111. Burgstadel.

[80] (Zu Nr. 186 des Hauptwerkes.)


Die Frau des Wattmüllers erblickte eines Tages auf dem Platze, wo das Schloß gestanden, einen offenen Keller, den sie vorher nie gesehen hatte. Sie stieg dessen Treppe hinab und bemerkte unten drei Kisten mit Geld. Eilends ging sie weg, um ihren Mann zu holen; aber als sie mit demselben zurückkam, war der Keller verschwunden.

Bei dem Burgstadel war einem Mann ein Schwein verlaufen. Mit einer Gerte, die er sich aus einer Haselstaude schnitt, suchte er es im Gebüsche, wobei er zufällig mit ihr die Bergwand berührte. Da öffnete sich diese und zeigte ein Gewölbe, worin das weiß gekleidete Fräulein und verschiedene Kisten waren. Auf einer der letztern[80] lag ein Hund mit einem Bund Schlüssel im Maule. Nachdem der Mann eingetreten, nahm das Fräulein die Schlüssel und machte damit die Kisten auf, welche voll Geld und Kostbarkeiten waren. »Nimm Dir davon, so viel Du willst,« sprach sie zu ihm, »aber vergiß das Beste nicht!« Ohne Säumen warf er die Gerte weg und packte von den Schätzen ein, so viel er fortbringen konnte. Als er damit im Freien war, schaute er nach dem Gewölbe um; aber da war der Berg wieder zu, und er erkannte nun, daß er das »Beste«, nämlich die Haselgerte, zurückgelassen habe.

Bei Tagesanbruch sah einmal der Knecht aus der Sägmühle das Fräulein an der Alb einen Kübel füllen und ihn auf den Berg tragen. Er erzählte es seinem Herrn, auf dessen Rath er am andern Morgen abermals an den Fluß ging und das Fräulein, welches wieder Wasser holte, fragte, was sie da mache. Sie erwiderte ihm, er möge ihren Kübel nehmen und ihr damit auf den Burgstadel folgen, was er auch ohne viel Bedenken that. Oben traten sie durch eine Höhle in das Schloß, worin viele Kisten und ein Faß standen, bei dem ein Hund auf einem Lotterbette lag. Nachdem das Fräulein den Kübel in das Faß ausgeleert hatte, sagte sie zu dem Knecht, er würde sie erlösen und alle die Schätze in den Kisten bekommen, wenn er den Frosch, worein sie sich verwandle, trotz des heftigen, aber unschädlichen Gebells des Hundes, dreimal mit der Hand um das Faß trüge. Beim ersten Gang um dieses bellte der Hund stark, beim zweiten noch stärker, beim dritten aber so fürchterlich, daß der Knecht den Frosch fallen ließ. Da war es um die Erlösung geschehen, und es erschien ein alter Mann und führte den Knecht zum Berge hinaus.[81]

Als einst ein Schäfer beim Weiden oberhalb der Kalbenklamm ein Stücklein blies, kam das Fräulein und sagte ihm, er solle mit ihr gehen, seine Heerde werde unterdessen bestens gehütet. Auf dieses folgte er ihr und ward an einen Platz voll Schlüsselblumen geführt, deren er eine abbrechen und auf den Burgstadel mitnehmen mußte. Dort war eine Thüre sichtbar, welche er auf seiner Führerin Geheiß mit der Blume wie mit einem Schlüssel aufschloß. Sie gingen hinein und kamen zu drei Kisten, auf deren einer ein schwarzer Pudel lag. »Oeffne die Kisten mit der Blume«, sprach das Fräulein zu ihrem Begleiter, »und nimm daraus, so viel Du willst, aber vergiß das Beste nicht!« Nachdem der Hund herab gesprungen war, schloß der Schäfer mit der Blume die Kisten auf und fand sie mit Schafzähnen gefüllt. Ohne große Freude steckte er damit seine Taschen voll und trat dann, die Blume zurücklassend, allein den Rückweg an. Kaum war er aus dem Berge, so rief ihm eine Stimme klagend nach: »Du hast das Beste vergessen!« Seine Heerde traf er schön beisammen und vergaß über ihr die mitgenommenen Schafzähne. Erst am nächsten Morgen dachte er wieder an dieselben; aber statt ihrer fand er in seinen Taschen lauter Goldstücke. Sogleich eilte er auf den Burgstadel; allein er sah die Thüre nicht mehr und merkte nun, daß unter dem »Besten« die Schlüsselblume verstanden war, mit der er immer wieder in den Berg und zu dem Golde hätte gelangen können.

Quelle:
Bernhard Baader: Neugesammelte Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Band 2, Karlsruhe 1859, S. 80-82.
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