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[16] Es war Mittag geworden. Schwüler drangen die Sonnenstrahlen durch die Fenster, die sie des Morgens nur angenehm erhellt hatten. Todtenstille herrscht in dem Gemach. Noch liegt der Kranke bewußtlos da. Eine Matrone steht vor ihm, reibt die erstarrten Hände, küßt die blauen Lippen, um sie zu erwärmen, und sieht, nach dem vergeblichen Versuch, trostlos zum Himmel empor. Der Arzt steht neben ihr, und prüft ruhig nach seiner goldenen Cylinderuhr den Pulsschlag des Kranken. Dann unterbricht er das Schweigen; »Es war ein Nervenschlag, verehrte Frau, der ihren Gatten getroffen. Doch hoffen Sie – seine Erstarrung wird nachlassen; er wird zum Leben zurückkehren; nur fürchte ich, mit einer Lähmung mancher edeln Organe!«

Mit einem seligen Lächeln schaute die Frau den glückverheißenden Arzt an. So traurig auch das Ende[16] seiner Rede war – sie hatte es überhört; und nur die Worte: »er wird zum Leben zurückkehren«, freudig aufgefaßt und ihrem Gedächtniß eingeprägt. Sorgsam nahm sie ihre Hand aus der kalten Hand des Greises, schlich leise in eine Ecke des Zimmers, wo die Tochter lang ausgestreckt auf dem Estrichboden lag. Segnend legte sie die Hand auf des Mädchens Haupt, und sprach weich: »Johanna, mein Kind, wache auf! Dein Vater wird nicht sterben – Gott ist uns gnädig! Er läßt diesen Kelch an Dir vorübergehen. Doch bete, bete, Kind, daß auch die Lippen noch den Fluch zurücknehmen, den sie über Dich ausgesprochen; denn Vaterfluch ist eine schmerzliche Mitgift für's Leben.« Mit irren Mienen richtete sich das junge Mädchen auf, strich sich die ungeordneten, thränenfeuchten Locken von der Stirn, und erwiederte klanglos: »Was soll ich thun, Mutter? Soll ich beten – soll ich heute noch Oburns Weib werden? Mein Muth, mein Herz ist gebrochen. Dieser unselige Morgen hat mich willenlos gemacht. Ich bin bereit – laß' die Hochzeitglocken läuten – flicht mir den Brautkranz!« Zitternd an allen Gliedern sank sie zurück in ihren Stumpfsinn;[17] und kein äußeres Zeichen gab den innern Kampf der Seele kund. Wieder waren einige bange Stunden vorübergegangen, Stunden, die ein ganzes Leben voll Freude quitt machen. Da hob der Greis matt die Augenlieder auf; die Lippen regten sich; er versuchte zu sprechen; – doch die Zunge war auf immer gelähmt![18]

Quelle:
Louise Aston: Aus dem Leben einer Frau, Hamburg 1847, S. 16-19.
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