Zwischenspiel.

[246] HERZOGIN.

Es ist ein eignes, sonderbares Stück.

Je weiter's vorrückt, um so weniger

Begreif' ich's.

PRINZ VON ELLENBOGEN.

Ja, je länger, desto toller.

HERZOG.

Ich selber werde nicht recht klug daraus;

Denn es kömmt immer anders, als man denkt.

OPITZ.

Es hat darin gar viele Aehnlichkeit

Mit dieser Zeit, worin wir leben.

HOFMARSCHALL.

Jedoch erlaub' ich mir ganz unterthänigst,

Gar Manches zu bemerken.

HERZOGIN.

Lassen Sie

Uns ihre Meinung hören, Hofmarschall!

HOFMARSCHALL.

Vorerst denn find' ich, daß es gar zu eigen,

Zu sonderbar, und unbegreiflich sey.

HERZOGIN.

Wahrhaftig!

HOFMARSCHALL.

Und zweitens find' ich, daß man gar nicht klug[247]

Daraus kann werden, weil stets etwas Andres

Herauskömmt, als man denkt.

HERZOG.

So sagt' ich auch.

Er hat ganz Recht, Hofmarschall!

HERZOGIN.

Nun! und drittens?

HOFMARSCHALL verlegen.

Und drittens? Drittens – ist es – ich weiß nicht,

Es recht zu sagen – so – man könnt' es nennen –

Mir wenigstens kömmt es so vor – ein wenig –

Ich such' ein Wort dafür –

HERZOGIN.

Vielleicht – bizarr?

HOFMARSCHALL.

Bizarr – drückt meine Meinung, Ihro Hoheit!

Vollkommen aus – nur viel vollkommener,

Als ich es jemals hätte sagen können.

Was kann, zum Beispiel, wohl bizarrer seyn,

Als dieser Elephant aus in einander

Geflochtenen Choristen.

PR. VON ELLENBOGEN.

Einen solchen

Sah ich wohl ehedem auf einer Tabatiere,

In dem Palaisroyal.

HOFMARSCHALL.

Auf einer Tabatiere,

Da lass' ich's gelten; aber – im Theater!

OPITZ.

Ja, das ist freilich etwas ganz Verschiednes.

HOFMARSCHALL.

Nicht wahr, mein Herr Baron! so ganz verschieden,

Und in der Größe nun zumal. Dergleichen

So kolossale Monstruositäten,

Die revoltiren nicht en miniature.

HOFRATH WERDER der bei dem Gepolter des Elephanten erwacht ist.

Was ich noch immer gegen dieses Stück[248]

Am meisten einzuwenden, ist die Länge.

Ich fürchte fast, es höre niemals auf.

MAD. DAUPHIN.

Mir scheint es immer erst noch anzufangen.

TOLLHAUSINSPECTOR.

Ich glaub' an dem Hans Wurst bemerkt zu haben,

Daß ein Versehen ist begangen worden;

Denn in der Probe war mehr Ordnung drin.

DOCTOR STIRN.

Es ist ein Act noch übrig.

TOLLHAUSINSPECTOR.

Zwei! die besten

HERZOG.

Gesteh' Er's nur, Herr Oberhofinspector,

Er hat die Finger mit darin gehabt?

TOLLHAUSINSPECTOR.

Nicht im Geringsten, Eure Hoheit. Nur

Die Decorationen sind von mir.

HERZOG.

Die sind Ihm auch gelungen. Wollte gerne,

Der Vorhang fiele nie. Mit solcher Freude

Betracht' ich den Hans Wurst im Ahornbaum;

Und jenen Pavillon dahinten werd' ich

Im Stern von meinem Garten bauen lassen.

TOLLHAUSINSPECTOR.

Ich werde unterthänigst Eure Hoheit

Mit einer Zeichnung gleich bedienen können.

HERZOG.

Auch die neun Dinger dort – die Musen mein' ich,

Die auf den Säulen – machen sich nicht übel.

Der Park gefällt mir überhaupt gar sehr,

Viel Perspectiv' ist drin.

TOLLHAUSINSPECTOR.

Bin ganz beschämt!

HERZOG.

Nein, schäme Er sich nicht! 's ist keine Schande,[249]

Die schönen Wissenschaften und die Kunst

Zu cultiviren, treibt man's nur zu weit nicht.


Leise dem Tollhausinspector in's Ohr.


Ich hab's Ihm ja gesagt, ich mache selber

Mitunter einen Vers.


Laut.


Die Hölle aber

Ist Ihm sehr wohlfeil doch zu stehn gekommen,

Was Decorationen anbelangt, – ha! ha!


Er lacht.


TOLLHAUSINSPECTOR.

Hans Wurst, der wollte sie durchaus nicht anders.

Doch Eure Hoheit werden später noch

Zu sehn bekommen – –


Man hört einen starken Lärm auf der Bühne.


HERZOG.

Still!


Der Vorhang geht auf.


Da ist der Keller![250]

Quelle:
Baggesen, Jens: Der vollendete Faust oder Romanien in Jauer. Jens Baggesen's Poetische Werke in deutscher Sprache, Bd. 3, Leipzig 1836 [Nachdruck: Bern, Frankfurt am Main, New York 1985], S. 246-251.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der vollendete Faust oder Romanien in Jauer
Der vollendete Faust oder Romanien in Jauer

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Leo Armenius

Leo Armenius

Am Heiligen Abend des Jahres 820 führt eine Verschwörung am Hofe zu Konstantinopel zur Ermordung Kaiser Leos des Armeniers. Gryphius schildert in seinem dramatischen Erstling wie Michael Balbus, einst Vertrauter Leos, sich auf den Kaiserthron erhebt.

98 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon