Fünfter Auftritt.

[296] DIE DREI KÖNIGE die von den Zwölfen übrig geblieben, kommen mit einigen Recken, die ebenfalls nicht auf dem Buhurdirplatz geblieben, wieder herein, und stürzen sich vor dem König Ezel nieder.

Wir Deine Knechte, ganz erbärmeliche,

Bedauern, daß trotz jedem Stoß und Stiche,

Dir zu bezeugen unsre Demuth blind,

Wir doch annoch im Leben übrig sind.

KÖNIG EZEL spuckt.

Terrremtete!

CHRIEMHILDE zu den Königen.

Wir sind zufrieden mit Euch, waideliche Frommen,

Habt guten Muth! Ihr könnt im nächsten Spiel umkommen![296]

DIE KÖNIGE UND RECKEN.

Dem großen Attila

Halleluja!

KÖNIG EZEL gähnt.

– – – – – –

FAUST zu den Andern.

Das ist mir ein Kerl, der versteht's Regieren,

Zu schalten und walten und imponiren –

Hat kaum uns Alle nur angeguckt –

Flucht sein Terremtete, niest und spuckt –

Würdigt zur Noth, seinem nächsten Magen

Und Gesandten der Nachwelt, Kutja! zu sagen,

Sitzt da wie der Gott des jüngsten Gerichts –

Es geht doch über so 'nen Ezel nichts!

HOFNARR der die Todtenmaske wieder abgelegt hat, zur Ezelinne.

Das seit' ich Euch fürwahre, viel holde Fraue mein!

Daß Jene nimmermehre Niblungen kunnten seyn.

Wär's Nibelungen wesen, wir hätten's schwer gespürt,

Doch bei dem Buhurdiren hat Keiner sich gerührt.

RÜDIGER.

Wie hätten sie auch können so kommen rückewärts?

CHRIEMHILDE.

Geh, Rüdiger, und schlage den Dietrich todt zum Scherz

HOFNARR.

Es wird, sobald du hauest, der jämmerliche Schuft,

Deß bin ich ganz getroste, zerfließen in die Luft.

RÜDIGER geht auf den Faust zu, im Begriff zuzuhauen.

Elender Traum! verschwinde!

FAUST seine Knallpeitsche hervorziehend.

Traum vom Traum!

Laß sehen, wer von uns am dicksten füllt den Raum.


Peitscht den Rüdiger ganz entsetzlich, bis er hinfällt – alle die Andern gerathen darüber in Aufruhr.


DIE MEHRSTEN STIMMEN schreiend.

Faust! bist Du rasend? wir sind keine Puppen![297]

FAUST.

Um so viel besser fühlt Ihr meine Schnuppen!

KÖNIG EZEL springt herab vom Thron.

Kutja! Terremtete!

FAUST.

Schlag Dich der Donner

Zehntausend Meilen tief in's Höllenloch

Der Erd' hinein, verruchter Heunenbock!

KÖNIG EZEL.

Kutja! Terrremtete!

FAUST auf ihn lospeitschend.

Terremmte nur!

Auch ich bin von despotischer Natur!

CHRIEMHILDE stürzt ebenfalls vom Thron herab, mit fliegenden Haaren.

O Rache! Rache!

KÖNIG EZEL.

Hei! hieher, Ihr Recken!

Zersplittert mir den Hund in Millionen Stecken!

FAUST immer peitschend.

Erkenne Deinen Herrn! und reime besser, Vieh!

KLINGEL.

O Faust! mißbrauche nicht Dein göttliches Genie!

Zerstöre nicht, Zerstörer, die Zerstörung!

CHRIEMHILDE.

O Rache, Rache!

HÖCHENER.

Schreckliche Bethörung!

Wir spielen, Faust, ja nur – wir spielen nur!

FAUST giebt ihm eine Maulschelle.

Halt's Maul! verworfne Creatur!

KÖNIG EZEL.

Ich bin ganz todtgepeitscht –

RÜDIGER.

Ich auch –

HOFNARR.

Ich auch –[298]

KEIT.

Weh meinem Schädel, ach!

DROLL.

Weh meinem Bauch!

KÖNIG EZEL.

Weh meinem All im All! ich sterbe gar;

Doch selbst im Tode bleib' ich, der ich war!

FAUST ihn peitschend.

Ich peitsche Dich lebendig, Wicht!

Bekennst Du nicht!

KÖNIG EZEL.

Hei! hei! was muß ich denn bekennen?

FAUST.

Daß ein Trompeter nur Du bist,

Kein reicher Heide, kaum ein armer Christ,

Ein Esel-König eher zu benennen,

Als König Ezel –

TILL ganz die Königsrolle aufgebend.

Ich bekenne schon!


Vor sich.


Wie bin ich gegen diesen Faust Coujon! –

ALLE.

Halleluja! dem Eselkönig! Ha!

Wie ganz erbärmlich steht er jetzo da!

CHRIEMHILDE.

Ich bin wohl also wieder Barbara?

EINIGE.

Wir sind jetzt wieder in dem alten Stücke,

Im neunzehnten Jahrhunderte, zurücke.

EINBEIN.

O Faust! wenn Deine Peitsche, Dein Genie,

Dein wunderbares, weiß nicht was und wie,

Nicht fesselte mit Göttermacht mein Leben:

Ich würde diesen Streich Dir nie vergeben.

KEIT.

Du wecktest uns aus einem süßen Traum.

FAUST.

Seyd ruhig, und gebt keinen Grillen Raum![299]

Laßt Euch von mir ein wenig dirigiren,

Bis selbst Ihr lernt despotisch commandiren. –

Jetzt kehren wir aus dieser Ezelei

Zurück in unsre neue Barbarei.

Ihr habt gesehn, gezeichnet nach dem Leben,

Den Punkt, woraus wir gehn, das Ziel, wonach wir streben.

Wenn Eure Kirche dort den rechten Papst nur wählt,

So bürg' ich Euch, das Ziel wird nimmermehr verfehlt!

CHOR VON HALBTOLLEN.

Unglaublich ist, nicht auszusagen,

Was Alles so ein Faust darf wagen

In unsren Tagen!


Der Ezel, der im Sturm gewettert,

Hochher die halbe Welt zerschmettert,

Wird überklettert.


O, mehr als heunisches Getümmel!

Auf Erden zittert das Gewimmel!

Es bebt der Himmel!


Die Welt wird gänzlich ruiniret,

Die Höll' allein ist ungeniret,

Sie triumphiret;


Unglaublich ist, nicht auszusagen,

Was Alles so ein Faust darf wagen

In unsren Tagen!


Alle ab, außer Hans Wurst.
[300]


Quelle:
Baggesen, Jens: Der vollendete Faust oder Romanien in Jauer. Jens Baggesen's Poetische Werke in deutscher Sprache, Bd. 3, Leipzig 1836 [Nachdruck: Bern, Frankfurt am Main, New York 1985], S. 296-301.
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