Nachtrag

[1034] Der dürre Jäger erzählt weiter, wie er und Seger und viele andre vom Teufel in eine Menagerie gesteckt worden, und so lange geärgert bis sie sich ihm ergaben. Sie ziehen in eine Berggegend in den Alpen, die Zigeunerkönigin erzählt ihre Geschichte, sie ist Kaiser Karls erste Liebschaft. Die Szene spielte in den Niederlanden, wie sie nach dem Frauenhause gebracht worden, um dem Kaiser verleidet zu werden – nähere Beschreibung desselben – ärger als Gefängnis – ihr Kind wird von ihr getrennt – Anton mahnt dies an Susanne – sie entflieht und kommt durch Zigeuner mit der Kronenburg in Berührung – ihre Beschreibung derselben usw.

Anton in dem gesichtslosen Elend kommt auf die Kronenburg, Rappolt will sich nicht überzeugen, daß er sein Sohn ist, er jagt ihn fort und verbannt ihn bei Lebensstrafe aus seinem Gebiete, er irret umher, blind, fliehende Hirten erzählen ihm von dem Drachen, der das Land verwüstet. Hart betroffen in seinen gehemmten Schritten durch Mangel des Augenlichtes reißt er plötzlich sein Schicksal an sich: »Komme meiner Verhängnisse Gewaltsamstes – da ich der Sonne nicht mehr kann ins Auge schauen, liegt mir ob, was der Sehende nicht vermag, dem Volk vor den Füßen wegräumen, was es bedrängt.« Er sucht den Drachen auf, um das Land zu befreien und den Tod zu finden; er erlegt ihn aber und erhält durch sein Blut das Gesicht wieder. Als er dies vollbracht hat, führen die Hirten ihn gegen seinen Willen zu Rappolt, der ihn als Sohn begrüßt; aber indem er ihn umhalst, von dem Gifte, das der Drache in den Mantel gebissen, erkrankt er, und verlangt von Anton, daß er den Turm der Kronenburg ersteige und die Wache bei der Krone übernehme. Nun kann Anton ohne Wanken den schwindelnden Steig hinaufwagen, die Verzweiflung, die zum Drachenkampf ihn gestählt hatte, hebt ihn jetzt über die Gefahr gleichgültig hinaus. – So bricht die Seelengröße, irdisch gezeugt, aber selig gesprochen, in ihre Blüte auf. Schutzgeister nahen und hauchen begeistigend ihn an, er erreicht unbewußt die Stufen, auf[1034] denen er sich nimmer zu halten wähnte. Dort sehen wir ihn seiner Befähigungen sich bemächtigen, sich und dem Göttergleichen zulieb, das ihn treibt, uns aber wie eine Hieroglyphe entgegensteht, das Unbegreifliche nämlich.

Woher die Sehnsucht in königlichen Geschlechtern, als ob der Sonne Tag eben ihnen erlösche? Woher die Schwere des flügellahmen Geistes zum Stürzen? Zu müde gegen die Geschicke sich aufzuraffen, die fern donnernd heranrollen über die ahnenden Häupter der Todeshelden?

Wenn wir sehen unsern Helden mit raschem Selbstgefühl durchsetzen, was der Augenblick heischt, oder sich widerstemmen dem Untergang, oder auch aus sinkender Nacht verborgne Keime hervorbrechen, gierig den Tautropfen aufsaugend in die vollen Blüten und schmerzlich aufseufzend, so oft zu höherer Befähigung sie Nahrung gewinnen, dann fühlen wir, wie jede leise Regung des Geschickes, jeder Reiz gleich zur Handlung sich wandeln muß, und das Widersinnige mit schneller Kriegswendung todverkündend niederbeugen muß, um dem Genius, der auf ein harmonisches Dasein deutet, zu genügen.

