Dritter Auftritt.

[298] Virginia. Albina. Die Vorigen.


VIRGINIA.

Ah Römer! wer ihr immer seyd! entdeckt ...

ICILIUS.

Virginia!

VIRGINIA.

Ha mein Icil! – ists wahr,

wahr das entsetzlichste Gerücht, es sey

mein Vater, der verehrungswürdigste

der Väter, auf der Straß' ermordet worden?

– Du schweigest – Götter!


Sie sinkt Albinen in die Arme.


ICILIUS.

Hilf o Himmel! hilf

der edelsten und tugendhaftstes Seele,

womit die Schöpfung je geprangt! – O Freunde!

Seht hier, wohin in Rom die Tugend führt!

Seht am Decemvir, was das Laster gilt!

RUFFUS.

Unglücklichs Paar! wie jammert mich dein Loos!

ICILIUS.

Virginia! – – blick auf geliebte Braut!

Icil, dein zärtlicher Icil, fleht dich darum!

VIRGINIA.

Icil? – – Mein Vater todt – gemordet todt?

O Himmel! lohnest du der Tugend so? – –

Wer? Wer hat ihn gemordet?


Zum Ruffus.


Du? doch nein![299]

du bist der edle Mann, der gestern mich

ergrimmten Löwen aus den Klauen riß,

– Du hast nicht wohl gethan, zu güt'ger Freund!

Ohn deinen Beystand wär' ich schon erblaßt,

und Er, mein lieber Vater, lebte noch!

– Doch – habe Dank! du dachtest gut für mich. –

Nur hilf itzt, edelmüthger Mann, mir auch

den Vater rächen! Sieh! sein Schatten schwebt

um mich! ruft laut mir Rache zu! hilf mir

ihn rächen! hilf mir! ich beschwöre dich! –

Komm!

ICILIUS.

Ach Virginia! erhohle dich!

VIRGINIA.

Erhohlen? – Sollt' ich das bedürfen? – Ha!

du glaubst, ich schwärme? – nein Icil! – Ist denn

der Trieb, des Vaters Mord zu rächen, nicht

der Tochter Pflicht? – Doch mein Geliebter! sprich:

was brachte dich hieher? Vergaßt du denn

daß Mich zu sehn, dir nicht verstattet ist?

Fleuch mein Icil! dein Gegner Appius

ist mächtig; mit dem Felsen droht er dir:

Er kann im Grabe Mütter noch entehren,

und Väter morden, um die Töchter dann

zu schänden. Schrecklich! – Doch beym Jupiter!

das Letzte wird er nicht! das schwache Mädchen

weiß noch ein Mittel, unentehrt zu sterben.

Zur Rache nur, zur Rach' ist sie zu schwach –

denn Thränen rächen nicht solch Blut. – Zu schwach?

– O Nein! brauch ich denn mehr als einen Dolch

und Muth? Besitz' ich Beydes nicht schon itzt?

Ja Vater, heiligster der Schatten! ja!

Schon eil' ich hin zu deinem Mörder, ihm[300]

den Dolch ins Herz zu stoßen! stärke Du

nur meinen Arm, mein Muth ist stark genug!


Sie will fort.


ICILIUS indem er sie zurückhält.

Virginia! bey allen Göttern! bleib!

Willst du dem Bösewicht, der auf dich lauert

selbst in die Schlinge gehn? –

VIRGINIA sich besinnend.

Nein! – – nein Icil! –

Das wäre schrecklich! – Doch – – Ah mein Verstand! –

ICILIUS.

O Römer! rührt euch Alles dieses nichts?

QUINTUS.

Ganz werde der zu Stein! den es nicht rührt!

ICILIUS.

Wohlan! helft mir sie retten, edle Freunde!

das Mittel sagt' ich euch.

VIRGINIA.

Mich retten? Sie?

Könnt ihr es Römer? O so rettet mich!

für Ihn, für den Geliebten, rettet mich!

Nur Römer! Laßt den ersten Schritt zur Rettung

des Vaters Rache seyn: Versühnen wir

nicht seinen Geist, so bleibt kein Heil für mich.

ICILIUS.

Mein Vorschlag führt zu Beydem uns zugleich.

VIRGINIA.

O dann ihr Römer, rettet mich! Entreißt

dem Unthier mich, das mich verschlingen will![301]

Euch lohnen kann ich nicht; ich habe nichts

als Thränen und ein dankbars Herz. Allein

ich weiß, ihr liebtet meinen Vater, liebt

Icilen, und bewahret Herzen in der Brust,

die fühlbar für das Leid der Unschuld sind.

O seht mich knieend euch um Hülfe flehn!

Nicht nur für Mich, für alle Töchter Roms,

für eure Töchter und Gemahlinnen,

beschwör' ich euch um Schutz: denn aller Ehre

wird gleich der meinigen bedroht. Verschmäht

des Unglücks Thränen nicht, ihr edlen Seelen!

und laßt mich nicht des Lasters Beute werden!

RUFFUS indem er sie aufhebt.

Halt ein Virginia! du folterst mich,

durchbohrst mit jedem Worte mir das Herz!

Ich kann nicht widerstehn. Icilius!

ich folge deinem Rath.

QUINTUS.

Auch Ich, Icil!

und hießest du mich nach dem Orkus zieh'n

ICILIUS.

An meine Brust ihr Freunde.


Er umarmet beyde.

Zum Volke.


Ganz gewiß

regt, Brüder, sich in euch ein gleich Gefühl?

EINIGE VOM VOLK.

Ja!

ALLE.

Ja!

RUFFUS.

Wohlan! in größter Eile nun

zu Werk! Auf Wiedersehn am Anio!


Indem sie eben auseinander gehen, kommt Virginius.


Quelle:
Cornelius von Ayrenhoff: Sämmtliche Werke. Band 2, Wien 1802, S. 298-302.
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