Dritter Auftritt.

[170] JAKOB PILZ springt auf, tritt hervor, und steckt seine Aurora in die Tasche.

Wir sind schon da!

KEIT eilt zu ihm hin.

O Vater! laß mich jetzt

Dich hier anbeten! – Sieh auf mich hernieder!

Gieb Deinen Segen mir! o nimm mich an

Als Flickerjunge! Sieh! die ganze Welt,

Brot, Ehre, Glück, Verstand, und Weib, und Kind,[170]

Geb' ich dahin, mit Dir auf einem Brett,

Zu Deinen Füßen nur, die Beine quer

Gekreuzt, zu sitzen – Dir den Zwirn zu wichsen

In stiller Andacht. O! verstoß mich nicht

Des bischen Logiks wegen, das mir Sünder

Vielleicht noch anzuhaften scheint! O sieh'

In Gnad' auf meine Wehmuth, Demuth, Dummuth –

Die ohne Grenzen, noch im Wachsen sind!

O! schlage mich mit Deinem heil'gen Riemen

Zum Ritter Deines Kreuzes!


Er stürzt zu seinen Füßen.


JAKOB PILZ.

Warum nicht?

Von Herzen gern, Gelbschnabel! Da!


Fegt ihn tüchtig mit dem Riemen.


KEIT knieend.

Ja wohl,

Gelbschnabel bin ich gegen Deinen Goldmund!

Doch Gelb wird Gold, und Schnabel Mund, wenn Du

Das erste um-, das zweite segnend berührst!

JAKOB PILZ.

Was brummst Du da von um und be? Sprich derber,

Wenn ich Dich fassen soll! Ich spei' auf alle

Gelehrsamkeit, Gelahrtheit, und Geleertheit –

KEIT.

Ich auch, so viel ich kann, aus aller Macht.

JAKOB PILZ.

Schon gut! – Aurora – hörst Du mich? Aurora –

KEIT.

Ich höre.

JAKOB PILZ.

Au – gieb Acht!

KEIT.

Ich bin ganz Achtung.

JAKOB PILZ.

Aurum ist Gold, und Ora Mund: Aurora!

Von hinten nun sprich nach! Arorua![171]

KEIT.

Arorua!

JAKOB PILZ.

Kehr' um die ersten drei:

Ora!

KEIT.

Ora! ora! ora! –

JAKOB PILZ.

Halt's Maul!

Halt's Maul, und bete! Falte Deine Hände!

Rua! ruf dreimal an den Geist! ruf Rua!

KEIT.

Ruah! Ruah! Ruah!

JAKOB PILZ.

Jetzt küsse mir

Den Vordermund!

KEIT küßt ihn mit Inbrunst.

JAKOB PILZ.

So gut! – Jetzt küsse mir

Mit Andacht auch –

KEIT noch inbrünstiger.

O heiliges Mysterium!


Der Vorhang fällt; geht aber gleich wieder auf.


JAKOB PILZ.

Bist eingeweiht nunmehro musterrecht.

Empfang den Segen nun als Schusterknecht!

Und merke Dir dabei die gute Lehr',

Es wird Dir wohl gedeihen immer mehr.

Ueb' Dich in meiner kräft'gen Art zu sprechen,

Und thu die Zähn' weit aus einander brechen!

Mach gegen schiefen Mund ein schiefes Maul!

Vor allem sey zum Fratzenziehn nicht faul!

Bist dennoch allzusehr verdrossen,

Und steckst voll dummer ird'scher Possen;

So steck die Nas' in ein gutes Buch,

Damit Du werdest gesund und klug.

Ich habe Dir eben ein solches erschlossen,

Wovon den Titel Du schon genossen;[172]

Da mach' Dich drüber und spinne Dich ein,

In Poeterei recht heimisch zu seyn.

Ueb' dann im Ernst das Volle, Tolle, Tüchtige,

Und auch im Scherz das Hilde, Wilde, Flüchtige!

Erwärm' Dein Herzelein in alter Lieb',

Erweck' in Dir den wohlbekannten Trieb!

Sey schnickisch und schnackisch! sey tippisch und täppisch,

Altfränkisch, katholisch, und kindisch und läppisch!

Laß gellen die Schellen! und zürnt man darob,

Sey derber als derbe, sey gröber als grob!

KEIT aufstehend.

Dafür bin ich, fürcht' ich, zu gut erzogen –

JAKOB PILZ.

Halt's Maul, Gelbschnabel! das ist erlogen.

KEIT demüthig.

Ich halte das Maul; und werde mir sehr

Vom Herzen in's Herz einprägen die Lehr'.

Es fehlt mir noch an hundert Ecken;

Doch hoff' ich, es werde mir bald erklecken.

Ich werde mich setzen auf meinen Anus,

Und schreiben einen längeren Octavianus.

JAKOB PILZ.

Das wird Dir immer nützlich seyn.

Auch will ich mich darüber freun,

Wenn Du zu Stande bringst was Tüchtiges,

Was mehr als gewöhnlich Großes und Wichtiges.


Er zieht einen Stiefelknecht aus dem Busen hervor.


Da bringe vorher diesen Stiefelknecht,

Zu dem A der Aurora, dem göttlichen Flecht!

KEIT erstaunt.

Was, Flecht? dem entfiederten, trocknen Vernunftspecht?

Dem Setzer, dem Logiker!

JAKOB PILZ.

Bist nur ein Zunftknecht –

Zunftmeister ist Er – im Kreise der Muster

Der hiesigen himmelerbauenden Schuster.[173]

(Er hat mich bezahlt und tractiret galant!)

Sein derbes Gemüth ist mir nahe verwandt.

KEIT betroffen.

Will's wieder gut machen! – Ich hab' ihn verkannt.

Ist also der nicht, der die Wissenschaftslehre


Nimmt den Stiefelknecht.


JAKOB PILZ.

Zum Teufel! dergleichen verbitt't er sich sehre.

Hat von Wissen und Lehren und trockner Vernunft

Nicht mehr als die übrige Schusterzunft.

KEIT fröhlich.

Dann werd' ich mit Thaten, mit Worten und Mienen,

Wie Dir, o mein göttlicher Meister, ihm dienen.

JAKOB PILZ.

Sobald Du mir Botschaft von Flechten gebracht,

Werd' ich mich Dir zeigen in all meiner Pracht!


Er verschwindet unter den Pappeln.


KEIT.

Wo treff' ich Dich wieder, o Meister groß?

HANS WURST vom Baume herab.

Im Feur – auf'm Meer – in der Erde Schooß!


Quelle:
Baggesen, Jens: Der vollendete Faust oder Romanien in Jauer. Jens Baggesen's Poetische Werke in deutscher Sprache, Bd. 3, Leipzig 1836 [Nachdruck: Bern, Frankfurt am Main, New York 1985], S. 170-174.
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