Anton übernimmt jetzt die Wache bei der Krone und wünscht sich den lieblichen Geist Voluptas zurück, dem er entsagt hatte; der kommt nicht, aber der Teufel erscheint ihm, wie er sonst gewesen, wie herrlich, fröhlich, kräftig, wie jedes Auge ihn angelacht; nachher läßt er ihn im Brunnen sehen, wie er verfallen und abgemagert keinen Reiz der Sünde mehr bietet. – Nun versucht er jenen Geist, wie er ihm damals erschienen war, zu malen, indem er die Gänge zur Burg verziert, er bringt aber das Ideal des Muttergottesbildes hervor, das immer um eine Kopflänge höher erscheint als der Beschauende. – Tage vergehen – er sehnt sich nach öffentlichem Berühren mit der Gesinnung des Volkes – ein freies Land, damit nicht etwa längst anerkannte Begriffe, sondern das wirklich Schwankende, noch Unsichere in allem Werdenden, ins Gegenwärtige zur Eingebung, zum allgemeinen Kunstgefühl sich fördern. »Dieses wird durch ein einziges lebendiges Beispiel dem Menschensinne näher gerückt als durch unzählige Besprechungen, und somit werde ich mehr Dank verdienen«, sagte sich Anton, »wenn ich diese Einsamkeit verlasse und mit meinem Willen das Wesentliche darlege, als alle Untersuchungen, die sie zweifelnd berühren, um[1035] sich auszugleichen mit Härten und Gesetzen.« Überall müssen wir den ehren, der keine Untersuchung seines Anreizes verschweigt, unbesorgt ob einzelne wohl gar zu dem sich verführen lassen, was er als falsch erkundet, er fühlt, daß er nicht der einzige, nicht der unfehlbare Ausleger höherer Erkenntnisse sei, die ihm Leben und Lernen zugeführt haben, er scheuet keinen Weg, welcher den Hochgebildeten anstößig oder kleinlich scheinen könnte, aus dem aber der Gesamtheit Begriff und Lehre hervorwachsen mag; ihm selbst erleuchtet sich das Forum der Künste in vollendender Begeisterung. Im feuernden Abendrot steigt er von der Höhe herab und verläßt die Burg:


Aus meiner Zelle treibt mich fort

Die leere Einsamkeit,

Es füllet sie kein heilig Wort,

Es nährt den innern Streit.

Das innre Leben ward nicht mein,

Weil ich das äußre mied,

Das Ewige will nicht zeitlich sein,

Das in der Zeit erblüht.

Es gleicht mein bleiches Angesicht

Des Grabes Bild von Stein,

Es scheint gewesen, strahlt kein Licht

Ins Innere hinein.

Die Sanduhr gleicht der Todeshand,

Lauft ab des Lebens Geist,

Es hat sie keiner umgewandt

Und keiner naht mir dreist.

Der fromme Schauder war bald hin,

Der mich der Welt entriß,

Ein endlos Meer ist kein Gewinn,

Wenn ich das Land vermiß.

Ich flehte, daß ein höhres Wort

Der Seele Flügel wär,

Es riß mich keins zum Himmel fort,

Ich blieb mir immer schwer.

Weh jedem, dem hier nichts geschieht,

Weil alles scheint gering,

Weh jedem, der hier gar nichts sieht,[1036]

Weil er das Licht verhing,

Der sich in die Beschauung senkt

Und nichts zu schauen hat

Und was er findet, immer denkt,

Daß er des Denkens satt.

Es treibt mich wieder in die Welt,

Die ich mit Hohn verließ;

Ach wie sie mir so wohl gefällt,

Die ich einst von mir stieß.

Als ob ich nimmer von ihr ließ,

So bin ich drin zu Haus,

Gewinn, der Seligkeit verhieß,

Spielt schon das Leben aus.

Es spiegelt sich die Ewigkeit

In engster Gegenwart,

Und rückwärts die Vergangenheit

Erscheint von höchster Art,

Wie ein verlornes Paradies

Seh ich's vor meinem Blick,

Was ich betrauert, war so süß,

Was ich verflucht, mein Glück.

Ich suche nach dem reichen Schmuck,

Den ich ins Wasser warf,

Mein Finger sehnt sich nach dem Druck

Von der zerschlagnen Harf,

Mein Mund nach jener Lippen Hauch,

Den Seligkeit verschließt,

O spräche er doch wieder auch,

Nun Frühling mich begrüßt!

Es kehret wieder jeder Keim

Aus Winters Einsamkeit,

O kehrte sie auch wieder heim

Zu dieser Frühlingszeit:

Es meidet keiner Lebensnot,

Wohin er sich entzieh,

Und wer nicht sorgt für täglich Brot,

Genießt das ew'ge nie.[1037]

Durchbrich das Gitter, das dich hält

Von mir wie Todesband,

Zum Schweigen schuf nicht Gott die Welt,

In ihr dies Frühlingsland.

Er gab dir mehr als einen Mund,

Der die Gebete lallt,

Es ist ein Herz des Busens Grund,

Es spricht mit Allgewalt.

Des Herzens Stimme schallt zurück,

Aus jeder Nachtigall,

Die in dem Garten sucht ihr Glück

In weißer Blüten Fall,

O dieser Schnee, er ist so heiß

Und dieser Duft so süß,

Wer's Frevel nennt, ich sag es leis,

Dies ist das Paradies.


Anton, gespornt durch Erinnerung an die Vermißten, fühlt, daß die Welt des Herrschens nicht im Alleinsein bestehe, er sei nicht von der Einsamkeit ein Waffenbruder. – »Wenn ich meinem Urbeginn entspreche, lüge ich dann; – Und diesem Trotz zu lieb soll ich nach Gelüsten untergehen im Zorn aus Schwere des Leidest« Er steigt herab von der Höhe, um seine allegorische Welt aufzusuchen – er kommt zu Dürer, dessen Kunst ihm gefällt, der aber selbst nichts auf das achtet, was Anton zu finden hofft. Cranach in seinem aristokratischen Diensteifer für Fürsten, geht näher auf seine Hoffnungen ein – Kunstgespräch zwischen beiden – der Kunstberuf greife ein in die Umbildung der Welt, nur sie begründe den Frieden, in welchem zugleich alle Elemente des Krieges bedingt sind. – »Aller Kampf ist nur, um entsagen zu lernen – die Kunst lehrt es – du kannst sie nicht an dich reißen, aber du kannst ihrer teilhaftig werden. Du kannst ihrer nie Meister werden und doch als Meister erkannt, wenn sie dich beherrscht. – So das Volk, erkennt den als Herrscher, in dem es verklärt sich gespiegelt findet. – Neidest du den Höheren, so trete ihn kühner an, er wird dich bezähmen und gefangen nehmen, und dies wird deine Ehre erhöhen, nicht sie beleidigen, du willst ja ihn erreichen, nicht ihn verderben, der die Welt trägt und hebt durch sein Werden und Lernen. Ein neuer Tag, vom Geist der Kunst durchdrungen – des Künstlers[1038] ewig schaffende Verklärung ist's, was den Frieden begründet mitten im werbenden Kampf höherer Entwicklung.«

Langer Bericht über Luther und Melanchthon. Anton wird Protestant und wieder über den Protestanten hinaus. Mit der Zweifelhaftigkeit der Tat kommt ihm der geistige Zweifel, aber doch eben dadurch vergeistigt.

Predigten Luthers über die Unruhen. Beschreibung und Stellen. »Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Gott aber sei Dank, der den Sieg gegeben hat.« Cor. I. 15, 55.

»Ihr seid teuer erkauft, werdet nicht der Menschen Knechte.« Cor. 17, 23. »Und so jemand kämpfet, wird er doch nicht gekrönt, er kämpfe denn recht.« Ep. II. Timoth. »Denn Gott hat nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und Liebe und Zucht.« II.. I, 7.

»Darum lieben Brüder, fleißiget euch des Weissagens und wehret nicht mit Zungen zu reden.« Cor. 14, 39.

