Vierte Szene

[45] Redlich. Ein Kommissär. Vorige.


REDLICH. Hier, Herr Kommissär, ist der Mensch, von dem ich Ihnen sagte.

KOMMISSÄR. Aha, da ist ja schon ein Bekannter. Wie lange ist es, daß Sie bei mir waren?

MÜLLER für sich. Verdammt! Laut. Ich bitte gehorsamst, es ist ein Mißverständnis –

REDLICH. Ein Mißverständnis? Nun, das wird sich schon aufklären.

KOMMISSÄR. Wie, Sie wären nicht der, der uns vor einigen Jahren wegen Betrügereien in die Hände gefallen und nach überstandener Strafe entlassen wurde?

MÜLLER hustet, räuspert sich und niest.

STABERL. Helf Gott, es ist wahr!

KOMMISSÄR. Oder der, der wegen seiner schlechten Gesinnungen uns einigemal angezeigt wurde und sich immer herauszulügen bemühte?

MÜLLER. Herr Kommissär, schonen Sie mich vor diesen Leuten.

KOMMISSÄR. Was? Welchen Ton nehmen Sie an? Unter welchen Leuten stehen Sie? Wissen Sie, wo Sie sind? Auf diesem Ehrenplatz sind Sie noch nie gestanden, mitten unter den Bürgern von Wien, das ist eine große Auszeichnung, die keinem Mann Ihrer Art zuteil werden darf. Also marsch, fort von hier! Fort!

MÜLLER. So behandelt man einen reichen Mann?

KOMMISSÄR. Reichtum schützt nicht vor Niederträchtigkeit, wie so manche glauben. Meine Herren, eskortieren Sie ihn! Er hat öffentliches Skandal gemacht, er soll öffentlich gedemütigt werden. Ab.[45]

TOLOYSKY. Herr Staberl, Sie nehmen sogleich drei Mann und führen den Arrestanten aufs Gerichtshaus, übergeben ihn und kommen sodann wieder hieher.

STABERL. Ganz recht, Herr Wachkommandant! Zum Müller. Die Tugend siegt, das Laster unterliegt. Ich habe Genugtuung. Herr Wachkommandant befehlen Sie, daß man den Arrestanten schließen soll?

TOLOYSKY. Warum nicht gar? Wozu?

STABERL. Auch gut, so muß ihm befohlen werden, daß er mitgeht, und es heißt die Wachsamkeit verdoppeln. Ruft zur Tür hinaus. Drei Mann von den Schönsten heraus! Drei Mann erscheinen, er zieht seinen Säbel. Richt't euch! Den Arrestanten in die Mitte. Drei Mann formieret ein viereckiges Karree! Achtgeben, daß der Malefikant nicht echappiert! Der Kerl ist vielleicht so verwegen und hängt sich auf, wenn wir ihn über die Brücken führen. Schultert! Marsch! Halt! – Herr Wachkommandant haben Sie noch was zu erinnern?

TOLOYSKY. Nein!

STABERL. Werd's ausrichten. Salutiert ihn. B'hüt Sie Gott! Alle ab.


Quelle:
Das Wiener Volkstheater in seinen schönsten Stücken. Leipzig 1960, S. 45-46.
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