Sechste Szene

[6] Therese. Vorige.


THERESE. Das hab ich mir eingebild't, daß die politischen Brüder schon wieder beisammen sind; ei, da vergeht ja keine Stunde, wo hier nicht das Glück von Europa beratschlagt wird; sehnt ihr euch etwa schon wieder nach einem Krieg oder habt's vielleicht gar schon geheime Nachrichten?

REDLICH. Pfui! Alte, was ist das wieder für eine Red, wer hat sich je nach einem Krieg gesehnt! – Was ist das von den politischen Brüdern? Der Herr Staberl ist kein Bruder von mir, das bitt ich mir aus; überhaupt leg deine Zunge hübsch in Zaum und erlaub dir hier keine Bemerkungen –

STABERL. Jawohl!

REDLICH. Das Weib muß nicht hofmeistern wollen.

THERESE. Versteht sich, weil ihr so gescheit seid.

STABERL. Darüber kann die Dummheit nicht urteilen.

THERESE. Was?

REDLICH. Recht hat er. Überhaupt stimm deinen Ton um und mäßige ein bissel dein Betragen; was dein Mann g'redt hat, wird noch wenig Unheil ang'stift't haben, und wenn unsereins politisiert, so ist das doch besser, als wenn man dem nächsten die Ehr abschneid't.

STABERL. Allemal –

REDLICH. Die Weltbegebenheiten sind für einen jeden; deshalb kommen s' in die Zeitungen, aber das Schicksal nachbarlicher Familien ist nicht für einen jeden, deshalb mußt du 's Maul halten, und ich kann reden. Dem türkischen Kaiser sein' Bart kann ich heut in Gedanken abschneiden, darüber krümmt sich kein Haar, aber mein' Nächsten seine Ehr muß ich ganz lassen – sonst bin ich nichts wert –

STABERL. Das ist nicht dalkert g'redt.

THERESE sieht ihn verächtlich an. Sie schweigen –

REDLICH. Nimm dir da was heraus, du wirst schon wissen, was ich meine –

STABERL. Ja, suchen Sie sich was aus –

THERESE zu Redlich. Sei nur nicht gleich so grantig –

REDLICH. Ich bin schon wieder gut, aber meine Meinung mußt du hören –

STABERL. Ja, ganz recht, und die meinige auch! Auch ich könnt Ihnen, meine liebste Madame Redlichin, mehrere[7] Grobheiten unterderhand mitteilen – aber ich hab grad einen notwendigen Gang. – Behüt Sie also Gott! Mischen Sie sich in unsere politischen Gegenstände nicht mehr – Sie – ohne daß ich Ihnen zu nahe tritt – verstehen da nichts davon; die Seilerstatt ist Ihre Festung und eine Herd Gäns Ihre Armee – wollen Sie noch ein paar Anten dazunehmen und ein paar Pudeln, so ist der Krieg fertig – aber in das andere mischen Sie sich nicht; es tut nichts, wertgeschätzte Madame Redlichin. – Sie können sich darauf verlassen, 's tut nichts! Will ab.

REDLICH ruft Staberl zurück. Apropos, Herr Staberl – Sie sind bei mir eingeladen, wir haben in ein paar Stunden ein kleines häusliches Fest; bringen Sie alle guten Nachbarn mit, mein Sohn geht zu seinem Regiment – Sie speisen bei mir –

STABERL. G'schätzter Herr Redlich, Sie machen mir da eine Überraschung, die mir die Red verschlagt; ich bin ohnehin schon lang nicht eingeladen g'wesen – nun, ich werd mich auszeichnen – O Madame Redlichin, wenn ich da speis, bin ich schon wieder gut mit Ihnen – ich bitte, die Suppen nicht zu versalzen, den Braten nicht zu verbrennen. Wenn ich das Ding nur g'wußt hätt, so hätt ich acht Tage nichts gegessen! Aber hat nichts zu sagen – auch ohne Ansagen g'winn ich die Partie – ich bitte nur um altdeutsche Knödeln wie mein Kopf, damit ich zeigen kann, daß ich ein Patriot bin! Schnell ab.


Quelle:
Das Wiener Volkstheater in seinen schönsten Stücken. Leipzig 1960, S. 6-8.
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