Fünfzehntes Kapitel
Neuntes Seeabenteuer

[153] Eine andere Seereise machte ich von England aus mit dem Kapitän Hamilton. Wir gingen nach Ostindien. Ich hatte einen Hühnerhund bei mir, der, wie ich im eigentlichsten Sinne behaupten konnte, nicht mit Gold aufzuwiegen war; denn er betrog mich nie. Eines Tages, da wir, nach den besten Beobachtungen, die wir machen konnten, wenigstens noch dreihundert Meilen vom Lande entfernt waren, markierte mein Hund. Ich sah ihn fast eine volle Stunde mit Erstaunen an und sagte den Umstand dem Kapitän und jedem Offizier am Bord und behauptete, wir müßten dem Lande nahe sein, denn mein Hund witterte Wild. Dies verursachte ein allgemeines Gelächter, durch das ich mich aber in der guten Meinung von meinem Hunde gar nicht irremachen ließ.

Nach vielem Streiten für und wider die Sache erklärte ich endlich dem Kapitän mit der größten Festigkeit, daß ich zu der Nase meines Tray mehr Zutrauen habe als zu den Augen aller Seeleute am Bord, und schlug ihm daher kühn eine Wette von hundert Guineen vor – der Summe, die ich für diese Reise akkordiert hatte –, wir würden in der ersten halben Stunde Wild finden.[153]

Der Kapitän – ein herzensguter Mann – fing wieder an zu lachen und ersuchte Herrn Crawford, unsern Schiffschirurgus, mir den Puls zu fühlen. Er tat es und berichtete, ich wäre vollkommen gesund. Darauf entstand ein Geflüster zwischen beiden, wovon ich indes das meiste deutlich genug verstand.

»Er ist nicht recht bei Sinnen,« sagte der Kapitän; »ich kann mit Ehre die Wette nicht annehmen.«

»Ich bin ganz der entgegengesetzten Meinung«, erwiderte der Chirurgus. »Es fehlt ihm nicht das mindeste. Nur er verläßt sich mehr auf den Geruch seines Hundes als auf den Verstand jedes Offiziers am Bord. – Verlieren wird er auf alle Fälle; aber er verdient es auch.«

»So eine Wette«, fuhr der Kapitän fort, »kann von meiner Seite niemals so ganz redlich sein. Indes, es wird desto rühmlicher für mich sein, wenn ich ihm nachher das Geld wieder zurückgebe.«

Während dieser Unterredung blieb Tray immer in derselben Stellung und bestätigte mich noch mehr in meiner Meinung. Ich schlug die Wette zum zweiten Male vor; und sie wurde angenommen.

Kaum war topp und topp auf beiden Seiten gesagt, als einige Matrosen, die in dem langen Boote, das an das Hinterteil des Schiffes befestigt war, fischten, einen außerordentlich großen Hai erlegten, den sie auch sogleich an Bord brachten. Sie fingen an, den Fisch aufzuschneiden, und – siehe! – da fanden wir nicht weniger als sechs Paar lebendige Rebhühner in dem Magen des Tieres.

Diese armen Geschöpfe waren schon so lange in dieser Lage gewesen, daß eine von den Hennen auf fünf Eiern saß, wovon eines gerade ausgebrütet war, als der Hai geöffnet wurde.[154]

Diesen jungen Vogel zogen wir mit einem Wurfe kleiner Katzen auf, die wenige Minuten vorher zur Welt gekommen waren. Die alte Katze hatte ihn so lieb als eines ihrer vierbeinigen Kinder und tat immer erstaunend übel, wenn das Huhn etwas zu weit wegflog und nicht gleich wieder zurückkommen wollte. – Unter den übrigen Rebhühnern hatten wir vier Hennen, von denen immer eine oder mehrere saßen, so daß wir während unserer ganzen Reise beständig einen Überfluß von Wildbret auf des Kapitäns Tafel hatten. – Dem armen Tray ließ ich, zum Danke für die hundert Guineen, die ich durch ihn gewonnen hatte, täglich die Knochen geben und bisweilen auch einen ganzen Vogel.[155]

Quelle:
Gottfried August Bürger: Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lande. Frankfurt a.M. 1976, S. 153-156.
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