Zweiter Auftritt.

[290] SCHWÄMMELEIN, DER FIEDELER, führt Faust nebst den sieben Weisen vor den König.

Sind dumme Recken aus der künft'gen Zeit,

Sie kommen, Herre! Dir zu dienen,

Hier in das Heunenland, gar weit, –

Du siehst's an ihren blöden Mienen.

VOLK, HOFNARR DES HEUNENKÖNIGS.

Wann ich schau sie von hinten, schau sie von vorn,

Wollt' schwör'n, sie sey'n noch gar nicht gebor'n.

FAUST.

Wir kommen, Ezelherre! Dich zu grüßen,

Vom neunzehnten Jahrhundert her –

Der Weg war lang; der Gang war schwer;

Wir haben immer rückwärts gehen müssen.


Sie werfen sich auf die Kniee nieder vor dem Thron.


KÖNIG EZEL.

Kutja! Kutja! Terrrrrremmtete!

KEIT vor sich.

Das ist die Heunensprache?

FAUST zum Fiedeler.

Spricht Seine Majestät nicht schwäbisch?

FIEDELER.

Nein.

Schwabburigundisch spricht die Königin allein.

FAUST.

Ist's jetzt erlaubet, ihren Leib zu grüßen?[290]

FIEDELER.

Ihr müßt vorher das Mündelein ihr küssen!

KEIT.

Wird nicht darüber Seine Majestät jaloux?

FIEDELER.

Pah! – puh!

FAUST naht sich zuerst der Königin, und küßt sie; bekömmt aber eine derbe Ohrfeige. – Leise zum Fiedeler.

Ist das der Brauch?

FIRDELER.

Natürlich; wo sie kann,

Uebt sie die Rach' an jedem Niblungsmann.


Alle die Andern küssen nach der Reihe, und bekommen ihre Ohrfeige.


KÖNIG EZEL.

Terrrrrremtete!

CHRIEMHILDE.

Was bringt Ihr meinem Leibe so michelschwere Noth?

Seyd Ihr die Nibelungen, die schon geschlagen todt?

FAUST.

Ach nein! wir sind die neuen Nibelungen,

Die rückwärts in die Ezelzeit gedrungen!

Gewissermaßen sind wir noch nicht da –

Und doch –

KÖNIG EZEL niest.

Terrremtete!

DIE ZWÖLF KÖNIGE.

Halleluja!

ALLGEMEINER CHOR.

Halleluja! dem Räkel aller Recken!

Dem alle Könige die Füße lecken!

Dem, wo sein Roß nur trat mit Hufesschlag,

Kein Gras mehr wächst bis an den jüngsten Tag!

CHRIEMHILDE.

Wer seyd Ihr denn, ihr Sieben, eigentliche?

FAUST.

Blutdumme Recken, minneliederliche,[291]

Biderbe Ritter von dem Vordersteiß,

Freiherrn von Ich, zukünft'ge Nebeljungen,

Und denen schon viel Gräßliches gelungen.

Ich Faust, gleichsam ihr Hort, der Dietrich bin,

Deß hat die Barbarei viel groß Gewinn.

CHRIEMHILDE.

Was wollt Ihr hier?

FAUST.

Anbeten voller Minne

Den Großen Ezel und die Ezelinne,

Und das Barbar'sche lernen aus dem Grund,

Es hörend hier aus seinem eignen Mund –

CHRIEMHILDE.

Hei! hei!

KÖNIG EZEL niest wieder.

Terrremtete!

DIE ZWÖLF KÖNIGE niederfallend.

Halleluja!

FIEDELER.

Stürzt nieder jedesmal, sobald der König niest,

Und ruft Halleluja! man sonst Euch Alle spießt.

FAUST während die Andern niederstürzen, und Halleluja rufen.

Halleluja! Doch bleib' ich auf den Beinen!

Ich bin so gut wie Ezel, sollt' ich meinen.

KÖNIG EZEL niest zum dritten Mal.

Terrremtete!

MEHRERE KÖNIGE mit Erstaunen.

Der Kerl beleibet stahn,

Ganz trutzig, ungefüge! Das wird ihm übel gahn!

CHRIEMHILDE.

Weh mir viel armem Weibe, was darf der Recken wagen!

Hei! Das ist Er!

HOFNARR.

Wer, Ezelinne?

CHRIEMHILDE.

Von Troneg Hagen![292]

KÜDIGER.

Das nicht wolle Gott im Himmele! Da giebt's viel schwere Noth!

CHRIEMHILDE.

Wenn nicht ihn schlagt mein Ezel, hei! schlag' ich ihn selber todt!

Er schlug mir meinen Friedel, und nahm ihm grimmiglich den Leib,

Von ihm kommt aller Jammer mir armem jämmerlichem Weib. –

HOFNARR.

Wir wollen immer hoffen, das müss' unmögeliche seyn,

Zugleich zu wesen der Dieterich und der Hagene ganz allein;

Drum Ezelinne nicht weine! halt inne den mörderlichen Zoren,

Zumal da jene gestorben, und dieser noch nicht geboren!

Da liegen ja die Niblungen getödtet an einem Hauf' –

CHRIEMHILDE.

Thut nichts! ich kenne die Recken; sie stahn alle wieder auf.

HOFNARR.

Sind sicherliche nur Gespenster, viel adelige Fraue mein,

Die nach viel hunderte Jahren umspuken, als Nibelungelein.

CHRIEMHILDE.

Das wolle Gott im Himmele!

HOFNARR.

Deß bin ich überzeugt,

Weil der gar viel morderliche König so stille zu Allem schweigt;

Er hätt' sie schon alle gespießet, gebraten, auch bloß zum Spaß,

Vorlängsten zu Nichts sie geblasen, die Trotzigen, wären sie was.

KÖNIG EZEL nickt mit dem Haupte.

Kutja! Terrremtete![293]

EIN LANGER HEUNENRECKE.

Heraus! heraus auf allen Vieren!

Der König giebt Signal zum Buhurdiren!


Alle stürzen sich nieder, und gehen rückwärts auf allen Vieren aus dem Gezelt hinaus – nur Faust nicht.


Quelle:
Baggesen, Jens: Der vollendete Faust oder Romanien in Jauer. Jens Baggesen's Poetische Werke in deutscher Sprache, Bd. 3, Leipzig 1836 [Nachdruck: Bern, Frankfurt am Main, New York 1985], S. 290-294.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der vollendete Faust oder Romanien in Jauer
Der vollendete Faust oder Romanien in Jauer

Buchempfehlung

Apuleius

Der goldene Esel. Metamorphoses, auch Asinus aureus

Der goldene Esel. Metamorphoses, auch Asinus aureus

Der in einen Esel verwandelte Lucius erzählt von seinen Irrfahrten, die ihn in absonderliche erotische Abenteuer mit einfachen Zofen und vornehmen Mädchen stürzen. Er trifft auf grobe Sadisten und homoerotische Priester, auf Transvestiten und Flagellanten. Verfällt einer adeligen Sodomitin und landet schließlich aus Scham über die öffentliche Kopulation allein am Strand von Korinth wo ihm die Göttin Isis erscheint und seine Rückverwandlung betreibt. Der vielschichtige Roman parodiert die Homer'sche Odyssee in burlesk-komischer Art und Weise.

196 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon