[117] Klingel und Flecht treten auf.
KLINGEL.
Du bringst mich auf unendliche Gedanken,
Mein theurer Flecht! auf neue, niegedachte,
Die längst ich selber oft gehabt. Die Welt,
So wie sie ist, die wirkliche, die jetzige,
Gemeinvernünftige – wie soll ich sagen –
Zum Ekel sittliche, durch Luther vollends
Verhunzte Welt muß untergehn, muß rein
Vernichtet werden.
FLECHT.
Hab's gesagt. Es steht
Geschrieben! Sag' es noch, und schreib' es wieder
Schlechthin. Ihr könnt's ja hören, könnt's ja lesen.
Was geht's mich weiter an? Die Welt muß rein
Vernichtet werden! Punctum! Soll ich denn
Es ewig wiederholen? oder – Esel!
Versteht Ihr gar kein Deutsch?[117]
KLINGEL.
Die Welt muß rein
Vernichtet werden! Wie gesagt, das war
Von jeher meine Meinung auch –
FLECHT.
Was, Meinung?
Ich meine nicht; ich weiß. Nachplappern könnt Ihr,
Ich kenn' euch schon. Von hinten faßt ihr alles,
Von vorne nichts.
KLINGEL.
Du zielst doch, hoff' ich, nicht
Mit diesem Pfeil auf mich?
FLECHT.
Er trifft wohl sonst –
Seyd alle miteinander Esel!
KLINGEL.
Freilich! Alle –
Das sag' ich auch; nur bitt' ich Eins mir aus:
Ich bin es nicht; denn Ich bin Ich, wie Du.
FLECHT.
Kann seyn – beweis' es!
KLINGEL giebt ihm eine tüchtige Ohrfeige.
Da! von vorne! da!
FLECHT versetzt ihm einen entsetzlichen Nasenstüber.
Da! vorner noch, Du Hund!
KLINGEL mit blutender Nase.
O, Kraft und Kraft!
Du bist ein Philosoph, ich ein Poet –
Grobgöttlich, göttlichgrob, Ich-Helden beide.
Genie ward jedem, einziges, die Welt
Entsetzendes Genie. O! laß uns nicht
Das Göttliche verschwenden gegen uns!
Vereinigen wir lieber unser Höchstes
Und Einziges im Kampfe gegen Alle!
Laß jen' Ohrfeige, diesen Nasenstüber
Das Ich vom Ich nicht trennen! Sey's vielmehr
Ein inniger, verhängnißvoller Bund! –[118]
FLECHT desänftigt.
Wohlan, ich sage Topp! – Es werde Fleisch
Das Wort! Die kalte Wissenschaft erscheine
Nun auch in heißer Dichtung!
Sie umarmen einander.
Doch was thun
Vereint wir nun zu unserm großen Zwecke?
Wie kommen wir zum Ziel?
KLINGEL sein Nasenbluten mit dem Schnupftuche stillend.
Die Barbarei
Muß wieder eingeführet werden, und
Die Schulen alle, die von griechischer
Und römischer Cultur verpestet sind,
Rein abgeschafft – bis auf die unsre!
FLECHT.
Gut!
Und weiter?
KLINGEL.
Alles sonst, was Wissenschaft
Und Kunst bisher geschienen, muß zerstört
Und ausgerottet werden. Hier in Jauer
Muß angefangen werden, hier im Kern
Romaniens: dann fällt von selbst das Andre.
FLECHT.
Ganz recht! Doch welche Mittel haben wir
Zur physischen Zerstörung – der Gebäude,
Der Gärten, der Gemälde, der Gebilde,
Der Professoren, der Bibliotheken –
Des Musentempels hier, zum Beispiel, und
Der Büsten, und dergleichen?
KLINGEL.
Unsre Fäuste,
Wenn wir nur einig sind.
FLECHT.
Was wird uns einig
Wohl machen können? Hassen wir im Grunde
Doch all' einander brüderlich! Wer wird uns
Wohl zwingen, Eins zu werden je?[119]
KLINGEL.
Der Stärkste.
FLECHT.
Wer ist's?
KLINGEL.
Der dreimal stark ist: ich, und Du,
Mit einem Dritten! Und es helfen uns
Zum Ueberfluß die herrlichen Vandalen
Bei'm Niederreißen schon. Wir fangen heute
Das Werk schon an! Bist Du's zufrieden?
FLECHT reicht ihm die Hand.
In meinem Namen!
KLINGEL einschlagend.
Heil'ger, sel'ger Bund
Der Denkkraft und der Dichtkunst! – Das Gemüth,
Das Wohl- und Weh-erfüllte, sangbegabte,
Nur fehlt uns noch.
Man hört hinter den Coulissen etwas leise trampen.
Da kömmt es schon!
FLECHT nach der Seite blickend.
Bist du gewiß auch, jener sey der Dritte,
Der unserm Bunde Noth? Trügst Du Dich nicht? –
Er sieht mir etwas läppisch aus.
KLINGEL.
Ein Geist
Hat immer wenig Körperschein. Er ist's!
Ich bin's gewiß – ich kenn' ihn durch und durch –
Er ist ganz nur Gemüth!
FLECHT immer nach den Coulissen blickend, wo das Trampen zunimmt.
Kenn' ich ihn nicht?
Wie heißt er?
KLINGEL.
Schwerlich kennst Du ihn persönlich;
Denn niemals war er in Collegien
Bis jetzt; auch ist er nicht so sehr Student,
Als Kohlenbrenner eigentlich. Er haust
Im Walde stets – auch auf den Gottesäckern,[120]
Gewissermaßen halb begraben schon.
Die Meisten sehn ihn an für ein Gespenst;
Doch frißt er Eicheln wenigstens. Sein Nam'
Ist Keit.
Das Trampen wird immer näher gehört, mit Schellengeklingel vermischt.
FLECHT.
Woran erkennst Du aber, – sag'
In Eile mir in's Ohr – daß er der wahre
Gediegne Geist der Wunder ist, und würdig,
Von meinem Ich und Deinem auszugehn?
KLINGEL dem Flecht in's Ohr.
Er findet göttlich mich, und göttlich Dich.
FLECHT.
Das zeichnet freilich ihn zu seinem Vortheil
Gar sehr von allen Andern aus. Er singt?
KLINGEL.
Natürlich! Geister sprechen selten. Still!
Er sieht uns nicht. Wir wollen ihn belauschen
Hier hinter diesem Baum. Du wirst schon merken
Aus dem Gesang, wie ganz Gemüth er ist!
Sie verstecken sich hinter den Baum.
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