Fünfter Auftritt.

[176] Pinsel und Droll, mit einer großen Rolle unter dem Arm.


DROLL rollt das Gemälde auf, das er trägt, und stellt es so auf die Bank an den Platanus in der Mitte der Bühne, daß man es sieht.

Hat Faust es selber schon gesehn?

PINSEL.

Noch nicht

Vollendet.

DROLL das Gemälde betrachtend.

Doch – ich muß gestehn – je mehr

Ich's anseh', und je länger ich's betrachte,

Je länger find' ich die Gestalt.[176]

PINSEL.

Natürlich!

DROLL mißt die Figur vom untern Rande des Gemäldes bis zum obern mit der Hand.

Zwölf Spannen hoch und eine breit – ich weiß nicht –

Mich dünkt doch die Figur zu lang.

PINSEL lacht.

Zu lang?

Wie wirst Du meine Ewigkeit dann finden?

DROLL.

Der Faust ist kurz und dick –

PINSEL.

Sein Schatten aber

Bei'm Untergang ist dünn und lang.

DROLL immer das Gemälde betrachtend.

Dann scheint's

Mir auch, als Schatten, gar zu blaß!

PINSEL.

Du Vieh!

Als könnt' ein Mondscheinschatten anders seyn!

DROLL.

Ein Mondscheinschatten ist's?

PINSEL.

Das sieht ein Blinder!


Quelle:
Baggesen, Jens: Der vollendete Faust oder Romanien in Jauer. Jens Baggesen's Poetische Werke in deutscher Sprache, Bd. 3, Leipzig 1836 [Nachdruck: Bern, Frankfurt am Main, New York 1985], S. 176-177.
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