn,

Fühlt auf den Zahn

Mit lautem Schall,

Laßt die Kehlen brüllen,

Seht sie fliehn im Stillen

Seht die Feinde fliehen,

Laßt uns mit Musik zum Streite ziehen.


Die Musik voran, jeder mit einem Glase und mit seinen Waffen treten sie heraus und bemerken Olympien.


VIELE. Guten Tag, gebt uns noch einen Wunsch mit auf den Weg.

OLYMPIE. Sei Gott mit euch, dann ist der Sieg gewiß.

EINER. Ich wollte nur sie gäb mir statt aller Wünsche einen Kuß.

ANDRER. So sags ihr doch.

EINER. Habt ihr an euern Herrn gar nichts zu bestellen?

OLYMPIE. O sagt ihm nur mir wäre wohl, er möchte meiner nicht gedenken.

EINER. Ein Kuß wär ihm schon lieber als der Wunsch.

OLYMPIE. Jetzt ist zum Küssen keine Zeit.

ANDRER. So recht, da hast dus Bruder.


Alle ab.[304]


OLYMPIE. Alles Edle tritt die Noth danieder und vernichtet alles Schönen Preis, was dem edlen Menschen frohe Gabe Kuß und Händedruck, wird zum leeren Muthwill in dem Kriege; was erzwungen, was die Liebe giebt kann des Krieges wilde Eil nicht unterscheiden und die grimmen Lasterthaten sind vollbracht noch eh sie sind bedacht. Mein armes Kind, du sollst kein Krieger werden, viel lieber send ich dich zu der Braminen frommen Schaaren, die zu der irdschen Nahrung keines Bluts bedürfen. Es wird mein Blut so schwer mir in den Adern und Müdigkeit drückt meine Augenlieder, gewiß, es geht die Sonne auf, es weht so kühl – ach, daß mich jetzt ein Schrecken weckte, denn dieser Schlaf ist über alles schrecklich. –


Indem sie einschläft, erweckt sie der Gesang der Schildwache auf der Brustwehr.


SCHILDWACHE.

Wachend am Felsenhang

Über das weite Land

Rauscht mein Gesang,

Und wie ein Feuerbrand

Steiget die Sonn im Sand

Ehe des Abends Gluth

Kühlet im Blut.


Röthlich die Sonne blinkt,

Schimmert am Flintenlauf,

Rache mir winkt,

Seh ich im schnellen Lauf,

Ziehet ein Schütz herauf,[305]

Schieß ich, so schießt er nicht

Mir ins Gesicht!


Ein Schuß stürzt die Schildwache nieder als sie eben schießen will, die Leiche fällt vor Olympiens Füße, die sich schaudernd davon abwendet.