Über die verschiedenen Sinne, die neben Luther die Welt bewegten. Erstens falsches Prophetentum, zweitens Gleichheitslehre, drittens Altertümer und Gelehrsamkeit, viertens Dummheit, die Geheimnisse nicht mehr fassen zu können.

Anton geht von da zu Frundsberg, der ist für den Bauernaufstand gewonnen, schickt Anton hin – er kann sich nicht halten, geht nach Waiblingen unter dem Namen Fortunat. Die Frau verliebt sich heftig in ihn und will ihn nicht lassen; er bleibt da, wo ihn der Zufall einquartiert hat, läßt den Krieg gehen, wie er will, sie haben ein Kind, er schickt es zur Kronenburg, die Bauern werden geschlagen. Unterdes schreibt Johann aus Leiden, die Frau soll ins Königreich kommen; wie sie ihn nicht kann als Johann erkennen, da richtet er sie hin.

Anton ist der, welcher das Königreich endet. – Er geht mit Frundsberg auf seinen letzten Zug nach Italien, Susanna begleitet ihn als Soldat; – rühmliche Taten ihrer Tapferkeit, indem sie ihn aus Gefahren errettet bei der Eroberung von Rom. Die Kronenwächter berichten ihm dahin, Naß; jetzt seine Zeit gekommen, der Sitz der Welfen sei zerstört. Er eilt nach Deutschland, bringt den Degen Franz' I. dem Luther, der grade Hochzeit hält: Dies eröffnet das andre Buch.

Luther und Melanchthon reden mit Anton heftig gegen die[1039] Münsterschen Wiedertäufer. – Jetzt kommt durch die Zigeuner die Nachricht, die Krone sei in Münster, Anton wird entflammt und zieht dahin, ihm werden die Begebenheiten berichtet, auch wie seine Schwester Katharina umgekommen, die Johann enthauptet hat – Susanna ist auch unter den Weibern, sie hat die Krone in Verwahrung – Entdeckung ihrer Geburt und ihrer Würde (Tochter Karls V.). Anton bestimmt sie, den Weg zu Ende zu gehen bis er ihr folge. Die Kronenwächter erwarten töricht aus dem Bauernaufruhr ihr Aufkommen, sie begünstigen ihn, können ihn aber nicht lenken, die Zigeuner führen Anton mit dem Satanas Seger den Bauern zu und vertrauen ihm die Absicht der Kronenwächter, er wird ein leidenschaftlicher Verfechter der Bauernfreiheit – Zweifelhaftigkeit der Edlen, als er unter Metzlers Bande ist. Götz, Ulrich von Schwaben, Graf Georg von Wertheim, sind über Luther ergrimmt; Georg Truchseß von Velsburg steht gegen ihn, nimmt ihn gefangen; als Anton ihm seine Geschichte erzählt, läßt er ihn von sich. Die Bauern unter Feuerbacher haben Hohenstaufen verbrannt, Anton zerstört Hohenstaufen und die Kronenburg.

Trennung von Deutschland – Schmalkaldischer Bund. – Hier entsteht der große Streit zwischen wahren und falschen Deutschen, sie trennen sich. – Die Auflösung ist endlich, daß die Krone Deutschlands nur durch geistige Bildung erst wieder errungen werde. So löst sich die Frage: ein Teil des Menschengeschlechtes arbeitet immer im Geiste bis seine Zeit gekommen.

Der Kronenwächter harter Kampf – der taube Rappolt in ihrem Kreise auf der Höhe.


»Kronenritter, Kronenritter!

Schaut im Westen das Gewitter,

Jeder steh an seiner Stelle,

Daß ich in des Blitzes Helle,

Eurer Augen Sterne sehe,

Wenn ich bei der Krone stehe.«

Also ruft der taube Wächter,

Und es stehn die starken Fechter

An den Speeren mit dem Kinne,

Aug auf Aug mit wachem Sinne,

Jeder auf den andern lauert,

Also hat's die Nacht gedauert.[1040]

Ströme flüchten von dem Himmel

Vor des Feuers wild Getümmel,

Das durch alle Fugen sprützet,

Wo's erst Morgens ausgeblitzet,

Als die Sonne schwer beladen

Schauet auf des Landes Schaden.

Wo die goldnen Ähren wogen,

Schwarze Ströme niederzogen,

Schwarze Tannen aus der Höhe

Schwimmen in dem weiten See,

Und die Hirsche und die Rinder

Flüchten zum Gebüsch geschwinder.

Doch auf den Gebirgen stehen

Blanke Säbel, die sie mähen,

Schlagen, schlagen, schonen keinen,

Vor der Kronenburg erscheinen,

Auf dem Berg ihr Lager schlagen,

Ihren Gruß den Rittern sagen.

Ȇbergebt des Volkes Krone

Und wir geben euch zum Lohne

Euer Leben, eure Lehen,

Sonst müßt ihr zugleich vergehen

Mit dem Volke in der Fläche,

Schont des roten Blutes Bäche.«

Aug in Auge sich befassen

Unsre Ritter und erblassen,

Und der taube Wächter findet,

Auf den Wangen was verkündet,

Schüttelt dreimal mit dem Haupte,

Weil's die Ehre nicht erlaubte.

»Alle Pforten doppelt schließet

Und mit Steinen sie begrüßet,

Die so ungebeten kommen;

Keiner ist noch aufgeklommen,

Der nicht stürzte eilig nieder,

Auf und brecht der Feinde Glieder.«

Fester stehet nicht der Himmel,

Als die Ritter im Getümmel,

Und der Feinde freche Haufen[1041]

In dem wilden See ersaufen,

Andre meinten in dem Streite,

Auszuhungern unsre Leute.

»Kronenritter, Kronenritter,

Ach das Hungern ist so bitter

Und der Durst, der ist ein Feuer,

Und der Schlaf ist uns so teuer

Als die Krone, wir versinken,

Gibt's für uns nicht Schlaf noch Trinken.«

»Ritter, euch seh ich mit Schmerzen

Stehen wie erloschene Kerzen.« –

Und er greift das Schwert mit Grimme,

Ruft mit ganz gedämpfter Stimme:

»Ich zerhau dich Gnadenkrone,

Daß du nicht dem Feind zum Hohne.«

Wieder zu dem alten Bette

Zog den Strom der Erde Kette,

Unsers Volkes flüchtige Scharen

Eilen ihren Schatz zu wahren,

Und die Feinde werden flüchtig,

Als sie unser Volk ansichtig,

Jubelnd ziehen sie zum Schlosse,

Doch da rufet kein Genosse

Und weil keiner sie will führen,

Brechen sie vom Schloß die Türen

Und sie sehen die Ritter alle

Finster blickend auf dem Walle.

Fest gelehnet an den Speeren

Stehen sie mit hohen Ehren,

Als entseelte treue Wächter

Schauen sich noch an die Fechter,

Schauen zu dem tauben Alten,

Der die Krone will zerspalten.

Nein, ein Wunder anzuschauen,

Wo sein Schwert hat eingehauen,

Sind Rubinen ausgeflossen,[1042]

Um die Krone schön entsprossen,

Daß sie fester im Gewinde

Ritter und auch Volk verbinde.


Nun nach den Tagen des Streites zwischen Menschen und der Elemente Verwüstung durch das Erdbeben, nachdem Anton alle seine Waffengesellen, Schwester und geliebte Frau untergehen sehen, flüchtet er zur Höhe, zum gläsernen Turm, der wie ein Gewölk erscheint, dort zeigt ihm Rappolt, wie er, daß er, nach Rom gezogen, nun zum zweitenmal versäumte sich empor zu schwingen, und wie das Böse mit sich fortreiße, nur das Gute getan und bedacht sein will. Er erzählt ihm, wie die Krone, während des Kampfes vermißt, die verloren und von Seger gestohlen war, von Susannen während dem Erdbeben ist wieder gebracht worden, und ihre getreuen Wächter für sie sich dem Tode geweiht haben. Sie stürzten hinab in den See, nur der alte Rappolt blieb einsam auf der Höhe – er legt ihm die Zeichen dar, wie sie nun alle erfüllet sind.


Ja die Zeichen sind alle erfüllet,

Als sich der Himmel so dunkel umhüllet,

Sonne auf blutenden Gleisen entstieg.

Wie die häuslichen Tiere sich bargen,

Ha! da schauderte allen vorm Argen

Ahnend der Unterwelt nahenden Sieg.

Glühender, stiller werden die Winde,

Vögel verfliegen vom Neste geschwinde,

Säulen des Wassers wirbeln im Meer,

Rollende Donner von unten und oben

Gegen die Flammen, die unter uns toben,

Stiebet der Himmel in Blitzen sich leer.

Gärende Tiefe will neu sich erheben,

Unterweltschatten durchstoßen im Beben

Lieblicher Auen blühenden Grund,

Jupiter schleudert vergebens die Blitze

Von des dröhnenden Götterbergs Spitze

Nach des Vulkanes eröffnetem Schlund.

Weh! die Titanen sich wieder erkühnen,

Schon die feurigen Augen erschienen,

Schon der dampfende Atem sich hebt,

Schön wie ein Fruchtbaum im Herbste zu schauen,[1043]

Aber den Früchten ist nimmer zu trauen,

Denn sie zerschmettern bald alles, was lebt.

Sehet die Zähne im geifernden Munde

Reißen dem Berge die berstende Wunde,

Lange verschloß er die glühende Wut,

Sehet, der Atem der Riesen entbrennet,

Zündend mit bläulicher Flamme hin rennet,

Sticket der Menschen erdreistenden Mut.

Könnten sie dräuend die Glieder noch regen,

Tapfer die Brust entgegen ihm legen,

Fühlten sie rächend dies Leiden nicht ganz,

Aber die glühenden Arme, sie schwinden,

Mutige Augen im Feuer erblinden,

Jammernd verrinnet begeisternder Glanz.

Erde und Himmel zusammen sich brennen,

Chaos, das alte will keiner erkennen,

Wehe dem letzten, der alles das sieht.

Jeglicher glaubt sich geblendet der letzte,

Ehe die strömende Lava sich setzte,

Wie sie jetzt dampfend hernieder sich zieht!

Doch da stehet der Glutstrom gebannet,

Langsam sich jeder vom Schrecken ermannet,

Suchet und findet das eigene Haus,

Findet die Seinen und forschet entzücket,

Wie sie dem Feinde alle entrücket,

Alle erkennen ein Wunder im Graus.

Leiser ertönet der siegende Himmel

Ziehet zum Berge der Wolken Getümmel

Ströme zum alten Bette zurück.

Kühlende Blitze durchspielen die Ferne.

Einzeln entzünden sich wieder die Sterne

Wie der Versöhneten liebender Blick.

Luna, die ziehet im glänzenden Wagen

Schauet verwundert die Freuden und Klagen,

Leuchtet, beleuchtet das Wallen der Welt,

Daß die Verirrten die Straßen erkennen

Und die Verwirrten sich freudig anrennen.[1044]


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Romane und Erzählungen. Bde. 1–3, Band 1, München 1962–1965, S. 1034-1045.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lohenstein, Daniel Casper von

Cleopatra. Trauerspiel

Cleopatra. Trauerspiel

Nach Caesars Ermordung macht Cleopatra Marcus Antonius zur ihrem Geliebten um ihre Macht im Ptolemäerreichs zu erhalten. Als der jedoch die Seeschlacht bei Actium verliert und die römischen Truppen des Octavius unaufhaltsam vordrängen verleitet sie Antonius zum Selbstmord.

212 Seiten, 10.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon