[129] Pinsel und Poz gehen neben einander über die Scene.
PINSEL.
Wie ich Dir sag', es kömmt das Meist', und Alles
Auf den Gesichtspunkt an.
POZ.
Du thätest besser
Doch, selbst als Maler, glaub' ich, hier zu bleiben.
Was willst Du in Italien? Es ist
Nichts Nordisches ja dort.
PINSEL kehrt rechts um.
Nichts Nordisches?
Und waren denn die Cimbrer, Hunnen, Gothen,
Und Longobarden nord'sche Völker nicht?
POZ kehrt mit ihm.
Sie sind ja, leider! nicht mehr da.
PINSEL.
Doch wohl
Zum mind'sten ihre Spuren. Welches Land[129]
Hat mehr gelitten von dem Norden wohl
Als grad' Italien? Was sind am Ende
Die weltberühmten herrlichen Ruinen
Wohl anders als noch sprechende Denkmäler
Der kräft'gen nord'schen Barbarei? – Was sind
Die Wunder aller Steinbildkünste gegen
Den Torso, diesen wahren Marmor-Faust!
Und was ist dieser göttliche wohl anders
Als ein gemeiner griech'scher Herkules,
Woran die kühne gothische Gewalt
Die letzte Hand gelegt hat?
POZ.
Du frappirst mich!
Mir leuchtet's ein. Im Grunde haben wir
Dem Mittelalter Alles doch zu danken.
PINSEL kehrt links um.
Was gut ist, Alles – in der Malerei
Nun vollends Alles. Es ist Schade nur,
Daß es nicht länger dauerte. Es hörte
Mit Pietro Perugino auf, der schon
Halb zu modernisiren anfing. – Denn,
Nach meiner heiligsten Kunstüberzeugung,
Hat Raphael der wahren Malerei
Den Todesstoß gegeben.
POZ kehrt mit ihm.
Sollt' er das?
PINSEL.
Nicht anders! Unter uns gesagt, es ist,
Die Werke seiner Kindheit ausgenommen,
Kein einzigs unter allen seinen Stücken,
Kein einzigs, das ich hätte malen mögen.
POZ.
So schlecht ist es?
PINSEL.
Erbärmlich! Wie ich sage,
Der Raphael ist nichts als der Virgil
Der Maler mir.
Er spuckt im Vorbeigehen auf Virgil's Büste.
[130]
POZ.
Damit ist Alles freilich
Gesagt; dann ist er allerdings auch mir
Ein jämmerlicher Pinsel.
Spuckt auch.
Aber wenn ich
Nicht irre, hab' ich dennoch öfters Keit
Ihn rühmen hören stark.
PINSEL kehrt rechts um.
Er meint es nicht;
Hat ohnedem gar nichts von ihm gesehen.
Wär' er, wie ich, im Louvreschen Museum
Gewesen, würd' er sicher uns von ihm
Ein andres Lied gesungen haben. – Nur
Im Umriß, und im Colorite hat
Er was von Holbein – aber dies auch nur
In seinen ersten Stücken. –
POZ kehrt mit ihm.
Aber was
Willst Du denn in Italien wohl malen?
PINSEL.
Landschaften – nichts als nur Landschaften.
POZ.
Das
Hat schon so Mancher längst gethan; und Du
Willst ja nichts thun, was irgend je ein Andrer
Vor Dir gethan. Es geht ja jeder Pfuscher
Nach Süden, um Landschaften zu studiren. –
PINSEL.
Nicht in den Städten, wie ich's werde thun.
'S kömmt Alles auf die Ansicht an.
POZ.
Was hat
Man aber in den Städten von Landschaften,
Das werth –
PINSEL.
Den Thurm von Pisa zum Exempel.
Davon hat man aus Zeichnungen bisher
Noch keinen Schatten von Begriff; und doch
Ist's eins der allerkühnsten Kunstproducte[131]
Der gothischen Romantik. Weder Römer
Noch Griechen haben je was Aehnliches
Von Baukunst aufzuweisen.
POZ.
Steht er nicht
Ganz schief, schräg über seine Basis hängend,
Als wenn er fiele?
PINSEL wieder umkehrend.
Freilich!
POZ mit ihm, und so die ganze Scene durch.
So gerade
Hab' ich ihn selbst im Kupferstich – ganz schief –
PINSEL lächelnd.
Ja schief genug! Das ist's. Ich will ihn aber
Darstellen von der Seite, wo er ganz
Gerade aussieht. Und in Rom nun vollends –
Was giebt's nicht da für plastische Natur!
Dantische – buonarottische Natur!
Die Kuppel – das Portal – das Innere
Der Peterskirche –
POZ.
Das ist doch nicht gothisch
So eigentlich.
PINSEL.
Wie man's bisher genommen.
Die Kuppel werd' ich aber erst von oben
Anschaulich machen.
POZ.
Doch das Innere
Hat man auf alle Weise, selbst sogar
In Panoramen ja –
PINSEL.
Nur nicht von außen.
POZ.
Zum wenigsten ist das Portal –
PINSEL.
Von vorne;
Ich will's von hinten zeichnen.[132]
POZ.
Das ist wahr –
An diese Ansicht dacht' ich nicht. Du bist
Ein Teufelskerl!
PINSEL.
Wie ich Dir sag', es kömmt
Auf den Gesichtspunkt Alles an. Die Welt,
Und jeder Theil davon, aus neunundneunzig
Betrachtet, ist gemein, prosaisch, wirklich,
Zweckmäßig, endlich, nützlich, und wie sonst
Das Zeug heißt – nur aus einem einz'gen großen
Gesichtspunkt angeschaut: original,
Poetisch, täuschend, malerisch, unendlich,
Ganz zwecklos, unnütz, göttlich – diesen trifft
Nur das Genie. – Aus diesem ist mir auch
Sogar die Sünde heilig, ja der Teufel
Ein Gott, und selbst ein Himmel jede Hölle.
POZ.
Es ist der Mittelpunkt poetischer
Philosophie – der indische Gesichtspunkt
Gemüthlicher Romantik. Könntest Du
Nicht aus demselben auch Dein Hier-in-Jauer-
Verweilen als 'ne Reise nach Italien
Betrachten?
PINSEL.
Das Genie wählt frei; ich ziehe
Den vor, die Reise dort als ein Hierbleiben
Gemüthlich anzusehn.
POZ.
Du kömmst doch heute
Zum Schmaus bei Faust auf jeden Fall?
PINSEL.
Ich weiß nicht.
Er hat die ganze Welt ja eingeladen.
POZ.
Im Gegentheil, nur die Ausnahmen, uns,
Die genialischen, die plastischen,[133]
Romantischen Naturen – die Platonen,
Shakspeare, Danten, Michelangeln,
Und Holbein' unsrer Universität.
'S wird eine wahre Einsamkeit da seyn;
Denn so was kann man nicht Gesellschaft nennen.
Ich hasse sie so gut wie Du. Es kömmt
Kein einziger Professor; aber ein'ge
Von ihren Frauen, sagt man.
PINSEL.
Also werd' ich
Das Nackte dort studiren!
Vor sich.
Gretchen's Formen
Werd' ich nun freilich nicht da finden!
Laut.
Gut!
Ich werde kommen.
POZ.
Bringe Dein Portrait
Von Faustens Schatten mit! Es sind da Viele,
Die's nicht gesehen haben.
PINSEL.
Wohl! ich bring' es.
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