Dritte Szene


[135] Ein Zimmer.

Lena. Die Gouvernante.


GOUVERNANTE. Denken Sie nicht an den Menschen!

LENA. Er war so alt unter seinen blonden Locken. Den Frühling auf den Wangen und den Winter im Herzen! Das ist traurig. Der müde Leib findet sein Schlafkissen überall, doch wenn der Geist müd ist, wo soll er ruhen? Es kommt mir ein[135] entsetzlicher Gedanke: ich glaube, es gibt Menschen, die unglücklich sind, unheilbar, bloß weil sie sind.


Sie erhebt sich.


GOUVERNANTE. Wohin, mein Kind?

LENA. Ich will hinunter in den Garten.

GOUVERNANTE. Aber ...

LENA. Aber, liebe Mutter? Du weißt, man hätte mich eigentlich in eine Scherbe setzen sollen. Ich brauche Tau und Nachtluft, wie die Blumen. – Hörst du die Harmonieen des Abends? Wie die Grillen den Tag einsingen und die Nachtviolen ihn mit ihrem Duft einschläfern! Ich kann nicht im Zimmer bleiben. Die Wände fallen auf mich.


Quelle:
Georg Büchner: Werke und Briefe. Frankfurt a.M. 131979, S. 135-136.
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