[288] Appius, Lucius, Lictoren, und Wachen.
APPIUS indem er vorwärts gehet.
Ha Lucius! kaum kenn' ich mich vor Wuth!
Mir solchen Schimpf? Mir diesen kühnen Trotz –
von diesem Volk – das zitternd sonst mich hörte?
Mir Appius?
LUCIUS.
Gewiß Herr! gegen Dich
erhob die Frechheit nie das Haupt so hoch. –
Doch alles übels Grund ist bloß Icil.
Wird nur – doch so behutsam und geheim
wie Siccius – Er aus der Welt geschafft,
so trotzet sicher dir kein Römer mehr.
APPIUS.
Er sterbe! Doch nicht jetzt. Rom würde – leicht
errathend das Geheimniß seines Todes –
mir fluchen. – O Virginia! welch ein
verhaßter Damm stellt zwischen meine Wünsche
und deine Reize sich! – Doch will ich hin,
und müßte Blut von Tausenden die Bahn
bezeichnen! – Lucius! besorge du,
daß die Besatzung ganz vom Capitol
zum morgigen Gericht herunter rücke!
Hätt' ich dieß Mittel heut schon angewandt,
so wär' Icil nicht mehr – Ich im Besitze
Virginiens. Gezwungen spielt' ich da
den Nachsichtsvollen, um in Einem Spiele
nicht alles zu verlieren. Jedes Volk
ist furchtbar, wann es sich gefürchtet glaubt,
und zittert, wann es selbst zu fürchten hat.[289]
LUCIUS.
Auch räth die Gegenwart Virgins, noch mehr
auf Vorsicht zu ...
APPIUS.
Die Gegenwart Virgins?
Nein Lucius! Die stört uns sicher nicht.
Ich müßte Mündling noch an Klugheit seyn.
Sogleich verfüg' ich es, daß Vibulan
die Reise des Virgin vehindre, bis –
ein Trank auf ewig mich von ihm befreyt.
Auch werde gleich der Zugang in die Stadt
durch ausgestellte Mörder ihm gesperrt,
die – glückt ihms auch dort zu entfliehn – ihn hier,
verkappt als Räuber, tödten! – Lucius!
Kann ich auf deinen Dienst auch hierin bau'n?
LUCIUS.
Auch auf die klügste Wahl der Miethlinge!
APPIUS.
Besorge das! – Den Marcus wünsch' ich nicht
zu sehn, eh Dunkelheit der Nacht ihn mir
verborgen bringt. – Ha Rom! umsonst erboßt
dein kühner Pöbel sich! Du bist zu schwach,
der Wünsche feurigsten mir zu vernichten!
Alle gehen ab.
Ende des zweyten Aufzugs.
Es wird Racht, doch nur durch Verdunklung der vordern Lampen-Reihe.
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