2. Ein heil'ges Fest

[7] O dieser Tag der höchsten Feier,

Der mir das Herz im Busen bricht;

Der höhnend durch der Zukunft Schleier

Mir zeigt des Schmerzes Angesicht!

Ein Schmerz, der nicht in leichtem Beben,

In flüchtigem Vorüberschweben,

Die schwarze Trauerfahne trägt; –

Nein, der ein ganzes, reiches Leben

Mit schonungsloser Hand zerschlägt!
[7]

Nicht ahnt's der Kranz in meinen Locken,

Daß ich dem Tode angetraut;

Nicht ahnen es die Kirchenglocken,

Zu läuten einer Grabesbraut! –

Umsonst mit euern milden Tönen

Wollt ihr dem Leben mich versöhnen;

Mich lockt kein festlich heit'rer Klang!

Nur meinen Schmerz kann er verhöhnen;

Nur feiern meinen Untergang!


Verkauft ein ganzes reiches Leben,

Das seines Werths sich kaum bewußt,

Mit Träumen, die das Herz durchbeben,

In wilder ahnungsvoller Lust!

Ein glühend Schwelgen, süßes Bangen,

Ein fiebrisch zitterndes Verlangen,

Das um das Glück gebiet'risch fleht,

Bis von dem kalten Tod umfangen

Das Leben und der Traum verweht!
[8]

Du Herr der Welt, du Lebenswürger,

O falsches, gleißendes Metall!

Verlockst du selbst des Himmels Bürger,

Den stolzen Geist, zum Sündenfall?

Die sich nach ew'gen Himmeln sehnen,

Die kühn sich unvergänglich wähnen,

Verkaufen dir ein ew'ges Sein.

Der Priester segnet Schmerz und Thränen,

Er segnet selbst den Meineid ein!


Erlöscht, ihr Kerzen am Altare!

Erlöscht, wie meiner Seele Licht!

Das Brautbett wird zur Todtenbahre,

Um die man Grabeskränze flicht.

Es tritt auf allen meinen Wegen

Verzweiflung spottend mir entgegen,

Mit irrem Blick, mit wildem Haar;

Verzweiflung sprach den Hochzeitsegen,

Sprach ihren Fluch am Traualtar!
[9]

Fluch diesem Tage höchster Feier,

Der mir das Herz im Busen bricht!

Der höhnend durch der Zukunft Schleier

Mir zeigt des Schmerzes Angesicht!

Ein Schmerz, der nicht in leichtem Beben,

In flüchtigem Vorüberschweben

Die schwarze Trauerfahne trägt; –

Nein, der ein ganzes, reiches Leben

Mit schonungsloser Hand zerschlägt!
[10]

Quelle:
Louise Aston: Wilde Rosen. Berlin 1846, S. 7-11.
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