OLYMPIE. Wehe – er ist schon todt, ins Herz traf ihn die Kugel, so mußte ihn der Tod erschleichen am entfernten Platze, hier wo alles sicher schien – leisen Tritt hat der Tod, wenn er nur will, auch den der ihn erwartet überschleicht er unverhofft. Halt fest in meiner Seele du freundlicher Gedanke des unbemerkten Überganges, du giebst mir Kraft und Muth zurück. Was sollte ich des Schreckens Stufen zählen wenn dieser unendliche Sprung so unbemerkt geschieht. – Der Sturmmarsch schallt und keiner von den unsern sieht daß dieser Posten unbesetzt, ich will zur Wache eilen, – doch auf, vielleicht ists dann zu spät – vielleicht hat sich der Feind dann unbemerkt der Mauer angenähert; – es ist der Feind von meinem Mann, es ist der meine. Mein Kindlein setz ich hier aufs Moos in diese Felsenhöhlung – es schlummert sanft – leb wohl geliebtes Kind, der blutge Mantel des Erschoßnen soll die Mutterbrust bedecken, – ich setze mir des Todten Mütze auf und sein Gewehr ist noch geladen – ich bin Soldat! – von Furcht in Kühnheit umgewandelt, wie wars im Denken mir so schwer, wie wirds im Thun so leicht; Allwissenheit, Allthätigkeit des ewgen Gottes, wie doch[306] Gott dies beides tragen kann. Und gleich belohnt sich mir der Muth, da seh ich den geliebten Mann, der seit zwei Tagen von mir fern, er ist verloren sieht ihn der Feind wie ich ihn sehe so rastlos thätig Geschütz zu ordnen, die Bresche neu zu füllen. Vor ihm da dringts gewaltig an, vor mir sind wenige und die wenigen zerstreut; – zu hoch ist hier die Mauer zum Ersteigen – sie scheinen auf den Ausgang noch zu harren, sie lassen mir zu müßigen Gedanken Zeit. – Wer mag sich nahen auf dem Schimmel im grauen Überrock, er jagt, er setzt über Gräben; wie eilt er in den Tod, wie oder ist da Leben ihm gewiß? jetzt hält er ruhig still und überblickt als wäre er ein Bild von Stein, er ist nicht groß doch wunderbar von Angesicht, er scheint Befehle auszutheilen, hat eine Karte vor sich ausgebreitet, so sah ich nimmer einen Menschen, es bebt mir innerlich, ist er ein Gott, ist er ein Dämon der rechnet mit der ganzen Welt, es geht ihr Schicksal ernst an ihm vorüber und er erreicht es nicht. Was denk ich über ihn und sollte handeln gegen ihn als Feind. Traf ich doch oft Schwalben in dem Flug, jetzt ist er mir ganz nahe auf dem Korne, mir pocht das Herz, ein flammend Licht umwallet ihn, es flimmert mir wie ein beweglich viel gezacktes Festungswerk vor meinen Augen, klar muß ich sehen – jetzt ist er fort, ein Hügel deckt ihn mir. Unmöglich ist es einem Mutterherzen das edle[307] Menschenleben das ihr so viele Schmerzen kostet zu zerstören, ich kann auf keinen Menschen schießen und kostete es mich das Leben. – Weh eine schwere Kugel schlägt bei meinem Mann herein, gleich sind sie alle auseinander als müßte eine zweite an derselben Stelle fallen, er steht – er schüttelt sich den Mauerestaub von seinem Hute – die Kugel hat den alten Thurm über ihm durchlöchert. – Jetzt gehts im Dampfe unter, der Sturm so dicht gedrängt und durch den Sturmmarsch schallt mir eine fürchterliche Stimme, heilger Gott laß mich und die meinen sterben, doch gieb den Unsern Sieg. – Die Feinde gehn zurück – und wieder vor, ich hör die fürchterliche Stimme wieder, weh die Feinde sind über die Brückenschanze, die Unsern weichen – alles ist verloren – da stellt sich einer mit der Fahne wieder vor, – die Feinde wie geblendet, die Muthigsten von ihnen todt, ich hör nicht mehr die fürchterliche Stimme, der Fähnrich ruft den Unsern zu ihm rasch zu folgen:

Auf der Brücke der Fähnrich die Fahne pflanzt,

Die Fahne wächst und wallet im Wind,

Der Todesreihen so schnelle geschwind

Um sie im Wirbeldampfe tanzt,

Daß ihm der Augen Licht vergeht,

Doch muthig er bei der Fahne steht;

Und keiner wagt sich hin zu ihm,

Er allein im Pulverblitz erschien.

Der Tod, der ihn also nicht fassen kann,

Greift seine gepflanzte Fahne an,[308]

Die hält er, die steht wie ein Eichenbaum,

Der Tod streift hinüber, ein leichter Traum.


Und nun die Bursche sie stehen sehn,

In ihrem Herzen Flammen erstehn,

In ihrem Bart ein wildes Ergrimmen,

In ihrem Herzen ein blutig Beginnen

Und wo der Fähnrich mit der Fahne stand,

Der Sieg sich erst hat vom Feinde gewandt.

Aber die Erde ist noch im Tosen,

Doch geschlossen das himmlische Losen

Und die Unsern im Gewinnen,

Können sich selber nicht besinnen.

Hinter der Feinde flüchtige Menge

Ziehen sie schreiend in wildem Gedränge,

Drängen sich über die Brüder hinab,

Finden im Wasser ein offnes Grab,

Schlagen die Hände noch jubelnd zusammen,

Sinken hernieder wie löschende Flammen,

Gelobt sei Gott auf hohem Himmels-Thron.

Dem Fähnrich sei gnädig Gott der Sohn.


Sie sinkt betend nieder.

Lysander, von der Fahne fast bedeckt, wird von seinen Soldaten in ihre Nähe getragen.


LYSANDER. Hier setzt mich nieder, hier ist ein stiller Ort; nun geht zum Kampf zurück, ich wollt, ich könnt euch führen; das Meiste ist gethan, doch versäumt das Letzte nicht.

SOLDATEN. Ihr seid ein tapfrer Herr, ihr wollt doch stets allein sein, so im Streite so im Tode. Lebt wohl für diese Welt, auf Wiedersehn.


Sie gehen.


LYSANDER. So weit ists doch mit mir noch[309] nicht. – Was macht denn oben jene tiefgebückte Wache, die Memme betet als wenns jetzt Zeit zum Beten wäre; he Schildwach, das Schießen ist Gebet bei den Soldaten.

OLYMPIE die sich aufgerichtet und zu ihm eilt. Licht der Sonne, mein Mann trug dort die Fahne er hat gesiegt, er stirbt.

LYSANDER. Ha, die zarte Stimme in dem rauhen Kleide, bist du's Olympie? Wo ist mein Kind?

OLYMPIE. Dort schläft es ruhig unterm bebenden Felsen, es weiß von meinem Unglück nichts.

LYSANDER. Ich wollte doch daß es mein Glück gesehen, wie ich die Stadt errettet, wie ich errettet Sidney, als ihn ein Bajonett durchbohren wollte.

OLYMPIE. Du bist zu großem Werk von Gott geweiht und ich zu großen Schmerzen, du sagst mir nichts von deiner Wunden Schmerz, wie nagst du so das Leben das uns verbunden mit hartem Herzen jetzt verachten.

LYSANDER. Bei Gott ich lebte noch recht gern dir und dem Knaben, auch glaube ich es steht so übel nicht mit mir.

OLYMPIE. So wird mir wohl, hier ist ein Trunk den der Übermuth im Saale stehen ließ, er kann wohl dich laben. Sie bringt eine Schale mit Punsch aus dem Saale.

LYSANDER. Hab Dank, das nenn ich Wohlthat,[310] ich lebe wieder auf, es jagt das Blut durch meine Glieder. Weh mir, wie brennt der Schmerz so krampfhaft in den Wunden und kühlt dann wieder durch die Glieder, es ist als lebte ich in zweien Zonen hier zu gleicher Zeit, es trennt sich alles, du hältst wie eine Brücke alles noch zusammen, ja da steh ich fest, halt! – mir nach, dort unten braust das Schicksal ewig, ewig sind geschieden diese Völker. O Weib, was hast du mir für einen giftgen Trank gereicht?

OLYMPIE. Lysander, es haben hunderte davon getrunken ohne Schaden, hör mich, was drehst du dich so heftig von mir fort, kommt keiner mir zu Hülfe! Der euch zum Sieg geführt liegt von der Raserei bezwungen.

LYSANDER.

Bidibum, bidibum, bidibum,

Es geht ein Trommelschall im Reich herum

Es zieht aus allen Ecken

Ein schweres Kriegeswetter,

Bald wird der Thürmer wecken,

Wo sind dann unsre Retter,

Es wirds der Thürmer sagen,

Wo es hat eingeschlagen.

OLYMPIE. Es ras't der Mann, es schreit das Kind, der Jammer lähmt mir alle Glieder.

LYSANDER.

Zwei Stunden weit von hier,

Da gehts nicht gut, da werden wir geworfen,

Es rasselt schon die Spritze,

Sie spritzet heut Granaten,[311]

In unsers Feuers Hitze,

Wer hat so schlecht gerathen,

Im Stürmen ist kein Rasten,

Dabei das strenge Fasten.

OLYMPIE. Helft, helft, ich halt ihn nicht, er nagt die dürre Erde.


Viele rufen in der Entfernung Victoria.


LYSANDER.

Die Männer stehn am Feuer,

Es schmilzt das Wachs vom Barte,

Das Leben ist nicht theuer,

Nimm eine Schweineschwardte,

Häng sie als Panzer über,

So schützt sie dich mein Lieber.

Wer übrig ist geblieben,

Hat wenig sich zu freuen,

Zur Einsamkeit getrieben

Wird ihn sein Sieg gereuen,

Im Grabe liegt mein Wappen

Mit tausend Narrenkappen.

OLYMPIE. Wenn er mich einmal nur recht angeblickt, er müßte mich doch wieder kennen, stets wendet er sein edles Auge fort.

LYSANDER.

Hab ich mich hier begraben,

So soll mich keiner haben.


Sidney kommt mit Gefolge.


OLYMPIE. Erbarmt euch Herr des Schwerverwundeten dem alle Hülfe fern, ein scharfer Hieb in sein geliebtes Haupt hat ihn in wilde Raserei gesetzt.

LYSANDER. Zwei Stunden, sag ich euch, von hier, da gehts uns übel, schicket Hülfe nach.[312]

SYDNEY. Schickt alle Reiterei den unsern nach, wohl mag es sein daß sie sich allzuweit gewagt, des Feindes Rückzug schien geordnet. Das war besorgt, nun denk an dich.

LYSANDER. Nun will ich sterben.

SIDNEY. Nein edler Freund, dir bin ich mein Leben schuldig, ich will die Schuld so weit es mir vergönnt, mit treuer Sorge für dein Leben abbezahlen, leb auf in meinen Armen, und dieser Lorbeerkranz den mir der Türken frohe Menge dargebracht, er kühle deines Hauptes Wunde, du hast ihn ganz verdient.

LYSANDER. Es drückt der Kranz die schrecklichen Gestalten nieder die in mein Auge stürmten, ich kenn euch wieder, dich edler Freund, dich edles Weib, ich will nun wieder leben; wo war ich eben, von einer Feuersbrunst umgeben und konnte keinen Fuß zur Rettung fortbewegen, ich glaub es war die Fahne die so feurig mir erschien, gieb sie dem Regimente wieder. Was thut der Feind?

SIDNEY. Er ziehet sich zurück, der Türken und der unsren viele verfolgen ihn.

LYSANDER. Wenn nur die Unsern nicht zu hitzig sind, könnt ich nur nach.

SIDNEY. Jetzt sorg für dich, ich übergebe dich den Händen dieses wackern Arztes.

OLYMPIE. Ich les in jedem seine Blicke Tod.

ARZT. Die Wunde ist nicht tödlich, doch gefährlich,[313] bei Wunden an dem Haupt läßt sich so schnell noch nichts verkünden, doch tödlich wär dem Kranken jetzt das Fieber das in der Gegend wüthet, ein Nachlaß schlecht verscharrter Leichen, sobald ihr seid bei Kräften ja möglichst bald müßt ihr die Stadt verlassen.

LYSANDER. So führt mich nach Jerusalem, es sehnet sich mein Herz dahin, am Grabe des Erlösers möchte ich genesen oder sterben, auch dich geliebtes Weib und unsern Sohn möcht ich aus dieses Krieges Nähe führen.

OLYMPIE. Es ist mein liebster Wunsch nach jener Stadt des ewgen Heils zu wallen.

SIDNEY. Ich folge eurem Ruf, der mich wie eine Himmelsstimme hat ergriffen, ich zeichne dieses Kreuz mit meines Freundes Blut auf meinen Mantel ich will die müßge Zeit dem heilgen Dienste weihen wer folgen will zum heilgen Grabe thu desgleichen; dir armer Freund hat schon der Feind ein blutges Kreuz auf deine Brust gezeichnet.

LYSANDER. Ich hab sie nicht bemerkt die Wunde auf der Brust, sie schmerzte nicht.

SIDNEY. Bereitet euch dem Herrn ein frommes Herz zu bringen, er hat so viel für uns gethan.


Viren und Bromly kommen leicht verwundet.


SIDNEY. Auch ihr seid schon mit blutgem Kreuz bezeichnet, wir ziehen alle gen Jerusalem.[314]

BROMLY. Ja Feldherr, bessres Glück mag dort uns segnen, als jetzt bei dem Verfolgen, zwei Stunden weit von hier verloren wir viel tapfre Männer durch die Übermacht.

LYSANDER. Und durch den Übermuth. Gott hat so viel für uns gethan, gelobt sei Gott.

VIREN. Wenn du ihn loben magst, du Schwerverwundeter, da stimm ich ein.

OLYMPIE. Aus grünen Zweigen ist die Bahre jetzt bereitet, die mir das Theuerste zur Heilung tragen soll, jetzt hebt ihn sanft hinauf und ich bin deine Bahre süßes Kind, komm in der Mutter Arme.

ALLE.

Hebt den Held auf grüne Zweige,

Hütet ihn vor jedem Stoß,

Ach was war auf Erden groß,

Das sich nicht zur Erde neigte.

Nur das Kreuz, das steht am Himmel,

Ewig immerdar erhöht,

Wo ein ewger Friede weht,

Unten nur stürmt Kriegsgetümmel.[315]


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 296-316.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Halle und Jerusalem
Ludwig Achim's von Arnim sämtliche Werke: Band XVI. Halle und Jerusalem. Studentenspiel und Pilgerabenteuer
Halle und Jerusalem: Studentenspiel und Pilgerabentheuer (Jahresgaben Des Verlages)

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Fantasiestücke in Callots Manier

Fantasiestücke in Callots Manier

Als E.T.A. Hoffmann 1813 in Bamberg Arbeiten des französischen Kupferstechers Jacques Callot sieht, fühlt er sich unmittelbar hingezogen zu diesen »sonderbaren, fantastischen Blättern« und widmet ihrem Schöpfer die einleitende Hommage seiner ersten Buchveröffentlichung, mit der ihm 1814 der Durchbruch als Dichter gelingt. Enthalten sind u.a. diese Erzählungen: Ritter Gluck, Don Juan, Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza, Der Magnetiseur, Der goldne Topf, Die Abenteuer der Silvester-Nacht

282 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon